Der Göttinger Wallstein Verlag hat seine vierbändige Ausgabe der Werke der österreichischen Schriftstellerin Christine Lavant (1915-1973) fortgesetzt. Nach Band 1 „Zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichte“ nun „Zu Lebzeiten veröffentlichte Erzählungen“. Herausgegeben von den beiden
Literaturwissenschaftlern Klaus Amann und Brigitte Strasser ist der Band chronologisch in zwei Abschnitte…mehrDer Göttinger Wallstein Verlag hat seine vierbändige Ausgabe der Werke der österreichischen Schriftstellerin Christine Lavant (1915-1973) fortgesetzt. Nach Band 1 „Zu Lebzeiten veröffentlichten Gedichte“ nun „Zu Lebzeiten veröffentlichte Erzählungen“. Herausgegeben von den beiden Literaturwissenschaftlern Klaus Amann und Brigitte Strasser ist der Band chronologisch in zwei Abschnitte untergliedert. Abteilung 1 präsentiert die Erzählungen „Das Kind“ (1948) und „Das Krüglein“ (1949), die Erzählsammlung „Baruscha“ (1952) sowie die spätere große Erzählsammlung „Nell“ (1969). Die kürzere zweite Abteilung beinhaltet lediglich die beiden Erzählungen „Die Türgeschichte“ und „Der Lumpensammler“.
Bisher war Christine Lavant fast ausschließlich als Lyrikerin bekannt, während ihre prosaische Seite nur selten wahrgenommen wurde. Ihr Prosa-Gesamtwerk umfasst aber immerhin über 1.100 Druckseiten (die Erzählungen des vorliegenden Bandes sowie Hunderte Seiten von zu Lebzeiten nicht veröffentlichter Prosa, die sich verstreut und im Nachlass fand).
Die 1945/46 entstandene Erzählung „Das Kind“ war nicht nur das prosaische Debüt sondern die erste Buchveröffentlichung von Christine Lavant überhaupt. Erzählt wird von einem Landkind in einer Heilanstalt, das sich in eine geheimnisvolle Märchenwelt flüchtet. Nicht die Krankheit steht im Mittelpunkt sondern ihre Phantasie. Lavant verarbeitete darin eigene Kindheitserlebnisse. In der längeren Erzählung „Das Krüglein“ bringt ein Neugeborenes die Familienverhältnisse durcheinander. Auch hier griff Lavant auf Erfahrungen aus ihrem dörflichen Umfeld zurück, was ihr aber Anfeindungen einbrachte.
Die Erzählsammlung „Baruscha“ versammelt die Erzählungen „Die goldene Braue“, „Der Messer-Mooth“ und „Baruscha“, wobei letztere zu den Lieblingsgeschichten der Autorin zählte. Die Erzählsammlung „Nell“ bringt die vier Geschichten „Nell“, „Maria Katharina“, „Rosa Berchtold“ und „Der Knabe“, die schon in den frühen 1950er Jahren entstanden waren. Im Mittelpunkt der titelgebenden Erzählung „Nell“ steht eine sehr gläubige Frau, die unter einer Krebserkrankung und dem Unverständnis ihrer Umwelt zu leiden hat. Überhaupt haben viele von Lavants Erzählungen einen religiösen Hintergrund und sind in ihrer bedrückenden Biografie verankert. Die beiden abschließenden Erzählungen „Die Türgeschichte“ (nur vier Seiten lang) und „Der Lumpensammler“ sind Einzel-Prosatexte, deren Entstehung sich nicht genau datieren lässt.
Der Auswahlband wird durch einen umfangreichen Anhang komplettiert - mit Anmerkungen, Glossaren und editorischen Kommentaren zu den einzelnen Erzählungen. In einem Nachwort beleuchtet Herausgeber Klaus Amann dann noch das Prosawerk von Christine Lavant etwas näher.