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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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FRANKFURT Andrea Petkovic liest aus ihrem Debüt im Frankfurter Literaturhaus
Erst vor einer Woche war sie bei Thea Dorn im Literarischen Quartett. Jetzt besuchte Andrea Petkovic das Frankfurter Literaturhaus. Sie war zwar nur per Livestream im Gespräch mit Alf Mentzer zu erleben, aber umso intensiver. Denn die Kamera ist gnadenlos: Jedes Mienenspiel, jedes Spiel der Hände, alles, was der Präsenz-Gast aus der Distanz zum Podium sonst nicht wahrnehmen kann, gerät in den Fokus. Beide, die Profi-Tennisspielerin und der Literaturchef des Hessischen Rundfunks, liefen zur großen Form eines idealen Zusammenspiels auf: ebenbürtig im profunden Ausloten eines Sports, der im Ruch steht, nur für Wohlhabende praktikabel zu sein, und der Profi-Turnier-Tour, einer Lebensform, die junge, physisch hochleistungsfähige Menschen oft an die Grenzen ihrer psychischen Belastbarkeit bringt.
Petkovic, geboren 1987 in Bosnien und nach der Emigration ihrer Eltern 1988 in Darmstadt aufgewachsen, war mal die Nummer acht der Weltrangliste. Jetzt ist sie 33 Jahre alt und hat Knorpelschäden in beiden Knien. Bevor sie im kommenden Jahr doch wieder zu Turnieren antritt, hat sie ihr literarisches Debüt vorgelegt, einen autobiographisch grundierten Erzählungsband unter dem Titel "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht" (KiWi). Die Nacht, wie sie etwa ihre einstige Doppelpartnerin erlebte, als sie vor einem Final-Match nervlich durchdrehte, weil sie fünf Monate von ihren Eltern in Montenegro getrennt gewesen war und das Geld so dringend brauchte. Petkovic empfand sie als "Zwillingsidentität". Das war die "Nacht"-Passage. Das Händeschütteln mit ihrem Lieblingsautor Jonathan Franzen im Frankfurter Schauspielhaus hat sie dagegen zum "best day ever" verarbeitet.
Lesen zählte schon immer zu den Lieblingsbeschäftigungen der Hochbegabten, die, nach Überspringen der elften Schulklasse, das Abitur mit der Note 1,2 abgelegt hatte. Sie gehe immer mit acht bis zehn Büchern im Gepäck auf Tour, verriet sie jetzt. Philipp Roth, vor allem aber David Foster Wallace gehören zu ihren Autoren-Spezis. Um mit Gleichgesinnten über Autoren reden zu können, hat sie einen "Racquet-Book-Club" gegründet. Dabei hatte sie es gar nicht so leicht als Tochter von Einwanderern. Die Eltern, ihr Vater war Tennistrainer, hätten sich unwohl gefühlt in Deutschland und daher Fassaden aufgebaut. Sie sei unter strenger Kontrolle aufgewachsen. "Auf dem Tennisplatz konnte ich alle Wut und Aggressionen rauslassen", sagt die Tochter heute. "Die Freiheit des Tennisplatzes war unabdingbar wichtig in meinem Leben." Auf den Angriff, die Taktik der Gegnerin warten? Nein. "Ich muss selbst entscheiden."
Die Resolute ist aber auch selbstreflektiert. Das merkt man ihrem Buch an, in dem sie, wie auf dem Court, auch um ihre Identität kämpft. Zu Serena Williams, der "Schwarzen im weißen Sport", empfindet sie "Schwesterlichkeit". Rituale, dazu zählte auch ein morgendliches Vollkorn-Croissant, habe sie überwunden. Erst mit etwa 30 Jahren aber habe sie gelernt, mit Niederlagen umzugehen, denn: "Schuld und Scham machen einsam." Mentzer vermutete, dass ein Lebensmodell zwischen Schuld und Triumph nicht gesellschaftstauglich sei. "Tennis ist wie eine griechische Tragödie", erwiderte Petkovic. Mentzer, der mit einfühlsamen und kenntnisreichen Fragen glänzte, lag nur einmal daneben: "Buchseite und Tennisplatz entsprechen sich als Rechteck, in dem alles erlaubt ist." Regeln aber gibt es hier wie dort.
CLAUDIA SCHÜLKE
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