Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,00, Universität zu Köln (Institut für Deutsche Sprache und Literatur), Veranstaltung: Aufklärung/Sturm und Drang, Sprache: Deutsch, Abstract: Dass Lessings Emilia Galotti in Goethes Die Leiden des jungen Werthers auftaucht, hat zu vielfältigen Interpretationsansätzen geführt. Sie reichen von der Unterstellung völliger Arbitrarität (z. B. bei Paulin) bis zum Versuch, das Werk Emilia Galotti mithilfe seiner Verwendung im Werther besser zu verstehen (wie bei Appelbaum Graham). Im Folgenden sollen verschiedene Deutungsansätze an der Schnittstelle der beiden Texte zusammengeführt werden: an den Toden der beiden Protagonisten. Die Schnittstelle ist eine doppelte: Es werden ähnliche Handlungen ausgeführt, die beiden Stellen entsprechen einander im Handlungsablauf, außerdem wird Lessings Stück im Werther in genau diesem Moment der Handlung erwähnt. Es soll gezeigt werden, wie die beiden Selbsttötungen sich in verschiedenen Kontexten und dort zueinander Verhalten. Sich dabei absolut auf die Tode zu beschränken ist aber kaum durchzuhalten und wäre wohl auch nicht sinnvoll. Das Trauerspiel Emilia Galotti wird weniger als zwei Jahre nach der Uraufführung in Goethes Roman eingebracht. Goethe bezieht sich also auf ein sehr aktuelles Werk. In der späteren Fassung des Werther von 1787 handelt es sich um einen Bezug auf ein 15 Jahre altes Werk. Wie sich das Verhältnis der beiden Tode zueinander von der 1774er Fassung zu der von 1787 verändert, ist vielleicht ein weiteres interessantes Thema. Diese Arbeit beschränkt sich auf den Werther von 1774. Ein wichtiger Schwerpunkt ist nämlich das Verhältnis der ausgewählten Handlungselemente zu zeitgenössischen Ansichten. Daher wird ein Vergleich der beiden zeitnah veröffentlichten Werke vorgezogen. Spätere Strömungen sollen nicht berücksichtigt werden. Viele der verwendeten Sekundärquellen beziehen sich zwar mehr oder weniger explizit auf die 1787er Fassung, aber sind auf die ältere anwendbar. Weitgehend vernachlässigt werden soll hier auch die rein literaturgeschichtliche Seite der beiden Tode, da diese weniger problematisch erscheint. Wie Paulin erwähnt, war nicht einmal Mendelssohn - obgleich später ein heftiger Kritiker des Werther- bereit, den Bühnenselbstmord abzulehnen, da das Theater seine eigene Moralität habe. Auf der Ebene der analytischen Betrachtung wird im Folgenden die Bezeichnung ‚Selbsttötung’ verwendet: „Als ‚Selbstmord’ wird Selbsttötung verurteilt, als ‚Freitod’ emphatisch proklamiert, als ‚Suizid’ pathologisiert; und im Begriff ‚Selbsttötung’ erscheint Wertneutralität als Wert.“