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Der wilde Wahn hat eine Heimat im Berlinroman: Zaza Burchuladzes "Zoorama"
Der Schub, den der Gastlandauftritt Georgiens auf der Frankfurter Buchmesse 2018 der Veröffentlichung von georgischer Literatur auf Deutsch gegeben hat, scheint anzuhalten - aber mit ihm wird oft auch daran erinnert, dass manche georgischen Schriftsteller nicht in ihrer Heimat, sondern im Exil leben, weil ihnen in der Heimat Schreckliches widerfahren ist. Der 1973 in Tiflis geborene experimentelle Schriftsteller Zaza Burchuladze etwa wurde auf der Straße verprügelt, man versuchte ihn mit einem Auto anzufahren und verbrannte seine Bücher. Seit 2014 lebt er in Berlin.
Burchuladzes neuer Roman "Zoorama" beginnt mit einem scheinbar realistischen Setting, suggeriert sogar eine Nähe zur Autobiographie: Der Erzähler heißt Zaza und lebt ebenfalls in Berlin. Eine Frau namens Marika hat eine beruhigende Wirkung auf ihn, allerdings wird schnell klar, dass er wohl traumatisiert ist: Er schreit in ein Kissen und sagt: "Manchmal bleibt einem auch nichts anderes übrig als zu heulen." Marika ist ebenfalls von brüchiger Gestalt, womöglich dem Reich der Phantasie entsprungen. Wie dem auch sei: "Ich hätte ihr auch etwas versprochen, wenn mir nach Reden zumute gewesen wäre, sogar eine Stadt zu bauen, so schön wie die Erinnerung an ihre eigene in einem fremden Land." Doch beide, erfahren wir, verbindet dieselbe Katastrophe: "Seitdem denken wir nur von Tag zu Tag."
Von Tag zu Tag ergibt sich im teils vertraut wirkenden Berlin Überraschendes. Plötzlich hat der Erzähler ein Kind. Dann beginnt eine Frau zu leuchten. In Burchuladzes Prosa mischen sich dokumentarische Einsprengsel - Berichte von politisch Verfolgten, Gespräche über Sprache und Literatur - mit zunehmend phantastischen, wahnhaften Passagen. Das muss einen im Berlinroman nach Alfred Döblins epochalem "Berlin Alexanderplatz", worin der Hauptfigur die Dächer abzurutschen scheinen und ihr mythische Gestalten erscheinen, nicht mehr verwundern, Berlin scheint ja in Literatur und Film für wahnhaftes Erleben bis heute geradezu gemacht. Bei Burchuladze nimmt es aber durchaus wilde Formen an, wenn dem Erzähler beim Verlassen eines Fahrstuhls plötzlich eine Armee von Zwergen entgegenkommt, die sich bald darauf als tote Kinder erweisen. Es sind auch Kriegsszenarien, die im Wahn aufscheinen, gipfelnd im Tanz mit einem Maschinengewehr.
Und doch werden die Explosionen der Phantasie immer wieder geerdet, vielleicht begründet durch Realia - wie die Erinnerung an das Autodafé von Burchuladzes Büchern in Tiflis, bei der sich herausstellt, dass "die Mitarbeiter des Buchladens die Bücher selbst in Brand gesteckt haben", systematisch: "Das ist so, wie wenn Großmütter Neugeborene von der Entbindungsstation stehlen würden, weil ihnen etwas an ihnen nicht gefällt, und sie gleich dort im Hof ertränken würden wie blinde Welpen."
Zu den traurigsten Passagen gehören die, in denen der Erzähler bekennt, früher einmal an die Kraft der Literatur geglaubt zu haben - nun sagt er: "Von der Belletristik generell erwarte ich nichts mehr." Aber zugleich belügt das vorliegende Buch dieses bittere Bekenntnis, indem es sich doch noch einmal aufbäumt, nicht zuletzt in einer zweiten, surrealistisch anmutenden Textebene, die als "Ausstellung der Wörter" gekennzeichnet ist, eine Art rettendes Museum für experimentelle Prosa. "Stell Dir autonome Creepypasta mit sentimentaler Sauce vor", sagt der Erzähler einmal zu deren Beschreibung. Und die scheint ganz gut zu passen. JAN WIELE
Zaza Burchuladze:
"Zoorama". Roman.
Aus dem Georgischen von Sybilla Heinze.
Tropen Verlag bei
Klett-Cotta, Stuttgart 2022. 320 S., geb., 24,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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