Zugunruhe, das ist die Rastlosigkeit von Vögeln im Vorfeld ihrer Migration, die nächtliche Sehnsucht, das Gefühl, dem Lockruf der Ferne kaum noch widerstehen zu können – was im Umkehrschluss heißt: Nichts hält mehr an diesem Ort, der zusehends unwirtlich wird. Und unwirtlich, geradezu verloren erscheint dem Protagonisten in Levin Westermanns Debütroman die Welt – und was die Menschen in ihrem Fortschrittssturm daraus gemacht haben. Flankiert von Katastrophenmeldungen, von Berichten über Pandemie und Klimakrise, von Weltraumkolonialisierungsträumen, streift er durch Landschaften der Schweiz und Deutschlands, vorbei an Raketenstationen und misstrauischen Blicken, und protokolliert die ungezügelte Zerstörungswut der Menschen, einer Spezies außer Rand und Band, die vergessen hat, dass sie nicht allein ist auf diesem Planeten, dass sie umgeben ist von Leben, und die allen Warnungen zum Trotz nicht aufhört, jenen Sturm noch weiter anzufachen. So erweist sich die Unruhe letztlich als Ausdruck der Verfallsgeschichte von Natur und Kultur, die Westermann am Kipppunkt einzufangen weiß, als ein Aufbegehren im Angesicht des drohenden Untergangs.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Levin Westermann fiebert quasi auf das Ende der Menschheit hin, liest Rezensent Michael Wolf in dessen Band autofiktionaler Texte, denn bestünde eine Chance der Natur auf Erholung. Westermann ist für Wolf ein feinsinniger Dichter, der Mitleid mit radioaktiv verstrahlten Kühen und missbrauchten Labortieren hat und dessen "Überforderung des Geistes" den Kritiker besonders berührt. Eine erkenntnisreiche Art von Traurigkeit vermag der Autor mit seinen Texten auszudrücken, sodass der Rezensent dabei noch einiges lernen kann darüber, wie man mit der Umwelt mitfühlt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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