»Dies ist das lustigste, ungezügeltste Meisterwerk des Jahres ... einfach brillant.« Adressavisen. Mit einem verblüffend komischen und surrealen Roman begibt sich Erik Fosnes Hansen in das Reich der Fantasie und der reinen Fiktion. Eine thrillerhafte Geschichte, die in einer Landschaft spielt, die den normalen Gesetzen der Physik und der Realität zu trotzen scheint und dem Leser dennoch sehr real und greifbar vorkommt. Ein Buch, das ganz anders ist als das meiste, was Sie jemals gelesen haben. Zwei reisende Goldmacher treffen auf einer Landstraße zufällig aufeinander und ziehen schließlich in die von Fürstin Clothilde regierte Stadt Jüterbog, in der die Untertanen durch Massage bei Laune gehalten werden. Heimlich beobachtet werden die beiden von einem Hund und einer Katze, die sich fragen, was die Ankunft der Männer bedeuten könnte. Bevor die beiden Goldmacher in der Lage sind, Unheil anzurichten, kommen weitere Figuren ins Spiel: ein armes, schwer krankes Mädchen und dessen unerzogener Bruder, ein Wachmann mit sprechender Warze sowie die Fürstin selbst, die so gelangweilt ist, dass sie sogar den Tod eines Untergebenen für etwas Abwechslung in Kauf nimmt. Eine unerwartete Szene folgt auf die nächste in diesem spannenden und bildreichen Roman, in dem alles wie im Traum geschieht, aus dem man sich wünschte, nicht aufzuwachen.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Matthias Hannemann staunt nicht schlecht über die Fabulierfreude von Erik Fosnes Hansen. Dessen neuer Roman, im Original von 2020, ist nicht nur unterhaltsam und clownesk, weil es das brandenburgische Jüterbog zum Zentrum einer Steampunk-Story mit Goldmachern, Geheimdiensten und sprechenden Tulpenzwiebeln macht, sondern auch beseelt von einem märchenhaften Erzählton, wie man ihn von Hansen schon kennt und schätzt, meint Hannemann. Dass Hansen seine einfallsreiche Geschichte zusammenzuhalten weiß, Thriller-Elemente und allerhand Überraschungen für den Leser einbaut, macht das Buch für Hannemann zu einer äußerst kurzweiligen Angelegenheit.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2022Eine feste Burg ist unsere Phantasie
In seinem Roman "Zum rosa Hahn" erzählt Erik Fosnes Hansen von zwei Goldmachern und einem grotesken Stadtstaat
Als freischaffender Künstler, der sein Publikum mit flüchtigen Kunststücken erfreut, muss man das Leben manchmal nehmen, wie es sich ergibt. Der umherziehende "Goldmacher" zum Beispiel, der sich zu Beginn von Erik Fosnes Hansens Roman "Zum rosa Hahn" in einer Gaststätte einmietet: Er hatte auf seinem Fußweg eigentlich ein ganz anderes Ziel, fieberte einem Schäferstündchen in Cottbus entgegen. Aber dann begegnete er auf der Landstraße einem älteren Kollegen, der ihn dermaßen zutextete, dass sich alles anders ergab. Und sie gelangten gemeinsam nach Jüterbog.
Was für eine seltsame Stadt. Sie trägt denselben Namen wie das mit einem prächtigen mittelalterlichen Stadtkern gesegnete "märkische Mantua" südlich von Berlin. Nur ist die Welt des Romans in Zeit und Raum nicht verortbar. In dieser Steampunk-Version von Brandenburg gibt es eine Zentralbehörde in Potsdam, die über so schöne Dinge wie künstliche Zusatzsonnen und so unschöne wie Geheimdienstler verfügt.
Und in Jüterbog, einer von Wachleuten abgeschirmten konstitutionellen Physiokratie, in der schon die Kinder die perfekten Massagetechniken lernen (keine Physiokratie ohne Physiotherapie), regiert die die Farbe Rosa liebende Markgräfin mit den Tasten einer Wolkenschreibmaschine, unterstützt von einem Hofstaat, zu dem ein Chefästhetiker zählt, zynischen Bürokraten, die Kältegeneratoren vor dem Haus verarmter Bürger aufstellen, und Sozialarbeitern, die von besagtem Haus auch noch die Farbe abkratzen.
Eiskalte Lehrer raten zum Verkauf schwer erziehbarer Söhne. Abgebrühte Kirchenvertreter, die sich mit säuselnden Chören umgeben ("Der Herr ließ seine Diashow über euch leuchten!", "Eine feste Burg ist unser Gott, ia-ia-oh!"), machen die Mutter eines lungenkranken Mädchens auf die Möglichkeiten zur "zügigen Einschläferung" und das "Sonderangebot für Kinderbestattungen" aufmerksam. Totschläger schaffen Bauern, die im Rathaus Konkurs anmelden, aus der Welt und ihre Familien mit roten Halsbändern "als Lockvögel" in den Wald.
Mit anderen Worten: Da hat sich erheblich was aufgestaut beim norwegischen Autor Erik Fosnes Hansen. Mit dem bitterbösen, aber auch brüllend komischen Roman "Zum rosa Hahn", der im Original im Herbst 2020 erschien, stellt er einen Zerrspiegel auf, in dem nicht nur Leser seiner Heimat in die Gegenwart zu spähen meinen.
Bissig kommentiert der Kommentar unter anderem den Zustand des Theaterlebens, das in Jüteborg nur noch aus "Floorshows" im Dienst des Stadtmarketings besteht (im Büro des Bühnenmeisters stehen "eine Massagebank sowie eine Probechaiselongue für junge Schauspielerinnen"). Oder auch den des Journalismus, der durch einen ungepflegten "Schmierfink" von der "Kultur und Leichtsinnigkeitsredaktion" des Jüteboger Abendblatts verkörpert wird. Der trägt eine Tasche "aus robustem Sensationsleder".
Immerhin: Noch fliegen in Jüterbog die Abendzeitungen "in Keilformation durch die Straße, alle wie vorgeschrieben in drei Metern Höhe mit schweren Flügelschlägen", und überhaupt ist in dieser Stadt das Leben in allen Dingen. Leere Zimmer seufzen, weil sie die in ihnen gespielte Musik von früher vermissen, Tulpenzwiebeln jammern aus Angst vor dem Winter, durchs Fenster geworfene Brötchen "kreischen vor Höhenangst laut auf". Der Straßenbelag schafft es "angesichts des geringen Instandhaltungsbudgets . . . nicht mehr, sich nachts zu straffen und zu sammeln". Fabulierfreude pur.
Sieht man einmal vom Clownesken ab, herrscht auch hier wieder der unaufdringlich märchenhafte Erzählton, der einst den Bestseller "Choral am Ende der Reise" über die Musiker der Titanic und später die Außenseitergeschichte "Das Löwenmädchen" sowie "Ein Hummerleben" über ein kriselndes Hotel in den Achtzigerjahren geprägt hat.
Wie man eine Handlung zusammenhält, muss man diesem Autor ebenfalls nicht erklären. Sie rollt einem Auftritt entgegen, den die beiden "Goldmacher" in Jüterbog nach einem lukullischen Abend im Gasthof planen. Aber (mit diesem Zauberwort professioneller Schwadroneure endet jedes Kapitel, bevor die Perspektive jäh wechselt und der Satz im Anfang des nächsten mit unerwartetem Inhalt fortgesetzt wird), aber sie erzählt auch von der jungen Clotilde, die wie eine twitternde Politikerin im Jetzt und Hier vor ihrem Himmelsschreiber sitzt und unter Einfallslosigkeit leidet, von einer alleinerziehenden Mutter mit schwierigem Sohn und todkranker Tochter und einigen sprechenden Tieren, die möglicherweise als Spione arbeiten. Bei Katzen, Hunden und Mäusen weiß man ja nie.
Ein Thriller deutet sich an, und auch wenn es nicht allzu sehr thrillt - es bewahrt den Roman vor Längen. Erik Fosnes Hansen, der im NRK-Radio erzählte, diese Geschichte auf einen Traum hin einfach mal ohne großen Plan angefangen zu haben, ein Buch, das am Ende nicht zuletzt von einem Menschen handelt, der sich radikalisiert, legt mit "Zum rosa Hahn" ein bis zum Ende überraschendes Werk vor. Der Einband der deutschen Ausgabe schimmert golden. MATTHIAS HANNEMANN
Erik Fosnes Hansen:
"Zum rosa Hahn". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 476 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In seinem Roman "Zum rosa Hahn" erzählt Erik Fosnes Hansen von zwei Goldmachern und einem grotesken Stadtstaat
Als freischaffender Künstler, der sein Publikum mit flüchtigen Kunststücken erfreut, muss man das Leben manchmal nehmen, wie es sich ergibt. Der umherziehende "Goldmacher" zum Beispiel, der sich zu Beginn von Erik Fosnes Hansens Roman "Zum rosa Hahn" in einer Gaststätte einmietet: Er hatte auf seinem Fußweg eigentlich ein ganz anderes Ziel, fieberte einem Schäferstündchen in Cottbus entgegen. Aber dann begegnete er auf der Landstraße einem älteren Kollegen, der ihn dermaßen zutextete, dass sich alles anders ergab. Und sie gelangten gemeinsam nach Jüterbog.
Was für eine seltsame Stadt. Sie trägt denselben Namen wie das mit einem prächtigen mittelalterlichen Stadtkern gesegnete "märkische Mantua" südlich von Berlin. Nur ist die Welt des Romans in Zeit und Raum nicht verortbar. In dieser Steampunk-Version von Brandenburg gibt es eine Zentralbehörde in Potsdam, die über so schöne Dinge wie künstliche Zusatzsonnen und so unschöne wie Geheimdienstler verfügt.
Und in Jüterbog, einer von Wachleuten abgeschirmten konstitutionellen Physiokratie, in der schon die Kinder die perfekten Massagetechniken lernen (keine Physiokratie ohne Physiotherapie), regiert die die Farbe Rosa liebende Markgräfin mit den Tasten einer Wolkenschreibmaschine, unterstützt von einem Hofstaat, zu dem ein Chefästhetiker zählt, zynischen Bürokraten, die Kältegeneratoren vor dem Haus verarmter Bürger aufstellen, und Sozialarbeitern, die von besagtem Haus auch noch die Farbe abkratzen.
Eiskalte Lehrer raten zum Verkauf schwer erziehbarer Söhne. Abgebrühte Kirchenvertreter, die sich mit säuselnden Chören umgeben ("Der Herr ließ seine Diashow über euch leuchten!", "Eine feste Burg ist unser Gott, ia-ia-oh!"), machen die Mutter eines lungenkranken Mädchens auf die Möglichkeiten zur "zügigen Einschläferung" und das "Sonderangebot für Kinderbestattungen" aufmerksam. Totschläger schaffen Bauern, die im Rathaus Konkurs anmelden, aus der Welt und ihre Familien mit roten Halsbändern "als Lockvögel" in den Wald.
Mit anderen Worten: Da hat sich erheblich was aufgestaut beim norwegischen Autor Erik Fosnes Hansen. Mit dem bitterbösen, aber auch brüllend komischen Roman "Zum rosa Hahn", der im Original im Herbst 2020 erschien, stellt er einen Zerrspiegel auf, in dem nicht nur Leser seiner Heimat in die Gegenwart zu spähen meinen.
Bissig kommentiert der Kommentar unter anderem den Zustand des Theaterlebens, das in Jüteborg nur noch aus "Floorshows" im Dienst des Stadtmarketings besteht (im Büro des Bühnenmeisters stehen "eine Massagebank sowie eine Probechaiselongue für junge Schauspielerinnen"). Oder auch den des Journalismus, der durch einen ungepflegten "Schmierfink" von der "Kultur und Leichtsinnigkeitsredaktion" des Jüteboger Abendblatts verkörpert wird. Der trägt eine Tasche "aus robustem Sensationsleder".
Immerhin: Noch fliegen in Jüterbog die Abendzeitungen "in Keilformation durch die Straße, alle wie vorgeschrieben in drei Metern Höhe mit schweren Flügelschlägen", und überhaupt ist in dieser Stadt das Leben in allen Dingen. Leere Zimmer seufzen, weil sie die in ihnen gespielte Musik von früher vermissen, Tulpenzwiebeln jammern aus Angst vor dem Winter, durchs Fenster geworfene Brötchen "kreischen vor Höhenangst laut auf". Der Straßenbelag schafft es "angesichts des geringen Instandhaltungsbudgets . . . nicht mehr, sich nachts zu straffen und zu sammeln". Fabulierfreude pur.
Sieht man einmal vom Clownesken ab, herrscht auch hier wieder der unaufdringlich märchenhafte Erzählton, der einst den Bestseller "Choral am Ende der Reise" über die Musiker der Titanic und später die Außenseitergeschichte "Das Löwenmädchen" sowie "Ein Hummerleben" über ein kriselndes Hotel in den Achtzigerjahren geprägt hat.
Wie man eine Handlung zusammenhält, muss man diesem Autor ebenfalls nicht erklären. Sie rollt einem Auftritt entgegen, den die beiden "Goldmacher" in Jüterbog nach einem lukullischen Abend im Gasthof planen. Aber (mit diesem Zauberwort professioneller Schwadroneure endet jedes Kapitel, bevor die Perspektive jäh wechselt und der Satz im Anfang des nächsten mit unerwartetem Inhalt fortgesetzt wird), aber sie erzählt auch von der jungen Clotilde, die wie eine twitternde Politikerin im Jetzt und Hier vor ihrem Himmelsschreiber sitzt und unter Einfallslosigkeit leidet, von einer alleinerziehenden Mutter mit schwierigem Sohn und todkranker Tochter und einigen sprechenden Tieren, die möglicherweise als Spione arbeiten. Bei Katzen, Hunden und Mäusen weiß man ja nie.
Ein Thriller deutet sich an, und auch wenn es nicht allzu sehr thrillt - es bewahrt den Roman vor Längen. Erik Fosnes Hansen, der im NRK-Radio erzählte, diese Geschichte auf einen Traum hin einfach mal ohne großen Plan angefangen zu haben, ein Buch, das am Ende nicht zuletzt von einem Menschen handelt, der sich radikalisiert, legt mit "Zum rosa Hahn" ein bis zum Ende überraschendes Werk vor. Der Einband der deutschen Ausgabe schimmert golden. MATTHIAS HANNEMANN
Erik Fosnes Hansen:
"Zum rosa Hahn". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 476 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Ein Roman voll von jener Verrücktheit, von der die Welt mehr braucht.« Ö1 Ex libris 20221218
Eine feste Burg ist unsere Phantasie
In seinem Roman "Zum rosa Hahn" erzählt Erik Fosnes Hansen von zwei Goldmachern und einem grotesken Stadtstaat
Als freischaffender Künstler, der sein Publikum mit flüchtigen Kunststücken erfreut, muss man das Leben manchmal nehmen, wie es sich ergibt. Der umherziehende "Goldmacher" zum Beispiel, der sich zu Beginn von Erik Fosnes Hansens Roman "Zum rosa Hahn" in einer Gaststätte einmietet: Er hatte auf seinem Fußweg eigentlich ein ganz anderes Ziel, fieberte einem Schäferstündchen in Cottbus entgegen. Aber dann begegnete er auf der Landstraße einem älteren Kollegen, der ihn dermaßen zutextete, dass sich alles anders ergab. Und sie gelangten gemeinsam nach Jüterbog.
Was für eine seltsame Stadt. Sie trägt denselben Namen wie das mit einem prächtigen mittelalterlichen Stadtkern gesegnete "märkische Mantua" südlich von Berlin. Nur ist die Welt des Romans in Zeit und Raum nicht verortbar. In dieser Steampunk-Version von Brandenburg gibt es eine Zentralbehörde in Potsdam, die über so schöne Dinge wie künstliche Zusatzsonnen und so unschöne wie Geheimdienstler verfügt.
Und in Jüterbog, einer von Wachleuten abgeschirmten konstitutionellen Physiokratie, in der schon die Kinder die perfekten Massagetechniken lernen (keine Physiokratie ohne Physiotherapie), regiert die die Farbe Rosa liebende Markgräfin mit den Tasten einer Wolkenschreibmaschine, unterstützt von einem Hofstaat, zu dem ein Chefästhetiker zählt, zynischen Bürokraten, die Kältegeneratoren vor dem Haus verarmter Bürger aufstellen, und Sozialarbeitern, die von besagtem Haus auch noch die Farbe abkratzen.
Eiskalte Lehrer raten zum Verkauf schwer erziehbarer Söhne. Abgebrühte Kirchenvertreter, die sich mit säuselnden Chören umgeben ("Der Herr ließ seine Diashow über euch leuchten!", "Eine feste Burg ist unser Gott, ia-ia-oh!"), machen die Mutter eines lungenkranken Mädchens auf die Möglichkeiten zur "zügigen Einschläferung" und das "Sonderangebot für Kinderbestattungen" aufmerksam. Totschläger schaffen Bauern, die im Rathaus Konkurs anmelden, aus der Welt und ihre Familien mit roten Halsbändern "als Lockvögel" in den Wald.
Mit anderen Worten: Da hat sich erheblich was aufgestaut beim norwegischen Autor Erik Fosnes Hansen. Mit dem bitterbösen, aber auch brüllend komischen Roman "Zum rosa Hahn", der im Original im Herbst 2020 erschien, stellt er einen Zerrspiegel auf, in dem nicht nur Leser seiner Heimat in die Gegenwart zu spähen meinen.
Bissig kommentiert der Kommentar unter anderem den Zustand des Theaterlebens, das in Jüteborg nur noch aus "Floorshows" im Dienst des Stadtmarketings besteht (im Büro des Bühnenmeisters stehen "eine Massagebank sowie eine Probechaiselongue für junge Schauspielerinnen"). Oder auch den des Journalismus, der durch einen ungepflegten "Schmierfink" von der "Kultur und Leichtsinnigkeitsredaktion" des Jüteboger Abendblatts verkörpert wird. Der trägt eine Tasche "aus robustem Sensationsleder".
Immerhin: Noch fliegen in Jüterbog die Abendzeitungen "in Keilformation durch die Straße, alle wie vorgeschrieben in drei Metern Höhe mit schweren Flügelschlägen", und überhaupt ist in dieser Stadt das Leben in allen Dingen. Leere Zimmer seufzen, weil sie die in ihnen gespielte Musik von früher vermissen, Tulpenzwiebeln jammern aus Angst vor dem Winter, durchs Fenster geworfene Brötchen "kreischen vor Höhenangst laut auf". Der Straßenbelag schafft es "angesichts des geringen Instandhaltungsbudgets . . . nicht mehr, sich nachts zu straffen und zu sammeln". Fabulierfreude pur.
Sieht man einmal vom Clownesken ab, herrscht auch hier wieder der unaufdringlich märchenhafte Erzählton, der einst den Bestseller "Choral am Ende der Reise" über die Musiker der Titanic und später die Außenseitergeschichte "Das Löwenmädchen" sowie "Ein Hummerleben" über ein kriselndes Hotel in den Achtzigerjahren geprägt hat.
Wie man eine Handlung zusammenhält, muss man diesem Autor ebenfalls nicht erklären. Sie rollt einem Auftritt entgegen, den die beiden "Goldmacher" in Jüterbog nach einem lukullischen Abend im Gasthof planen. Aber (mit diesem Zauberwort professioneller Schwadroneure endet jedes Kapitel, bevor die Perspektive jäh wechselt und der Satz im Anfang des nächsten mit unerwartetem Inhalt fortgesetzt wird), aber sie erzählt auch von der jungen Clotilde, die wie eine twitternde Politikerin im Jetzt und Hier vor ihrem Himmelsschreiber sitzt und unter Einfallslosigkeit leidet, von einer alleinerziehenden Mutter mit schwierigem Sohn und todkranker Tochter und einigen sprechenden Tieren, die möglicherweise als Spione arbeiten. Bei Katzen, Hunden und Mäusen weiß man ja nie.
Ein Thriller deutet sich an, und auch wenn es nicht allzu sehr thrillt - es bewahrt den Roman vor Längen. Erik Fosnes Hansen, der im NRK-Radio erzählte, diese Geschichte auf einen Traum hin einfach mal ohne großen Plan angefangen zu haben, ein Buch, das am Ende nicht zuletzt von einem Menschen handelt, der sich radikalisiert, legt mit "Zum rosa Hahn" ein bis zum Ende überraschendes Werk vor. Der Einband der deutschen Ausgabe schimmert golden. MATTHIAS HANNEMANN
Erik Fosnes Hansen:
"Zum rosa Hahn". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 476 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In seinem Roman "Zum rosa Hahn" erzählt Erik Fosnes Hansen von zwei Goldmachern und einem grotesken Stadtstaat
Als freischaffender Künstler, der sein Publikum mit flüchtigen Kunststücken erfreut, muss man das Leben manchmal nehmen, wie es sich ergibt. Der umherziehende "Goldmacher" zum Beispiel, der sich zu Beginn von Erik Fosnes Hansens Roman "Zum rosa Hahn" in einer Gaststätte einmietet: Er hatte auf seinem Fußweg eigentlich ein ganz anderes Ziel, fieberte einem Schäferstündchen in Cottbus entgegen. Aber dann begegnete er auf der Landstraße einem älteren Kollegen, der ihn dermaßen zutextete, dass sich alles anders ergab. Und sie gelangten gemeinsam nach Jüterbog.
Was für eine seltsame Stadt. Sie trägt denselben Namen wie das mit einem prächtigen mittelalterlichen Stadtkern gesegnete "märkische Mantua" südlich von Berlin. Nur ist die Welt des Romans in Zeit und Raum nicht verortbar. In dieser Steampunk-Version von Brandenburg gibt es eine Zentralbehörde in Potsdam, die über so schöne Dinge wie künstliche Zusatzsonnen und so unschöne wie Geheimdienstler verfügt.
Und in Jüterbog, einer von Wachleuten abgeschirmten konstitutionellen Physiokratie, in der schon die Kinder die perfekten Massagetechniken lernen (keine Physiokratie ohne Physiotherapie), regiert die die Farbe Rosa liebende Markgräfin mit den Tasten einer Wolkenschreibmaschine, unterstützt von einem Hofstaat, zu dem ein Chefästhetiker zählt, zynischen Bürokraten, die Kältegeneratoren vor dem Haus verarmter Bürger aufstellen, und Sozialarbeitern, die von besagtem Haus auch noch die Farbe abkratzen.
Eiskalte Lehrer raten zum Verkauf schwer erziehbarer Söhne. Abgebrühte Kirchenvertreter, die sich mit säuselnden Chören umgeben ("Der Herr ließ seine Diashow über euch leuchten!", "Eine feste Burg ist unser Gott, ia-ia-oh!"), machen die Mutter eines lungenkranken Mädchens auf die Möglichkeiten zur "zügigen Einschläferung" und das "Sonderangebot für Kinderbestattungen" aufmerksam. Totschläger schaffen Bauern, die im Rathaus Konkurs anmelden, aus der Welt und ihre Familien mit roten Halsbändern "als Lockvögel" in den Wald.
Mit anderen Worten: Da hat sich erheblich was aufgestaut beim norwegischen Autor Erik Fosnes Hansen. Mit dem bitterbösen, aber auch brüllend komischen Roman "Zum rosa Hahn", der im Original im Herbst 2020 erschien, stellt er einen Zerrspiegel auf, in dem nicht nur Leser seiner Heimat in die Gegenwart zu spähen meinen.
Bissig kommentiert der Kommentar unter anderem den Zustand des Theaterlebens, das in Jüteborg nur noch aus "Floorshows" im Dienst des Stadtmarketings besteht (im Büro des Bühnenmeisters stehen "eine Massagebank sowie eine Probechaiselongue für junge Schauspielerinnen"). Oder auch den des Journalismus, der durch einen ungepflegten "Schmierfink" von der "Kultur und Leichtsinnigkeitsredaktion" des Jüteboger Abendblatts verkörpert wird. Der trägt eine Tasche "aus robustem Sensationsleder".
Immerhin: Noch fliegen in Jüterbog die Abendzeitungen "in Keilformation durch die Straße, alle wie vorgeschrieben in drei Metern Höhe mit schweren Flügelschlägen", und überhaupt ist in dieser Stadt das Leben in allen Dingen. Leere Zimmer seufzen, weil sie die in ihnen gespielte Musik von früher vermissen, Tulpenzwiebeln jammern aus Angst vor dem Winter, durchs Fenster geworfene Brötchen "kreischen vor Höhenangst laut auf". Der Straßenbelag schafft es "angesichts des geringen Instandhaltungsbudgets . . . nicht mehr, sich nachts zu straffen und zu sammeln". Fabulierfreude pur.
Sieht man einmal vom Clownesken ab, herrscht auch hier wieder der unaufdringlich märchenhafte Erzählton, der einst den Bestseller "Choral am Ende der Reise" über die Musiker der Titanic und später die Außenseitergeschichte "Das Löwenmädchen" sowie "Ein Hummerleben" über ein kriselndes Hotel in den Achtzigerjahren geprägt hat.
Wie man eine Handlung zusammenhält, muss man diesem Autor ebenfalls nicht erklären. Sie rollt einem Auftritt entgegen, den die beiden "Goldmacher" in Jüterbog nach einem lukullischen Abend im Gasthof planen. Aber (mit diesem Zauberwort professioneller Schwadroneure endet jedes Kapitel, bevor die Perspektive jäh wechselt und der Satz im Anfang des nächsten mit unerwartetem Inhalt fortgesetzt wird), aber sie erzählt auch von der jungen Clotilde, die wie eine twitternde Politikerin im Jetzt und Hier vor ihrem Himmelsschreiber sitzt und unter Einfallslosigkeit leidet, von einer alleinerziehenden Mutter mit schwierigem Sohn und todkranker Tochter und einigen sprechenden Tieren, die möglicherweise als Spione arbeiten. Bei Katzen, Hunden und Mäusen weiß man ja nie.
Ein Thriller deutet sich an, und auch wenn es nicht allzu sehr thrillt - es bewahrt den Roman vor Längen. Erik Fosnes Hansen, der im NRK-Radio erzählte, diese Geschichte auf einen Traum hin einfach mal ohne großen Plan angefangen zu haben, ein Buch, das am Ende nicht zuletzt von einem Menschen handelt, der sich radikalisiert, legt mit "Zum rosa Hahn" ein bis zum Ende überraschendes Werk vor. Der Einband der deutschen Ausgabe schimmert golden. MATTHIAS HANNEMANN
Erik Fosnes Hansen:
"Zum rosa Hahn". Roman.
Aus dem Norwegischen von Ina Kronenberger.
Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022. 476 S., geb., 24,- Euro.
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