Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Zwei Kochbücher zum Thema Nachhaltigkeit
Ob "Veganmania", "Cell Cultured Food", "Plant-Based Food", "Seasonal Food", "Local Food", "Ethic Food", "Fair Food", "Circular Food" - einen großen Cluster macht Hanni Rützler in ihrem "Food Report 2021" aus, mit dem all diese Ernährungstrends assoziiert sind: Nachhaltigkeit. Und Rützler, die seit einem Vierteljahrhundert unsere Esskulturen analysiert, erinnert daran, dass das, was nun mit der "Save the Planet"- und der "Fridays for Future"-Bewegung in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, vor gut zwanzig Jahren schon ein Grundprinzip von Kochavantgarden wie der New Nordic Cuisine oder, etwas später dann, der Alpinen Küche war.
Der Südtiroler Norbert Niederkofler etwa, Speerspitze der Alpinen Küche, versteht sein Konzept "Cook the Mountain" als "transversale Forschungswerkstatt", in der der Küche die Rolle eines "Katalysators" bei der Durchsetzung und "Verbreitung eines neuen Modells nachhaltiger (ökonomischer, sozialer und kultureller) Entwicklung" zukommt. Dieses Konzept hat inzwischen international Schule gemacht.
Denn unsere kulinarische Praxis beeinflusst nicht nur unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit, sondern entscheidet auch über den Zustand nicht nur hiesiger Landschaften, sondern auch jener in anderen Weltgegenden. Problematisch ist insbesondere der exorbitante Fleischkonsum wohlhabender Gesellschaften. In Europa beträgt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch circa 80 Kilogramm, in den USA 120, in Asien 33, in Afrika 16.
Überspitzt gesagt, fehlt jenes Getreide, das in der Tiermast verfüttert wird, um preisgünstiges Fleisch zu produzieren, auf dem Weltmarkt als Grundnahrungsmittel. Das Essen wird heute politisiert und ideologisiert, man argumentiert mit Ökologie, Klimarelevanz, Tierwohl und eben auch Verteilungsgerechtigkeit. Schnitzel- oder Schweinebraten-Shaming dürften keine allzu abwegigen Zukunftsszenarien sein.
Dass die industrialisierte Landwirtschaft einer der größten Treiber des Klimawandels ist, gilt als ausgemacht. Angesichts der Gefährdung der Ernährungssicherheit und rasant steigender Lebensmittelpreise im Gefolge des Ukrainekrieges wird jedoch überlegt, den Wandel in Richtung regeneratives Landwirtschaften zurückzustellen - ungeachtet des Klima- und Umweltschutzes.
Das individuelle Konsumverhalten scheint davon unberührt, der Trend ungebrochen: 245 Titel liefert eine Suche mit den Stichwörtern "kochen" und "nachhaltig" im "Verzeichnis lieferbarer Bücher". Es dürfte also dafür gesorgt sein, dass der ökologisch, klimatisch und tierethisch korrekte sowie verteilungsgerechte Esstisch nicht zu einem Ort permanent schlechter Laune wird. Bester Laune vermittelt jedenfalls der Theorie-Teil von Holger Strombergs "Zukunft kochen" alles über "planetengesunde" Ernährung, "CO2-Footprint", "Essen for Future", pflanzenbasierte Küche, naturschonenden Lebensmittelkonsum und klimafreundliches Essen. Und das rhetorisch und optisch im Stil des bekannten schwedischen Möbelhauses und damit eingängig und zielgruppenadäquat.
Dann präsentiert Deutschlands einst jüngster Sternekoch in Wort und Bild die "klimafreundlichsten" Lebensmittel. Dem "planetengesunden Speiseplan" - 85 Prozent Pflanzen, höchstens 15 Prozent Lebensmittel aus tierischen Quellen -, der daraus entwickelt wird, liegen die Empfehlungen der "Planetary Health Diet" zugrunde, der 2019 von der EAT-Lancet-Kommission vorgelegt wurde. Einfach nachvollziehbaren und von Illustrationen gespickten Anweisungen zur Verringerung des "ökologischen Fußabdrucks" folgen eine "Kleine Kochschule" sowie etwa siebzig Rezepte mit einer niedrigen CO2-Bilanz für Einsteiger.
Die Speisen - Hauptzutaten sind durchweg gängige hiesige Gemüsesorten - sind ohne großen Zeit- und Materialaufwand zuzubereiten. Und wie schmeckt das, was man sich täglich guten Gewissens zuführen darf? Den Fotos der schlicht arrangierten Gerichte nach zu schließen, ist eine ökologisch korrekte Ernährung mit Genuss ohne weiteres unter einen Hut zu bekommen.
Wie Nachhaltigkeit schmeckt, weiß, selbstverständlich, auch "brand eins". Dem "Genussbuch" des Wirtschaftsmagazins, einer Gemeinschaftsproduktion mit dem Kochbuchverlag Tre Torri, haftet trotz gewohnt kesser Lippe, markiger Motti und schicker Aufmachung ein Gout des Abgestandenen an. So wie Supermärkte gern einmal abgelaufene Waren umetikettieren, betreibt "brand eins" eine Text-Wiederverwertung von zwölf hauseigenen "Klassikern" aus den vergangenen zwei Jahrzehnten. Die werden mit jeweils zwei Gerichten aufgefrischt, Kompositionsprinzip: freie Assoziation.
Das hat zwar nicht annähernd den Charme, der ähnlich gestrickten Werbemitteln eignet - Firmenschriften mittelständischer metallverarbeitender Betriebe etwa, deren Mitarbeiter jeweils ihre Lieblingsspeise inklusive Rezept verraten -, dafür geben aber eben auch nicht Bulette und Burger den Ton an, sondern, mal rustikal, mal elaboriert, vegetarische Gerichte. Und dafür kommt man auch nicht im Blaumann daher, sondern in feinem Upcycling-Zwirn. Der blassgrüne Einband ist aus Garn gewebt, das aus recycelten, aus dem Meer gefischten Plastikabfällen hergestellt wird. Was die Ökobilanz dieses "Buchs für ,brandeins'-Fans, die gerne in der Küche stehen, und schlaue Gourmets, die mehr wissen wollen", auch nicht rettet. WALTER SCHÜBLER
Holger Stromberg: "Zukunft kochen". Nachhaltig kochen, gesund genießen, nichts verschwenden.
ZS Verlag, München 2022. 192 S., Abb., geb., 24,99 Euro.
"So schmeckt Nachhaltigkeit". #mutig #einfallsreich #wertvoll.
Hrsg. von Ralf Frenzel und brand eins. Tre Torri Verlag, Wiesbaden 2022. 168 S., Abb., geb., 40,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Zwei Kochbücher zum Thema Nachhaltigkeit
Ob "Veganmania", "Cell Cultured Food", "Plant-Based Food", "Seasonal Food", "Local Food", "Ethic Food", "Fair Food", "Circular Food" - einen großen Cluster macht Hanni Rützler in ihrem "Food Report 2021" aus, mit dem all diese Ernährungstrends assoziiert sind: Nachhaltigkeit. Und Rützler, die seit einem Vierteljahrhundert unsere Esskulturen analysiert, erinnert daran, dass das, was nun mit der "Save the Planet"- und der "Fridays for Future"-Bewegung in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, vor gut zwanzig Jahren schon ein Grundprinzip von Kochavantgarden wie der New Nordic Cuisine oder, etwas später dann, der Alpinen Küche war.
Der Südtiroler Norbert Niederkofler etwa, Speerspitze der Alpinen Küche, versteht sein Konzept "Cook the Mountain" als "transversale Forschungswerkstatt", in der der Küche die Rolle eines "Katalysators" bei der Durchsetzung und "Verbreitung eines neuen Modells nachhaltiger (ökonomischer, sozialer und kultureller) Entwicklung" zukommt. Dieses Konzept hat inzwischen international Schule gemacht.
Denn unsere kulinarische Praxis beeinflusst nicht nur unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit, sondern entscheidet auch über den Zustand nicht nur hiesiger Landschaften, sondern auch jener in anderen Weltgegenden. Problematisch ist insbesondere der exorbitante Fleischkonsum wohlhabender Gesellschaften. In Europa beträgt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch circa 80 Kilogramm, in den USA 120, in Asien 33, in Afrika 16.
Überspitzt gesagt, fehlt jenes Getreide, das in der Tiermast verfüttert wird, um preisgünstiges Fleisch zu produzieren, auf dem Weltmarkt als Grundnahrungsmittel. Das Essen wird heute politisiert und ideologisiert, man argumentiert mit Ökologie, Klimarelevanz, Tierwohl und eben auch Verteilungsgerechtigkeit. Schnitzel- oder Schweinebraten-Shaming dürften keine allzu abwegigen Zukunftsszenarien sein.
Dass die industrialisierte Landwirtschaft einer der größten Treiber des Klimawandels ist, gilt als ausgemacht. Angesichts der Gefährdung der Ernährungssicherheit und rasant steigender Lebensmittelpreise im Gefolge des Ukrainekrieges wird jedoch überlegt, den Wandel in Richtung regeneratives Landwirtschaften zurückzustellen - ungeachtet des Klima- und Umweltschutzes.
Das individuelle Konsumverhalten scheint davon unberührt, der Trend ungebrochen: 245 Titel liefert eine Suche mit den Stichwörtern "kochen" und "nachhaltig" im "Verzeichnis lieferbarer Bücher". Es dürfte also dafür gesorgt sein, dass der ökologisch, klimatisch und tierethisch korrekte sowie verteilungsgerechte Esstisch nicht zu einem Ort permanent schlechter Laune wird. Bester Laune vermittelt jedenfalls der Theorie-Teil von Holger Strombergs "Zukunft kochen" alles über "planetengesunde" Ernährung, "CO2-Footprint", "Essen for Future", pflanzenbasierte Küche, naturschonenden Lebensmittelkonsum und klimafreundliches Essen. Und das rhetorisch und optisch im Stil des bekannten schwedischen Möbelhauses und damit eingängig und zielgruppenadäquat.
Dann präsentiert Deutschlands einst jüngster Sternekoch in Wort und Bild die "klimafreundlichsten" Lebensmittel. Dem "planetengesunden Speiseplan" - 85 Prozent Pflanzen, höchstens 15 Prozent Lebensmittel aus tierischen Quellen -, der daraus entwickelt wird, liegen die Empfehlungen der "Planetary Health Diet" zugrunde, der 2019 von der EAT-Lancet-Kommission vorgelegt wurde. Einfach nachvollziehbaren und von Illustrationen gespickten Anweisungen zur Verringerung des "ökologischen Fußabdrucks" folgen eine "Kleine Kochschule" sowie etwa siebzig Rezepte mit einer niedrigen CO2-Bilanz für Einsteiger.
Die Speisen - Hauptzutaten sind durchweg gängige hiesige Gemüsesorten - sind ohne großen Zeit- und Materialaufwand zuzubereiten. Und wie schmeckt das, was man sich täglich guten Gewissens zuführen darf? Den Fotos der schlicht arrangierten Gerichte nach zu schließen, ist eine ökologisch korrekte Ernährung mit Genuss ohne weiteres unter einen Hut zu bekommen.
Wie Nachhaltigkeit schmeckt, weiß, selbstverständlich, auch "brand eins". Dem "Genussbuch" des Wirtschaftsmagazins, einer Gemeinschaftsproduktion mit dem Kochbuchverlag Tre Torri, haftet trotz gewohnt kesser Lippe, markiger Motti und schicker Aufmachung ein Gout des Abgestandenen an. So wie Supermärkte gern einmal abgelaufene Waren umetikettieren, betreibt "brand eins" eine Text-Wiederverwertung von zwölf hauseigenen "Klassikern" aus den vergangenen zwei Jahrzehnten. Die werden mit jeweils zwei Gerichten aufgefrischt, Kompositionsprinzip: freie Assoziation.
Das hat zwar nicht annähernd den Charme, der ähnlich gestrickten Werbemitteln eignet - Firmenschriften mittelständischer metallverarbeitender Betriebe etwa, deren Mitarbeiter jeweils ihre Lieblingsspeise inklusive Rezept verraten -, dafür geben aber eben auch nicht Bulette und Burger den Ton an, sondern, mal rustikal, mal elaboriert, vegetarische Gerichte. Und dafür kommt man auch nicht im Blaumann daher, sondern in feinem Upcycling-Zwirn. Der blassgrüne Einband ist aus Garn gewebt, das aus recycelten, aus dem Meer gefischten Plastikabfällen hergestellt wird. Was die Ökobilanz dieses "Buchs für ,brandeins'-Fans, die gerne in der Küche stehen, und schlaue Gourmets, die mehr wissen wollen", auch nicht rettet. WALTER SCHÜBLER
Holger Stromberg: "Zukunft kochen". Nachhaltig kochen, gesund genießen, nichts verschwenden.
ZS Verlag, München 2022. 192 S., Abb., geb., 24,99 Euro.
"So schmeckt Nachhaltigkeit". #mutig #einfallsreich #wertvoll.
Hrsg. von Ralf Frenzel und brand eins. Tre Torri Verlag, Wiesbaden 2022. 168 S., Abb., geb., 40,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main