Zugunruhe, das ist die Rastlosigkeit von Vögeln im Vorfeld ihrer Migration, die nächtliche Sehnsucht, das Gefühl, dem Lockruf der Ferne kaum noch widerstehen zu können – was im Umkehrschluss heißt: Nichts hält mehr an diesem Ort, der zusehends unwirtlich wird. Und unwirtlich, geradezu verloren erscheint dem Protagonisten in Levin Westermanns Debütroman die Welt – und was die Menschen in ihrem Fortschrittssturm daraus gemacht haben. Flankiert von Katastrophenmeldungen, von Berichten über Pandemie und Klimakrise, von Weltraumkolonialisierungsträumen, streift er durch Landschaften der Schweiz und Deutschlands, vorbei an Raketenstationen und misstrauischen Blicken, und protokolliert die ungezügelte Zerstörungswut der Menschen, einer Spezies außer Rand und Band, die vergessen hat, dass sie nicht allein ist auf diesem Planeten, dass sie umgeben ist von Leben, und die allen Warnungen zum Trotz nicht aufhört, jenen Sturm noch weiter anzufachen. So erweist sich die Unruhe letztlich als Ausdruck der Verfallsgeschichte von Natur und Kultur, die Westermann am Kipppunkt einzufangen weiß, als ein Aufbegehren im Angesicht des drohenden Untergangs.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mit einem veritablen Verriss bedenkt Rezensentin Tina Hartmann Levin Westermanns Roman. Wobei, ist das überhaupt ein Roman? Die Rezensentin vermutet eher einen Fall von Etikettenschwindel, denn als Erzählexperiment taugt dieses Buch, das entlang der Beobachtungen und Reflexionen einer namenlosen Hauptfigur in der hessischen Provinz, Gedanken und Zitate zu Themen wie giftigem Marsstaub, Lichtverschmutzung, sowie die Wiedereroberung der Städte durch Tiere aufreiht, nicht viel. Westermann versucht sich an Nature Writing, lesen wir, die Romanform wird dabei nicht mitreflektiert. Als These bleibt in dieser sich selbst in Rage schreibenden Prosa nur übrig, lesen wir, dass Sprache angesichts der Naturzerstörung durch den Menschen versagt. Das ist Hartmann offensichtlich zu wenig, vor allem, weil Westermann, anstatt eigene Gedanken zu fassen, stets nur Angelesenes präsentiert, teils auch noch in aufdringlich professoralem Tonfall. So kommt man, meint Hartmann abschließend, der Umweltzerstörung literarisch gerade nicht bei.
© Perlentaucher Medien GmbH
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