Astrid und Markus stehen mit beiden Beinen fest im Leben. Astrid lebt und liebt ihren Beruf als Kabarettistin, ihr Mann und Manager Markus unterstützt sie besonnen und liebevoll. Doch als die beiden ihr zweites Kind erwarten, wird ihr Leben aus der Bahn geworfen: Bei einer Routineuntersuchung erfahren sie, dass das Baby schwer krank ist. Die Diagnose trifft sie wie das blinde Schicksal, das sie auf sich nehmen müssen. Gemeinsam wollen sie lernen, damit umzugehen. Doch während Heilungspläne, Ratschläge und Prognosen auf sie niederprasseln, stößt ihre Beziehung an ihre Grenzen. Die Suche nach der richtigen Antwort stellt alles in Frage: die Beziehung, den Wunsch nach einem Kind, ein Leben nach Plan. Je mehr Zeit vergeht, desto klarer erkennen sie, dass nichts und niemand ihnen die Entscheidung abnehmen kann, die eine Entscheidung über Tod und Leben ist.
Bonusmaterial
Making-of 3 Interviews Berlinale-Premierendoku Deleted Scenes Kurzfilm »Der Pausenclown« Bildergalerie Deutsche Hörfilmfassung für BlindeFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.09.2016Der Mut zur Zumutung
Oliver Stone kämpft gegen Big Data, nur schlechte Mütter sind gute Mütter, jedes Remake ist riskant und jedes Kind eine Herausforderung
Oliver Stone ist ein Mann, der gerne mit dem Hammer philosophiert, er produziert dazu auch die passenden, herausgemeißelten Ein-Wort-Titel: von "Platoon", zu "JFK", "Nixon" und "Alexander" bis "Snowden". Edward Snowden natürlich, und es war klar, dass kein amerikanisches Studio dieses Projekt finanzieren würde, auch wenn dort vermutlich nicht jeder Entscheidungsträger einen Whistleblower automatisch für einen amoralischen Landesverräter hält. Stone, der auch schon Fidel Castro besucht hat, und sein Produzent durften sich aber über deutsche Filmförderung freuen, und sie erreichten auch ein Arrangement mit dem von Anwälten umringten Snowden. Leicht war das nicht, wie vergangene Woche in einer langen Story in der "New York Times" zu lesen war.
Ob die Mühe gelohnt hat, muss sich zeigen. Der Film beginnt unter einem großen Plastikalligator in einer Mall in Hongkong. Laura Poitras und Glenn Greenwald erwarten einen Mann mit einem Zauberwürfel in der Hand. Dann setzt man sich in das Hotelzimmer, das wir bereits aus Poitras' Dokumentarfilm "Citizenfour" kennen, nur dass da diesmal nicht Poitras und Greenwald mit Snowden sitzen, sondern Schauspieler. Von der Ouvertüre geht es zügig in die Rückblende, zum jungen Snowden. Stone erzählt das als eine Art negativen Bildungsroman, als Ent-Täuschungs-Geschichte, in der ein gutwilliger, patriotischer junger Mann seinem Land dienen will und ihm nach und nach die Augen geöffnet werden, zu welchen Schweinereien dieses Land fähig ist.
Stone hat ein paar gute visuelle Einfälle, Rhys Ifans als Snowdens Ausbilder und Förderer trägt, was man nur die Frisur des Bösen nennen kann, aber der Rest ist Spannungsroutine in einem Szenario, dessen Ausgang jeder kennt. Am Ende steht dann so etwas wie eine Transsubstantiation: Aus dem Darsteller Joseph Gordon-Levitt wird durch einen Schnitt während eines live ausgestrahlten Interviews via Internet der echte Edward Snowden, und die Musik schwillt dem Anlass entsprechend an. Nun ja, so kennt man Stone. Er fügt dem, was wir aus Laura Poitras' oscarprämierten Film wissen, nichts Essentielles hinzu. Biographische Breite sorgt nicht notwendig für profunderes Verständnis. So rennt Oliver Stone, der vergangenen Donnerstag siebzig Jahre alt geworden ist, offene Türen ein. Das aber mit der üblichen Wucht.
* * *.
Wenn Jon Lucas und Scott Moore loslegen, dann muss es krachen, dann ist nicht Subtilität gefragt, sondern der Sinn fürs Krasse und fürs Krude. Lucas und Moore haben sich den ersten "Hangover"-Film ausgedacht und waren an den beiden nächsten beteiligt, und wer daran nur wenig Freude hatte, der wird auch bei "Bad Moms" bestimmt nicht ins Schwärmen geraten.
Macht aber nichts. Es beginnt rasant und angenehm durchgeknallt. Die rehäugige Mila Kunis trägt die Bekenntnisse einer überforderten Mutter vor: der Mann ein fauler Trottel, die Kinder undankbar, der Vorgesetzte im Hipster-Kaffee-Unternehmen ein softer Ausbeuter, die oberste Elternvertreterin an der Schule eine Tugendterroristin, vor der sogar Robespierre Angst gehabt hätte.
"Bad Moms" läuft wie ein gutgeöltes Uhrwerk, die Szenen greifen ineinander, das Tempo passt, die Sprüche sind angemessen schnoddrig - "lieber Afghanistan als Kinder-Baseball". Die drei Frauen (neben Kunis, Kristen Bell und Kathryn Hahn), die dem Supermutter-Ideal nicht länger gewachsen sein wollen, solidarisieren sich, obwohl sie verschiedener kaum sein könnten, und proben unterm Label "Bad Moms" den Aufstand gegen den schulischen Wohlfahrtsausschuss. Wovon der Film in seinem nicht allzu garstigen satirischen Tonfall erzählt, das ist nichts anderes als ein Prozess der Normalisierung: wie drei Frauen lernen, sich mühsam von völlig weltfremden Normen und entsprechenden Ansprüchen an sich selbst zu emanzipieren, um zu einem Rollenverständnis zu finden, mit dem man im Elternalltag überleben kann. In dieser Lesart ist nur eine "bad mom" eine "good mom".
Natürlich muss die Anarchie, die da unterwegs ausbricht und die zum Sturz der Tugendwächterin (Christina Applegate) führt, im Suburbia-Format bleiben, im Abspann sieht man dann sogar noch die Hauptdarstellerinnen mit ihren realen Müttern plaudern, und jede noch so böse Intrige hat ihre Spitze verloren. Aber das weiß man ja vorher, das ist Teil des Deals, den einem Lucas und Moore angeboten haben. Dafür ist dann auch die Supermarkt-Einkaufs- und Zerstörungs-Orgie, bei der das Trio in Zeitlupe richtig ausrasten und nicht nur einen Pappaufsteller schwungvoll entfernen darf, sehr lustig, und Kathryn Hahn, die eben noch in "Captain Fantastic" eine brave Vorstadthausfrau spielte, zeigt in der Rolle der schrillen Vorstadtschlampe, welch tolle Komödiantin sie ist.
* * *.
Beim Wort Remake zuckt man ja mittlerweile zusammen, nicht erst nach "Ben Hur" und all den anderen schnell vergessenen Remakes der letzten Jahre. Nicht vergessen sollte man dabei allerdings, dass schon "Die glorreichen Sieben" von John Sturges aus dem Jahr 1960 ein Remake waren, von Akira Kurosawas "Die sieben Samurai" (1954).
In den Vereinigten Staaten war der Film damals zunächst nicht sonderlich erfolgreich. Dass der Titel sprichwörtlich wurde und jeder etwas Ältere ein paar Takte von Elmer Bernsteins Filmmusik vor sich hin pfeifen kann, dass es drei Fortsetzungen gab, verdankte sich der internationalen Resonanz.
Antoine Fuqua hat in seinem Remake deutlich weniger verändert, als es der Film von 1960 im Vergleich zu Kurosawa tat. Neu ist die ethnische Zusammensetzung der sieben. Die imponierende weiße Garde von damals (unter anderem Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson) wäre nicht erst seit dem Protest vor den letzten Oscars kaum noch tragbar. So führt Denzel Washington den Trupp an, es begleiten ihn ein Komantsche, ein asiatischer und ein hispanischer Amerikaner, dazu kommt neben anderen noch Ethan Hawke.
Die zweite Revision des Drehbuchs hätte die interessantere sein können - wenn Fuqua etwas daraus gemacht hätte. Der Ort der Handlung liegt nicht mehr in Mexiko, sondern in den Vereinigten Staaten, und die Dorfbewohner, welche die Söldner verpflichten, werden nicht von Banditen bedroht. Die Bedrohung rührt aus dem noch jungen, brutal-expansiven Kapitalismus, den ein skrupelloser Geschäftsmann verkörpert. Er zwingt die Farmer, ihr Land zu Schleuderpreisen zu verkaufen, damit er dort Gold schürfen und riesige Profite machen kann.
Leider spielt das nur insofern eine Rolle, als er jede Menge Schergen aufbieten kann, was auch die Siebenerbande zu Aufrüstungsmaßnahmen zwingt. Über die Choreographie der Actionszenen kann man sich nicht beschweren, sie sind mit großer Expertise inszeniert; dass bei den Guten, die ja auch nicht ganz so gut und edel sind, jeder Schuss ein Treffer ist, stört nur ein bisschen. Die schwebenden Kranfahrten, die weiten Himmel und Landschaften, die Gegenlichtpanoramen und der weitgehende Verzicht auf digitale Protzerei sorgen sogar für kleinere nostalgische Erinnerungen an die Zeiten des Cinemascope-Western.
Ärgerlicher ist, wie wenig Gespür Fuqua für die Interaktion in der Gruppe der sieben hat, wie wenig Raum überhaupt dafür bleibt. Denzel Washington hat zwar diesen klassischen, unerschütterlichen Heldenblick, den Gang, die Coolness, das Timbre in der Stimme, doch für die anderen bleibt eher wenig übrig. So war der Satz "action is character" nun nicht gemeint, dass jeder sich allein durch die Waffengattung - von Pfeil und Bogen übers Wurfmesser zu Pistole und Gewehr - definiere. Und dass einer die Form eines alten, immer wieder totgesagten Genres ganz leidlich zu füllen weiß, macht noch keinen guten Film. Da waren Tarantinos "Hateful Eight" schon deutlich weiter.
* * *.
Eine Frau, ihr Lebensgefährte, beider Tochter. Sie ist Kabarettistin, er ihr Manager. Sie wohnen in einem schönen Haus. Sie haben Erfolg. Sie ist wieder schwanger, sie freuen sich. Die Diagnose haut sie um: Down-Syndrom. Zudem stellt sich heraus: ein schwerer Herzfehler, der eine Operation des Säuglings kurz nach der Geburt erforderlich machen würde. Das Kind kriegen? Oder nicht?
"24 Wochen", der Ludwigsburger Abschlussfilm von Anne Zohra Berrached, erspart einem nichts. Und das ist richtig, weil ja all die schrecklichen Details kennen sollte, wer eine Entscheidung fällt: über das Kind, aber auch, als Zuschauer, über den Film. Das führt auf tückisches Gelände, weil sich Fragen der Ästhetik mit solchen der Ethik verknäulen. Das Paar will das Kind, es hört sich an, was Freunde und Verwandte sagen, und schaut sich um: in einer Gruppe von Kindern mit Down-Syndrom, auf der Intensivstation mit den Brutkästen und Frühgeborenen. Sie quälen sich, streiten, sind mal verzweifelt, dann wieder felsenfest entschlossen. Er will das Kind unbedingt, und er will nicht wahrhaben, dass die Entscheidung darüber allein bei der Frau liegt.
Die Ärzte und Psychologen im Film sind keine Schauspieler, sie spielen sich selbst. Das ist eine Konstellation, die nicht immer aufgeht, weil auch Authentizität innerhalb der Fiktion deren Gesetzen unterliegt; aber weitgehend funktioniert es, weil Julia Jentsch und Bjarne Mädel sich sehr gut darauf eingestellt haben. Die Nüchternheit der Fachkräfte führt dazu, dass das Paar auch dann, wenn es allein ist, nie dramatisch überzieht. So behält ihr Spiel eine Alltäglichkeit, die dem Film sehr guttut.
Da wird nur ein bisschen zu reichlich das Wassermotiv variiert, wenn es gerade nicht weitergeht: Fruchtwasser, Schwimmbad, Regen, Dusche, alles muss fließen; einige Musikuntermalungen wären auch nicht nötig gewesen, um Ausschläge auf dem Stimmungsbarometer anzuzeigen. Und manche dramaturgische Entscheidung wirkt etwas ungeschickt: Müssen sie wirklich unbedingt nach einem nächtlichen Unfall mit Blechschaden der kleinen Tochter und der Mutter der Frau sagen, das Kind werde ein "Downie"? Auch die Bildgestaltung wirkt oft fernsehhafter, als es das Fernsehen verlangt.
Entziehen kann man sich der Wirkung des Films dennoch nur, wenn man kein Herz hat; es ist umgekehrt kein Zeichen von Herzlosigkeit, nicht mit allem einverstanden zu sein. "24 Wochen" ist ein Film mit sehr viel Mut, wozu auch der Mut zur Zumutung gehört. Und den klügsten Satz in ihm, der alle Ethikrat-Letztbegründungsversuche unterläuft, sagt am Ende die Hebamme: "Das ist eine Entscheidung, die kann man nur treffen, wenn man sie treffen muss."
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Oliver Stone kämpft gegen Big Data, nur schlechte Mütter sind gute Mütter, jedes Remake ist riskant und jedes Kind eine Herausforderung
Oliver Stone ist ein Mann, der gerne mit dem Hammer philosophiert, er produziert dazu auch die passenden, herausgemeißelten Ein-Wort-Titel: von "Platoon", zu "JFK", "Nixon" und "Alexander" bis "Snowden". Edward Snowden natürlich, und es war klar, dass kein amerikanisches Studio dieses Projekt finanzieren würde, auch wenn dort vermutlich nicht jeder Entscheidungsträger einen Whistleblower automatisch für einen amoralischen Landesverräter hält. Stone, der auch schon Fidel Castro besucht hat, und sein Produzent durften sich aber über deutsche Filmförderung freuen, und sie erreichten auch ein Arrangement mit dem von Anwälten umringten Snowden. Leicht war das nicht, wie vergangene Woche in einer langen Story in der "New York Times" zu lesen war.
Ob die Mühe gelohnt hat, muss sich zeigen. Der Film beginnt unter einem großen Plastikalligator in einer Mall in Hongkong. Laura Poitras und Glenn Greenwald erwarten einen Mann mit einem Zauberwürfel in der Hand. Dann setzt man sich in das Hotelzimmer, das wir bereits aus Poitras' Dokumentarfilm "Citizenfour" kennen, nur dass da diesmal nicht Poitras und Greenwald mit Snowden sitzen, sondern Schauspieler. Von der Ouvertüre geht es zügig in die Rückblende, zum jungen Snowden. Stone erzählt das als eine Art negativen Bildungsroman, als Ent-Täuschungs-Geschichte, in der ein gutwilliger, patriotischer junger Mann seinem Land dienen will und ihm nach und nach die Augen geöffnet werden, zu welchen Schweinereien dieses Land fähig ist.
Stone hat ein paar gute visuelle Einfälle, Rhys Ifans als Snowdens Ausbilder und Förderer trägt, was man nur die Frisur des Bösen nennen kann, aber der Rest ist Spannungsroutine in einem Szenario, dessen Ausgang jeder kennt. Am Ende steht dann so etwas wie eine Transsubstantiation: Aus dem Darsteller Joseph Gordon-Levitt wird durch einen Schnitt während eines live ausgestrahlten Interviews via Internet der echte Edward Snowden, und die Musik schwillt dem Anlass entsprechend an. Nun ja, so kennt man Stone. Er fügt dem, was wir aus Laura Poitras' oscarprämierten Film wissen, nichts Essentielles hinzu. Biographische Breite sorgt nicht notwendig für profunderes Verständnis. So rennt Oliver Stone, der vergangenen Donnerstag siebzig Jahre alt geworden ist, offene Türen ein. Das aber mit der üblichen Wucht.
* * *.
Wenn Jon Lucas und Scott Moore loslegen, dann muss es krachen, dann ist nicht Subtilität gefragt, sondern der Sinn fürs Krasse und fürs Krude. Lucas und Moore haben sich den ersten "Hangover"-Film ausgedacht und waren an den beiden nächsten beteiligt, und wer daran nur wenig Freude hatte, der wird auch bei "Bad Moms" bestimmt nicht ins Schwärmen geraten.
Macht aber nichts. Es beginnt rasant und angenehm durchgeknallt. Die rehäugige Mila Kunis trägt die Bekenntnisse einer überforderten Mutter vor: der Mann ein fauler Trottel, die Kinder undankbar, der Vorgesetzte im Hipster-Kaffee-Unternehmen ein softer Ausbeuter, die oberste Elternvertreterin an der Schule eine Tugendterroristin, vor der sogar Robespierre Angst gehabt hätte.
"Bad Moms" läuft wie ein gutgeöltes Uhrwerk, die Szenen greifen ineinander, das Tempo passt, die Sprüche sind angemessen schnoddrig - "lieber Afghanistan als Kinder-Baseball". Die drei Frauen (neben Kunis, Kristen Bell und Kathryn Hahn), die dem Supermutter-Ideal nicht länger gewachsen sein wollen, solidarisieren sich, obwohl sie verschiedener kaum sein könnten, und proben unterm Label "Bad Moms" den Aufstand gegen den schulischen Wohlfahrtsausschuss. Wovon der Film in seinem nicht allzu garstigen satirischen Tonfall erzählt, das ist nichts anderes als ein Prozess der Normalisierung: wie drei Frauen lernen, sich mühsam von völlig weltfremden Normen und entsprechenden Ansprüchen an sich selbst zu emanzipieren, um zu einem Rollenverständnis zu finden, mit dem man im Elternalltag überleben kann. In dieser Lesart ist nur eine "bad mom" eine "good mom".
Natürlich muss die Anarchie, die da unterwegs ausbricht und die zum Sturz der Tugendwächterin (Christina Applegate) führt, im Suburbia-Format bleiben, im Abspann sieht man dann sogar noch die Hauptdarstellerinnen mit ihren realen Müttern plaudern, und jede noch so böse Intrige hat ihre Spitze verloren. Aber das weiß man ja vorher, das ist Teil des Deals, den einem Lucas und Moore angeboten haben. Dafür ist dann auch die Supermarkt-Einkaufs- und Zerstörungs-Orgie, bei der das Trio in Zeitlupe richtig ausrasten und nicht nur einen Pappaufsteller schwungvoll entfernen darf, sehr lustig, und Kathryn Hahn, die eben noch in "Captain Fantastic" eine brave Vorstadthausfrau spielte, zeigt in der Rolle der schrillen Vorstadtschlampe, welch tolle Komödiantin sie ist.
* * *.
Beim Wort Remake zuckt man ja mittlerweile zusammen, nicht erst nach "Ben Hur" und all den anderen schnell vergessenen Remakes der letzten Jahre. Nicht vergessen sollte man dabei allerdings, dass schon "Die glorreichen Sieben" von John Sturges aus dem Jahr 1960 ein Remake waren, von Akira Kurosawas "Die sieben Samurai" (1954).
In den Vereinigten Staaten war der Film damals zunächst nicht sonderlich erfolgreich. Dass der Titel sprichwörtlich wurde und jeder etwas Ältere ein paar Takte von Elmer Bernsteins Filmmusik vor sich hin pfeifen kann, dass es drei Fortsetzungen gab, verdankte sich der internationalen Resonanz.
Antoine Fuqua hat in seinem Remake deutlich weniger verändert, als es der Film von 1960 im Vergleich zu Kurosawa tat. Neu ist die ethnische Zusammensetzung der sieben. Die imponierende weiße Garde von damals (unter anderem Yul Brynner, Steve McQueen, Charles Bronson) wäre nicht erst seit dem Protest vor den letzten Oscars kaum noch tragbar. So führt Denzel Washington den Trupp an, es begleiten ihn ein Komantsche, ein asiatischer und ein hispanischer Amerikaner, dazu kommt neben anderen noch Ethan Hawke.
Die zweite Revision des Drehbuchs hätte die interessantere sein können - wenn Fuqua etwas daraus gemacht hätte. Der Ort der Handlung liegt nicht mehr in Mexiko, sondern in den Vereinigten Staaten, und die Dorfbewohner, welche die Söldner verpflichten, werden nicht von Banditen bedroht. Die Bedrohung rührt aus dem noch jungen, brutal-expansiven Kapitalismus, den ein skrupelloser Geschäftsmann verkörpert. Er zwingt die Farmer, ihr Land zu Schleuderpreisen zu verkaufen, damit er dort Gold schürfen und riesige Profite machen kann.
Leider spielt das nur insofern eine Rolle, als er jede Menge Schergen aufbieten kann, was auch die Siebenerbande zu Aufrüstungsmaßnahmen zwingt. Über die Choreographie der Actionszenen kann man sich nicht beschweren, sie sind mit großer Expertise inszeniert; dass bei den Guten, die ja auch nicht ganz so gut und edel sind, jeder Schuss ein Treffer ist, stört nur ein bisschen. Die schwebenden Kranfahrten, die weiten Himmel und Landschaften, die Gegenlichtpanoramen und der weitgehende Verzicht auf digitale Protzerei sorgen sogar für kleinere nostalgische Erinnerungen an die Zeiten des Cinemascope-Western.
Ärgerlicher ist, wie wenig Gespür Fuqua für die Interaktion in der Gruppe der sieben hat, wie wenig Raum überhaupt dafür bleibt. Denzel Washington hat zwar diesen klassischen, unerschütterlichen Heldenblick, den Gang, die Coolness, das Timbre in der Stimme, doch für die anderen bleibt eher wenig übrig. So war der Satz "action is character" nun nicht gemeint, dass jeder sich allein durch die Waffengattung - von Pfeil und Bogen übers Wurfmesser zu Pistole und Gewehr - definiere. Und dass einer die Form eines alten, immer wieder totgesagten Genres ganz leidlich zu füllen weiß, macht noch keinen guten Film. Da waren Tarantinos "Hateful Eight" schon deutlich weiter.
* * *.
Eine Frau, ihr Lebensgefährte, beider Tochter. Sie ist Kabarettistin, er ihr Manager. Sie wohnen in einem schönen Haus. Sie haben Erfolg. Sie ist wieder schwanger, sie freuen sich. Die Diagnose haut sie um: Down-Syndrom. Zudem stellt sich heraus: ein schwerer Herzfehler, der eine Operation des Säuglings kurz nach der Geburt erforderlich machen würde. Das Kind kriegen? Oder nicht?
"24 Wochen", der Ludwigsburger Abschlussfilm von Anne Zohra Berrached, erspart einem nichts. Und das ist richtig, weil ja all die schrecklichen Details kennen sollte, wer eine Entscheidung fällt: über das Kind, aber auch, als Zuschauer, über den Film. Das führt auf tückisches Gelände, weil sich Fragen der Ästhetik mit solchen der Ethik verknäulen. Das Paar will das Kind, es hört sich an, was Freunde und Verwandte sagen, und schaut sich um: in einer Gruppe von Kindern mit Down-Syndrom, auf der Intensivstation mit den Brutkästen und Frühgeborenen. Sie quälen sich, streiten, sind mal verzweifelt, dann wieder felsenfest entschlossen. Er will das Kind unbedingt, und er will nicht wahrhaben, dass die Entscheidung darüber allein bei der Frau liegt.
Die Ärzte und Psychologen im Film sind keine Schauspieler, sie spielen sich selbst. Das ist eine Konstellation, die nicht immer aufgeht, weil auch Authentizität innerhalb der Fiktion deren Gesetzen unterliegt; aber weitgehend funktioniert es, weil Julia Jentsch und Bjarne Mädel sich sehr gut darauf eingestellt haben. Die Nüchternheit der Fachkräfte führt dazu, dass das Paar auch dann, wenn es allein ist, nie dramatisch überzieht. So behält ihr Spiel eine Alltäglichkeit, die dem Film sehr guttut.
Da wird nur ein bisschen zu reichlich das Wassermotiv variiert, wenn es gerade nicht weitergeht: Fruchtwasser, Schwimmbad, Regen, Dusche, alles muss fließen; einige Musikuntermalungen wären auch nicht nötig gewesen, um Ausschläge auf dem Stimmungsbarometer anzuzeigen. Und manche dramaturgische Entscheidung wirkt etwas ungeschickt: Müssen sie wirklich unbedingt nach einem nächtlichen Unfall mit Blechschaden der kleinen Tochter und der Mutter der Frau sagen, das Kind werde ein "Downie"? Auch die Bildgestaltung wirkt oft fernsehhafter, als es das Fernsehen verlangt.
Entziehen kann man sich der Wirkung des Films dennoch nur, wenn man kein Herz hat; es ist umgekehrt kein Zeichen von Herzlosigkeit, nicht mit allem einverstanden zu sein. "24 Wochen" ist ein Film mit sehr viel Mut, wozu auch der Mut zur Zumutung gehört. Und den klügsten Satz in ihm, der alle Ethikrat-Letztbegründungsversuche unterläuft, sagt am Ende die Hebamme: "Das ist eine Entscheidung, die kann man nur treffen, wenn man sie treffen muss."
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main