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Joseph Mitchells sechs lange Reportagen über New York und seine Hafengegend sind längst legendär. Auf seinen Wegen zwischen Hudson River und East River, Staten Island, Fischmarkt und Fährhafen begegnet er Außenseitern und Exzentrikern und lässt sich von den Gerüchen und den Geschmäckern des Hafens faszinieren. Umgetrieben von den Nischen und Lücken der allgemeinen Geschichtsschreibung, schreibt er von einem leerstehenden Hotel über einem geschäftigen Fischrestaurant, vom Leben der Ratten, die von den Schiffen in den Hafen strömen, vom Kapitän der größten Fischereiflotte der Region und von…mehr

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Produktbeschreibung
Joseph Mitchells sechs lange Reportagen über New York und seine Hafengegend sind längst legendär. Auf seinen Wegen zwischen Hudson River und East River, Staten Island, Fischmarkt und Fährhafen begegnet er Außenseitern und Exzentrikern und lässt sich von den Gerüchen und den Geschmäckern des Hafens faszinieren. Umgetrieben von den Nischen und Lücken der allgemeinen Geschichtsschreibung, schreibt er von einem leerstehenden Hotel über einem geschäftigen Fischrestaurant, vom Leben der Ratten, die von den Schiffen in den Hafen strömen, vom Kapitän der größten Fischereiflotte der Region und von anderen Menschen, die auf die eine oder andere Weise alle mit dem New Yorker Hafenviertel verbunden sind.


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Autorenporträt
Joseph Mitchell wurde in Iona (North Carolina) geboren. Im Alter von 21 Jahren kam er einen Tag nach dem Börsenkrach 1929 nach New York und begann seine journalistische Laufbahn als Kriminalreporter bei verschiedenen Tageszeitungen. Er gilt als Mitbegründer des New Journalism. Als Chefreporter des New Yorker wurde er zur lebenden Legende. Nach seiner Reportage »Joe Gould's Secret« (1964) veröffentlichte er bis zu seinem Tod keine Zeile mehr, suchte jedoch täglich sein Büro auf.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Endlich sind auch Joseph Mitchells zwischen 1944 und 1959 im "New Yorker" veröffentlichte Hafengeschichten unter dem Titel "Zwischen den Flüssen" auf Deutsch erschienen, freut sich Rezensentin Verena Lueken. Sie liest hier nicht nur melancholische Erzählungen aus dem Milieu der Alkoholiker, Barmänner und Herumtreiber, deren Sprechweisen Mitchell bewundernswert nachahmt, sondern ist auch ganz fasziniert von Mitchells außergewöhnlicher botanischer und biologischer Kenntnis. So erhält die Kritikerin Einblick in die weiten Verzweigungen innerhalb der Rattenpopulation oder erfährt einiges über die Organismen, die ein Schiffswrack überwuchern. Diesem "großartigen" Autor wünscht die Rezensentin definitiv mehr Bekanntheit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2012

Leben an den Rändern der Stadt

Die New Yorker Geschichten von Joseph Mitchell sind bei uns nahezu unbekannt. Sie erzählen von denen, die der Fortschritt links liegenließ: von Trinkern, Fischern und dem König der Zigeuner.

Die Zeit der riesigen Austernbänke im Hafen von New York war längst vorbei, als Joseph Mitchell begann, am Wasser herumzustreunen. Das war in den vierziger Jahren, am Ende der Depressionszeit und vor dem großen Krieg, und es gab im New Yorker Hafenbecken, an den Rändern der Inseln und den Ufern der Flüsse noch eine Vielfalt von Fischarten, die den Fischern ins Netz gingen, und auch Muscheln konnten noch geerntet werden, wenn auch ausschließlich auf einem klitzekleinen Gebiet, das nur teilweise zum Staat New York gehörte. Den Rest beanspruchte New Jersey.

Heute ist auch das vorbei. Und weil Mitchell wusste, dass New York niemals lange dieselbe Stadt bleibt, und weil er ahnte, dass eigentlich alles, an dem sein Blick haften blieb, bereits im Verschwinden begriffen war, als er darüber schrieb, liegt eine unverhohlene Melancholie über seinen Geschichten aus der Stadt zwischen dem Hudson und dem East River. Die Hafengeschichten erschienen zwischen 1944 und 1959 im "New Yorker", als Buch gesammelt unter dem Titel "The Bottom of the Harbor" erstmals 1959, waren dann lange vergriffen, bis sie in dem großen Erzählband von Joseph Mitchell, "Up in the Old Hotel", gemeinsam mit fast allen anderen seiner Geschichten 1992 wiederaufgelegt wurden. In Deutschland allerdings dauerte es bis zum vergangenen Jahr, dass sich ein Verlag entschloss, den Autor auch bei uns vorzustellen: Der Schweizer Verlag Diaphanes brachte als ersten Band einer kleinen Mitchell-Reihe 2011 "McSorley's Wonderful Saloon" heraus, eine Sammlung von wahren und fiktiven Reportagen, und jetzt die Übersetzung der Hafengeschichten unter dem Titel "Zwischen den Flüssen".

Zu den wahren Geschichten aus dem erstgenannten Band gehört "Professor Möwe". Am 12. Dezember 1942 im "New Yorker" erschienen, erzählt sie von einem Obdachlosen mit Namen Joe Gould, der dreißig Jahre lang durch New York strich und jedem, auch Mitchell, von einer umfassenden "Oral History of Civilization" berichtete, an der er unermüdlich arbeite. Mitchell hat diesen Mann mit einem Harvard-Abschluss, der einer wohlhabenden Familie aus Neuengland entstammte, lange begleitet, ihn immer wieder getroffen, ausführlich mit ihm gesprochen. Joe Gould konnte täuschend echt den Schrei einer Möwe nachahmen, daher sein Spitzname, und er war außerordentlich eloquent. Erst 1964, sieben Jahre nach Goulds Tod, enthüllte Mitchell wiederum im "New Yorker" dessen Geheimnis: dass es nämlich diese mündliche Geschichte der Zivilisationen, die Gould angeblich seit 1917 aufgesammelt hatte und von der es im Nachruf auf Gould in der "New York Times" noch hieß, sie hätte bereits 1934 mehr als sieben Millionen Wörter umfasst, nie gegeben hat. "Joe Gould's Secret" hieß diese wahrscheinlich bekannteste Geschichte Mitchells, die später in Buchform erschien und auch verfilmt wurde - und deren deutsche Übersetzung noch bevorsteht. Berühmt wurde sie auch, weil Mitchell seitdem nichts mehr veröffentlicht hat. Er ging zwar nach wie vor in sein Büro in der Redaktion des "New Yorker", aber er vernichtete abends alles, was er tagsüber geschrieben hatte. Zweiunddreißig Jahre ging das so, bis auch Mitchell starb, am 24. Mai 1996.

Er stammte aus North Carolina, kam 1929 nach New York, arbeitete als Reporter bei verschiedenen Zeitungen und fasste 1938 beim "New Yorker" Fuß, wo seine Reportagen in unregelmäßigen, manchmal langen Abständen erschienen. Ihn interessierte nicht die glamouröse Seite New Yorks, nicht die höhere Gesellschaft, die Kunst oder das Geld. Ihn interessierten die, die stolz ihre Arbeit taten, falls sie eine hatten, und die, die es zu nichts brachten, die Säufer, die Heimatlosen und jene Menschen wie die Kinobesitzerin Mazie aus der gleichnamigen Geschichte, die sich um sie kümmerte, mit Essens- und kleinen Geldgaben und harten Sprüchen.

Und ihn interessierte die Natur. In den Reportagen aus dem Band "Zwischen den Flüssen" breitet er nebenbei eine immense botanische und biologische Kenntnis aus, die, nicht verwunderlich angesichts seiner anderen Vorlieben, auch die Verzweigungen innerhalb der Rattenpopulation umfasst, vielleicht die einzige Artenvielfalt, die sich in der Stadt bis heute erhalten hat. Während er in seinen Reportagen aus den Bars und von der Bowery die mannigfachen Sprechweisen der Alkoholiker, Barmänner, Zigeuner und Herumtreiber bewahrt (Mitchell hat ein großes Talent für die wörtliche Rede, die er häufig einsetzt), sind es in den Reportagen aus dem Hafen die verschiedenen Pflanzen und Organismen, denen er seine ganze Aufmerksamkeit schenkt: den Überwucherungen von Schiffswracks mit einem "dicken, pelzartigen Bewuchs aus Algen, Knorpeltang, Röhrenwürmern, Rankenfußkrebsen, Pferdemuscheln, Seeanemonen, Seescheiden, Seehausen, Meeresschnecken". Ihm entgeht nichts, als sei er der Letzte, der sehen könnte, was noch ist, und immer wieder schweift er in die Geschichte ab, deren Spuren auch er nicht immer mehr entdecken, nur erzählerisch rekonstruieren kann.

Kein Wunder, das Mitchell zur Entspannung auf den Friedhof ging. "Wenn mir alles zu viel wird, stecke ich ein Wildpflanzenbuch und zwei Sandwiches ein, fahre zur South Shore auf Staten Island und spaziere eine Weile auf einem der Friedhöfe dort herum." So beginnt seine Geschichte "Mr. Hunters Grab", und einige Absätze weiter schreibt er: "Wenn ich eine Zeitlang auf einem dieser Friedhöfe war und die Grabsteine betrachtet, die Inschriften gelesen, Wildblumen bestimmt, Kaninchen aufgeschreckt und über das mir und uns allen bevorstehende Ende sinniert habe, hebt sich meine Stimmung aus Gründen, die ich nicht kenne und gar nicht kennen will, und ich werde ganz heiter und unternehme einen ausgedehnten Spaziergang."

Mitchells Gang über die Gräber ist der Beginn einer perfekten Reportage. Zufällig trifft er den Pfarrer, der ihm erzählt, wo das Kraut, an dem Mitchell interessiert ist, wächst, was ihn zu einem alten Schwarzen und dem Friedhof einer frühen Siedlung freier Sklaven führt, wobei er über die Backkünste des Alten einiges erfährt, über die Lebensläufe der Toten und darüber, dass auch dieser Friedhof demnächst verschwinden wird. Denn die Friedhöfe, auf denen Mitchell herumspaziert, sind selbstverständlich keine geschützten wie der Père Lachaise in Paris oder der Hamburger Friedhof in Ohlsdorf, wo die berühmten Menschen liegen und der Besucher nach den Namen großer Männer oder Frauen Ausschau halten kann. Nein, Mitchell geht zwischen den Gräbern jener Menschen spazieren, die gern "kleine Leute" genannt werden. Wenn Mitchell das hörte, soll er immer geantwortet haben: "Sie sind so groß wie du, wer auch immer du sein magst." Er war eben nicht nur ein großartiger Schreiber, sondern auch ein großer Moralist. Auch deswegen sollten wir ihn heute unbedingt wieder lesen.

VERENA LUEKEN.

Joseph Mitchell: "McSorley's Wonderful Saloon". New Yorker Geschichten.

Aus dem Englischen von Sven Koch und Andrea Stumpf. Diaphanes Verlag, Berlin/Zürich 2011. 416 S., geb., 22,90 [Euro].

Joseph Mitchell: "Zwischen den Flüssen". New Yorker Hafengeschichten.

Aus dem Englischen von Sven Koch und Andrea Stumpf. Diaphanes Verlag, Berlin/Zürich 2012. 268 S., geb., 22,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Die Typen und Menschenschläge verändern sich nicht. Sonst aber alles: Diese Reportagen sind Anker im Fluss der Zeit, die das Alte für die Nachwelt festhalten wollen.« Thomas Andre, Hamburger Abendblatt