"Meine Eltern haben in einer Stadt gelebt, deren Namen sie sich nie sicher sein konnten, Ich frage mich, wie dieses Leben ausgesehen haben musste, und wie es sein musste, wenn auf nichts Verlass war, nicht einmal auf den Namen."
Dilan ist erfolgreiche Juristin, arbeitet in einer Kanzlei in
Istanbul, die auf deutsch-türkisches Wirtschaftsrecht spezialisiert ist. Ihre Kindheit und die Studienzeit…mehr"Meine Eltern haben in einer Stadt gelebt, deren Namen sie sich nie sicher sein konnten, Ich frage mich, wie dieses Leben ausgesehen haben musste, und wie es sein musste, wenn auf nichts Verlass war, nicht einmal auf den Namen."
Dilan ist erfolgreiche Juristin, arbeitet in einer Kanzlei in Istanbul, die auf deutsch-türkisches Wirtschaftsrecht spezialisiert ist. Ihre Kindheit und die Studienzeit hat sie in Deutschland verbracht, sodass sie die perfekte Besetzung für ihren Job ist. Außerdem erwartet sich ein Kind von ihrem schwedischen Ehemann Johan. Doch Tod und Leben liegen manchmal nah beieinander: Als Dilans Mutter stirbt, reist die junge Frau nach Deutschland und begegnet dort nicht nur einer unbekannten Frau, die mehr über sie zu wissen scheint. Die vielen Fragen, die sich nach Jahren wieder in ihr Bewusstsein drängen, kann sie nun ebenfalls nicht mehr verdrängen. Und so macht sie sich eines Tages kurzerhand aus der Kanzlei auf in Richtung Osttürkei, nach Diyarbakır/Amed. Für das Kind und für ihre Mutter.
Beliban zu Stolberg erzählt in "Zweistromland" viel mehr als die Zuwanderergeschichte, als die der Roman auch vermarktet wird. Denn eigentlich geht es um die Zerrissenheit zwischen drei Ländern: Deutschland, Kurdistan und der Türkei. Denn Protagonistin Dilans Eltern stammen aus Kurdistan. Doch das Erlebte in der Türkei ist so schmerzhaft, dass man in der Familie nicht darüber spricht. Der Elefant im Raum ist aber auch für die jugendliche Dilan erkennbar - der Romanteil, der in dieser Vergangenheit spielt, ist meiner Meinung nach am besten gelungen. Dilan erkennt, dass es da etwas gibt, über das mit ihr nicht geredet wird. Doch sie verfügt weder über die richtigen Fragen noch über die familiäre Stellung, um das Thema anzusprechen. Erst viele Jahre später - die Handlung spielt übrigens nicht zufällig im Jahr 2016 - als Erwachsene kann sie selbst Nachforschungen anstellen.
Beliban zu Stolberg gelingt es so gleichsam einfühlsam und eindringlich eine sehr persönliche Geschichte des Kurdenkonflikts zu erzählen. Vieles bleibt zwar auch am Ende des Romans im Vagen, die meisten Schlüsse sind dem Leser, der Leserin überlassen. Das tut dem Roman gut. Denn gerade das, was ungesagt zwischen den Zeilen steht, ist es, was manchmal wirkmächtiger ist, als die Beschreibung des Grauens.