„Das De-facto-Handeln ist entscheidend.“
In „Globale Verschiebungen“ diskutieren Helmut Schmidt und Peer Steinbrück Fragen der Weltpolitik. Mit den Einschätzungen von Schmidt zu USA, China, dem Nahen Osten und Europa sollte sich jeder Nachwuchspolitiker beschäftigen. Sie bieten eine Orientierung.
Schmidt ist bestens informiert und profitiert von seinen weltweiten Kontakten. Seine Meinung ist…mehr„Das De-facto-Handeln ist entscheidend.“
In „Globale Verschiebungen“ diskutieren Helmut Schmidt und Peer Steinbrück Fragen der Weltpolitik. Mit den Einschätzungen von Schmidt zu USA, China, dem Nahen Osten und Europa sollte sich jeder Nachwuchspolitiker beschäftigen. Sie bieten eine Orientierung. Schmidt ist bestens informiert und profitiert von seinen weltweiten Kontakten. Seine Meinung ist sachlich fundiert. Zum Verhalten gegenüber Polen und Russland fordert er: „Das bedarf eines unglaublichen Fingerspitzengefühls bei der politischen Klasse in Berlin.“
Weniger staatsmännisch geht es in den folgenden beiden Kapiteln zu. Steinbrück und Schmidt tauschen Erinnerungen aus der Zeit aus, als Schmidt noch Bundeskanzler war. Abfällige Bemerkungen über Personen unterbleiben. Der Fall der Mauer ist Thema und auch das Verhältnis zu den ehemaligen Ostparteien. „Ich habe zum Beispiel mit großer innerer Missbilligung gesehen … , dass sich alle auf die ehemaligen SED-Leute gestürzt haben; die Blockflöten blieben völlig unbehelligt und waren in manchen Fällen die schlimmeren Opportunisten“, so Schmidt.
Die Autoren greifen Versäumnisse der SPD auf. So wurden lt. Steinbrück z.B. die Integrationsprobleme viel zu lange tabuisiert. „... es hätte die SPD sein müssen, die diese von vielen Bürgern hautnah empfundenen Probleme rechtzeitig, lange vor dieser Buchveröffentlichung [gemeint ist „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin], hätte aufgreifen müssen.“ Reformvorhaben und die Reformfähigkeit der SPD werden diskutiert, das Verhältnis zu Gewerkschaften und Betriebsräten beleuchtet.
Es geht aber auch um ganz andere Themen. Schmidt und Steinbrück plaudern über Fußball, Kunst, Literatur und Philosophie. Steinbrück wünscht sich, dass sich Intellektuelle häufiger in öffentliche Debatten einmischen. Umgekehrt sollten Politiker sich mit der Kunst- und Kulturszene beschäftigen. Im weiteren Gespräch geht es um Macht. Man kann kaum glauben, dass Schmidt das Misstrauensvotum von Oktober 1982 als Befreiung und nicht als Niederlage empfunden hat.
Schmidt und Steinbrück diskutieren die Finanzkrise und die Unterschiede im Hypothekenrecht zwischen USA und Deutschland. Bereits 1998 gab es Überlegungen, den LTCM, einen Hedgefond, pleitegehen zu lassen. Aber Greenspan und McDonough entschieden: „Too big to fail“. In einer ähnlichen Situation befand sich Steinbrück 2007, als es darum ging, ob man eine Düsseldorfer Bank pleitegehen lassen könne.
Die Dialogform hat den Vorteil, dass Gesprächsentwicklungen und die Art des Umgangs deutlich werden. Gemeinsamkeiten und Gegensätze kommen besser zur Geltung. Zudem wirken die Inhalte weniger abstrakt. Die Leser erfahren einiges zum politischen Umfeld und die Gesprächspartner werden transparenter. Wenn das Ziel darin bestand, Politik transparenter zu machen und die Kluft zu den Politikern zu reduzieren, ist das gelungen.