Verleihversion: 25.09.2003
24 Stunden noch, dann endet für Monty Brogan (EDWARD NORTON) das Leben in Freiheit. 24 Stunden noch, dann muss der ehemalige Drogendealer eine siebenjährige Haftstrafe antreten.
24 Stunden, in denen Monty Zeit bleibt, mit sich, seiner atemberaubenden Freundin Naturelle (ROSARIO DAWSON), seinem Vater (BRIAN COX) und seinen beiden besten Freunden, dem Wall-Street-Broker Slaughtery (BARRY PEPPER) und dem schüchternen Highschool-Lehrer Jacob (PHILIP SEYMOUR HOFFMAN), ins Reine zu kommen. Und er will die Zeit nutzen herauszufinden, wer es war, der ihn bei der Polizei angeschwärzt hat. Monty hat einen fürchterlichen Verdacht, doch die Uhr läuft... die Zeit tickt... die 25. Stunde naht...
24 Stunden noch, dann endet für Monty Brogan (EDWARD NORTON) das Leben in Freiheit. 24 Stunden noch, dann muss der ehemalige Drogendealer eine siebenjährige Haftstrafe antreten.
24 Stunden, in denen Monty Zeit bleibt, mit sich, seiner atemberaubenden Freundin Naturelle (ROSARIO DAWSON), seinem Vater (BRIAN COX) und seinen beiden besten Freunden, dem Wall-Street-Broker Slaughtery (BARRY PEPPER) und dem schüchternen Highschool-Lehrer Jacob (PHILIP SEYMOUR HOFFMAN), ins Reine zu kommen. Und er will die Zeit nutzen herauszufinden, wer es war, der ihn bei der Polizei angeschwärzt hat. Monty hat einen fürchterlichen Verdacht, doch die Uhr läuft... die Zeit tickt... die 25. Stunde naht...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Hollywood Stars berichten über ihre Arbeit mit dem Regisseur; Produzenten und Schauspieler Spike Lee - Audio-Kommentar des Regisseurs Spike Lee - Audio-Kommentar des Roman- und Drehbuchautors - New York nach dem 11. September/Ground Zero - Zusätzliche Szenen ("Sway" / Little Odessa / Naturelle; Mom und Monty / Party / Mary einschmuggeln / Mary spielt ihre Sterbeszene vor)Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.01.2003Virginia Woolf war schöner
Hollywood vor den Oscars: Blutige Visionen, Todessehnsucht und komödiantische Albernheiten
NEW YORK, im Januar
Seit vor gut hundert Jahren sich das Publikum zum ersten Mal unter der brutalen Wucht eines bewegten Bildes wegduckte, ist die enge Verbindung zwischen dem Kino und der Gewalt nie mehr abgebrochen. Damals allerdings war es nur ein Zug, der die Zuschauer in kreischende Panik versetzte, weil er direkt auf sie zuzurasen schien. Heute sind es Messer und Beile, blanke Fäuste, Schüsse und Explosionen, vor denen das Publikum in Deckung geht. Weil das Kino von den großen Gefühlen lebt, zu denen die Angst gehört und auch der Ekel, wird es die Gewalt, mit der es begann, nie loswerden. Wie sehr es von ihr abhängt, ließ sich in den Wochen um den Jahreswechsel herum in New York erleben.
Neben den großen Schlachten in "Gangs of New York" und dem zweiten Teil des "Herrn der Ringe" verlangten "Narc" und "25th Hour" vom Publikum Nervenstärke. "Narc", ein paranoischer Polizistenthriller von Joe Carnahan, wäre wahrscheinlich unter der Vielzahl neuer Filme nicht aufgefallen, hätte nicht Tom Cruise dafür gesorgt, daß er professionell verliehen wird. Auch die Nachricht, daß Harrison Ford, nach Ansicht von "Narc", eine Rolle in Carnahans nächstem Projekt angenommen habe, verstärkte die Mundpropaganda für den Film, der nach einer der brutalsten Eröffnungssequenzen der Filmgeschichte, handkameraverwackelt und schnittzerhäckselt, doch noch eine Charakterstudie wird statt eines bloßen Nachschwapps der längst vorübergerollten letzten Quentin-Tarantino-Welle.
Auch Spike Lee hat die Gewalt nie gescheut in seinen Filmen. In "25th Hour", seinem besten seit Jahren, hört man schon vor dem ersten Bild, daß ein Körper mit Schlägen malträtiert wird. Es ist der Körper eines Hundes, wie die Aufblende dann freigibt, eines Hundes, der die Attacke mit Hilfe von Monty Brogan überlebt. Monty ist ein Drogendealer, und die fünfundzwanzigste Stunde markiert das Ende seines letzten Tages in Freiheit, bevor er für sieben Jahre ins Gefängnis gehen muß. Von diesem letzten Tag erzählt Spike Lee mit genauem Blick auf die Einzelheiten, zu denen zuallererst gehört, daß die Geschichte in Manhattan spielt - nach den Terroranschlägen. Lee zeigt am Anfang die kastrierte Skyline, wie sie im vergangenen Frühjahr aussah, als zwei Lichtsäulen weithin den Ort sichtbar machten, an dem die Zwillingstürme einmal standen. Ähnlich wie Scorsese in "Gangs of New York" versucht Lee nicht, die neue Wirklichkeit der Stadt zu ignorieren, sondern begibt sich in ein versehrtes New York, das ohne Romantik ist.
Edward Norton zeigt in der Rolle des Monty ein weiteres Mal sein Talent für Figuren, die sowohl außerordentlich hart als auch ungewöhnlich verletzbar sind. Seine glänzendsten Minuten hat er vor dem Spiegel, in den er eine Haßtirade auf alle New Yorker jeder Hautfarbe und Klasse hineinspuckt, wie sie seit "Do the Right Thing" nicht mehr zu hören war - und im Laufe dieser Kanonade von obszönen Flüchen merken wir, daß Monty eigentlich das Leben preist, das er für Jahre nun verlassen wird. Mit zwei Freunden, einem testosterongetriebenen Börsenmakler und einem verklemmten Lehrer, verbringt er seine letzten Stunden jenseits der Gefängnismauern, in einem Trio der Ausgebrannten einer neuen verlorenen Generation.
Es mag kein Wunder sein, daß nach all dem Blut, der Angst und dem Terror das New Yorker Publikum das einzige Kino belagerte, das "Chicago" zeigte, das Film-Musical nach dem Bühnen-Musical, das Bob Fosse einst berühmt machte und das vor einigen Jahren am Broadway wiederaufgelegt wurde. Die Kritiker überschlugen sich fast dabei, die Seichtigkeit zu rühmen, mit der diese Geschichte aus dem Chicago der Prohibitionszeit erzählt werde, um sie sodann jedem zu empfehlen, der Sinn für "camp" habe, was soviel bedeutet, daß sie selbst wissen, was für ein alter Hut alles in diesem "Chicago" ist, und daß sie sich dennoch mächtig amüsiert haben.
Ein Film in Anführungsstrichen also, der die leidige Frage jedes Musicals, warum um Himmels willen die Figuren plötzlich anfangen zu singen, ganz geschickt löst - indem er nämlich die Musical-Passagen in die Vorstellungs- und Traumwelt der mannsmordenden Roxie Hart verlegt, während der Rest hauptsächlich im Gefängnis spielt. Renée Zellweger und Catherine Zeta-Jones in den Hauptrollen legen sich beim Singen und Tanzen mit großer Spielfreude ins Zeug, und da beide mit einigem Sex-Appeal daherkommen, macht es tatsächlich eine Weile Spaß, ihnen zuzuschauen. Von Richard Gere, der ebenfalls singen und tanzen muß, läßt sich all dies nicht sagen.
Die Komödie "Adaptation" von Spike Jonze hingegen, zu der das Drehbuch (wie schon zu "Being John Malkovich") Charlie Kaufman schrieb, ist ein intelligentes, selbstreflexives Spiel mit der Unvorhersehbarkeit der Inspiration. Kaufman, gespielt von einem leicht verfetteten Nicholas Cage, soll aus einem Bestseller über die Orchideenzucht ein Drehbuch machen - was ihm erst gelingt, nachdem er sich ins Leben von dessen Autorin vertieft hat. Das ist etwa auch der Zeitpunkt, an dem der bis dahin sehr komische Film vollständig auseinanderfällt und einem Ende entgegenrumpelt, das unverständlich bleibt.
Anders als die Gewalt, die im Innersten des Kinos wohnt, ist ihm die Reflexion äußerlich, eine zumeist von der Literatur geborgte Haltung, die ein Film einnimmt, um etwas sichtbar zu machen, das seine natürliche Ausdrucksform in der Schrift bereits gefunden hat. "The Hours" und "About Schmidt" sind die Beispiele, die um den Jahreswechsel herum in die New Yorker Kinos kamen. In "About Schmidt", nach dem gleichnamigen Roman von Louis Begley, hat sich der Regisseur Alexander Payne so weit von seiner Vorlage entfernt, daß diese im Hintergrund fast bis zur Unkenntlichkeit verblaßt. Aus dem New Yorker Rechtsanwalt ist ein Versicherungsmakler in Nebraska geworden, aus dem Leben unter den oberen Zehntausend ein Leben im Mittelstand und Mittelmaß. Die Entscheidung, ausgerechnet Jack Nicholson in der Hauptrolle des durchschnittlichen Amerikaners zu besetzen, ist zumindest seltsam. Bleibt zur Bewunderung nur Kathy Bates in einer Nebenrolle, die mutig alles auszieht und zu Nicholson in den Whirlpool steigt.
"The Hours" hingegen, einer der Lieblingsfilme der New Yorker und der amerikanischen Kritik, bleibt ganz nah an seiner Vorlage. Michael Cunninghams Buch "Die Stunden" hatte die Idee von Virgina Woolfs Roman "Mrs. Dalloway" weitergesponnen, einen Tag im Leben verschiedener Personen zu beschreiben, die einander unter Umständen nie begegnen. Da ist zunächst Virginia Woolf selbst, wie sie 1941 einen Stein in die Tasche ihres dünnen Mantels gleiten läßt und in den Fluß steigt; dann Virginia Woolf im Jahr 1923 in einem Vorort Londons, beim Schreiben von "Mrs. Dalloway"; die zweite Figur ist Laura Moore, eine zutiefst depressive Hausfrau, 1951 in Los Angeles, die "Mrs. Dalloway" liest; schließlich ist da noch Clarissa, Lektorin im zeitgenössischen New York, die eine Gesellschaft für ihren an Aids sterbenden Dichterfreund plant. Als Filmvorlage bietet sich eine solch komplexe Geschichte über drei Frauen, die einzig durch ähnliche Bewußtseinsströme und ihre Meditationen über den Tod verwandt sind, nicht auf den ersten Blick an. David Hare aber hat auf der Grundlage von Cunninghams Roman ein Drehbuch geschrieben, das die Erzählfäden kunstvoll miteinander verknüpft, und so segelt die Geschichte unter Stephen Daldrys Regie mühelos über alle zeitlichen und räumlichen Grenzen hinweg - und auch über den penibel minimalistisch getupften Klangteppich von Philip Glass.
Es ist viel Aufhebens um die prothetische Nase gemacht worden, die Nicole Kidman zur Ähnlichkeit mit Virginia Woolf verhelfen sollte. Daß Virginia Woolf eine schöne Frau war, sieht man Nicole Kidman daher nicht mehr an, und auch ihr Witz bleibt auf der Strecke. Doch Nicole Kidman entwirft in ihrer Darstellung das Porträt einer zutiefst verstörten Seele, das Virginia Woolf in ihren schlechten Zeiten wohl nahekommt. Mit ihr spielen Julianne Moore und Meryl Streep und in der Rolle des aidskranken Dichters Ed Harris - eine großartige Besetzung für einen Film, über dem eine tiefe Melancholie liegt: weil wir sehen, wie die Figuren Entscheidungen treffen, mit deren Konsequenzen sie möglicherweise nicht leben können, und weil manche sterben, damit die anderen das Leben schätzen lernen.
Angst, Trauer, die Lust an Albernheiten: das sind nicht alle Gefühle, von denen das Kino erzählen kann. Daß aber in Hollywood diese Vielfalt herrscht, ist mehr, als man vernünftigerweise vom kommerziellen Kino erwarten kann.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hollywood vor den Oscars: Blutige Visionen, Todessehnsucht und komödiantische Albernheiten
NEW YORK, im Januar
Seit vor gut hundert Jahren sich das Publikum zum ersten Mal unter der brutalen Wucht eines bewegten Bildes wegduckte, ist die enge Verbindung zwischen dem Kino und der Gewalt nie mehr abgebrochen. Damals allerdings war es nur ein Zug, der die Zuschauer in kreischende Panik versetzte, weil er direkt auf sie zuzurasen schien. Heute sind es Messer und Beile, blanke Fäuste, Schüsse und Explosionen, vor denen das Publikum in Deckung geht. Weil das Kino von den großen Gefühlen lebt, zu denen die Angst gehört und auch der Ekel, wird es die Gewalt, mit der es begann, nie loswerden. Wie sehr es von ihr abhängt, ließ sich in den Wochen um den Jahreswechsel herum in New York erleben.
Neben den großen Schlachten in "Gangs of New York" und dem zweiten Teil des "Herrn der Ringe" verlangten "Narc" und "25th Hour" vom Publikum Nervenstärke. "Narc", ein paranoischer Polizistenthriller von Joe Carnahan, wäre wahrscheinlich unter der Vielzahl neuer Filme nicht aufgefallen, hätte nicht Tom Cruise dafür gesorgt, daß er professionell verliehen wird. Auch die Nachricht, daß Harrison Ford, nach Ansicht von "Narc", eine Rolle in Carnahans nächstem Projekt angenommen habe, verstärkte die Mundpropaganda für den Film, der nach einer der brutalsten Eröffnungssequenzen der Filmgeschichte, handkameraverwackelt und schnittzerhäckselt, doch noch eine Charakterstudie wird statt eines bloßen Nachschwapps der längst vorübergerollten letzten Quentin-Tarantino-Welle.
Auch Spike Lee hat die Gewalt nie gescheut in seinen Filmen. In "25th Hour", seinem besten seit Jahren, hört man schon vor dem ersten Bild, daß ein Körper mit Schlägen malträtiert wird. Es ist der Körper eines Hundes, wie die Aufblende dann freigibt, eines Hundes, der die Attacke mit Hilfe von Monty Brogan überlebt. Monty ist ein Drogendealer, und die fünfundzwanzigste Stunde markiert das Ende seines letzten Tages in Freiheit, bevor er für sieben Jahre ins Gefängnis gehen muß. Von diesem letzten Tag erzählt Spike Lee mit genauem Blick auf die Einzelheiten, zu denen zuallererst gehört, daß die Geschichte in Manhattan spielt - nach den Terroranschlägen. Lee zeigt am Anfang die kastrierte Skyline, wie sie im vergangenen Frühjahr aussah, als zwei Lichtsäulen weithin den Ort sichtbar machten, an dem die Zwillingstürme einmal standen. Ähnlich wie Scorsese in "Gangs of New York" versucht Lee nicht, die neue Wirklichkeit der Stadt zu ignorieren, sondern begibt sich in ein versehrtes New York, das ohne Romantik ist.
Edward Norton zeigt in der Rolle des Monty ein weiteres Mal sein Talent für Figuren, die sowohl außerordentlich hart als auch ungewöhnlich verletzbar sind. Seine glänzendsten Minuten hat er vor dem Spiegel, in den er eine Haßtirade auf alle New Yorker jeder Hautfarbe und Klasse hineinspuckt, wie sie seit "Do the Right Thing" nicht mehr zu hören war - und im Laufe dieser Kanonade von obszönen Flüchen merken wir, daß Monty eigentlich das Leben preist, das er für Jahre nun verlassen wird. Mit zwei Freunden, einem testosterongetriebenen Börsenmakler und einem verklemmten Lehrer, verbringt er seine letzten Stunden jenseits der Gefängnismauern, in einem Trio der Ausgebrannten einer neuen verlorenen Generation.
Es mag kein Wunder sein, daß nach all dem Blut, der Angst und dem Terror das New Yorker Publikum das einzige Kino belagerte, das "Chicago" zeigte, das Film-Musical nach dem Bühnen-Musical, das Bob Fosse einst berühmt machte und das vor einigen Jahren am Broadway wiederaufgelegt wurde. Die Kritiker überschlugen sich fast dabei, die Seichtigkeit zu rühmen, mit der diese Geschichte aus dem Chicago der Prohibitionszeit erzählt werde, um sie sodann jedem zu empfehlen, der Sinn für "camp" habe, was soviel bedeutet, daß sie selbst wissen, was für ein alter Hut alles in diesem "Chicago" ist, und daß sie sich dennoch mächtig amüsiert haben.
Ein Film in Anführungsstrichen also, der die leidige Frage jedes Musicals, warum um Himmels willen die Figuren plötzlich anfangen zu singen, ganz geschickt löst - indem er nämlich die Musical-Passagen in die Vorstellungs- und Traumwelt der mannsmordenden Roxie Hart verlegt, während der Rest hauptsächlich im Gefängnis spielt. Renée Zellweger und Catherine Zeta-Jones in den Hauptrollen legen sich beim Singen und Tanzen mit großer Spielfreude ins Zeug, und da beide mit einigem Sex-Appeal daherkommen, macht es tatsächlich eine Weile Spaß, ihnen zuzuschauen. Von Richard Gere, der ebenfalls singen und tanzen muß, läßt sich all dies nicht sagen.
Die Komödie "Adaptation" von Spike Jonze hingegen, zu der das Drehbuch (wie schon zu "Being John Malkovich") Charlie Kaufman schrieb, ist ein intelligentes, selbstreflexives Spiel mit der Unvorhersehbarkeit der Inspiration. Kaufman, gespielt von einem leicht verfetteten Nicholas Cage, soll aus einem Bestseller über die Orchideenzucht ein Drehbuch machen - was ihm erst gelingt, nachdem er sich ins Leben von dessen Autorin vertieft hat. Das ist etwa auch der Zeitpunkt, an dem der bis dahin sehr komische Film vollständig auseinanderfällt und einem Ende entgegenrumpelt, das unverständlich bleibt.
Anders als die Gewalt, die im Innersten des Kinos wohnt, ist ihm die Reflexion äußerlich, eine zumeist von der Literatur geborgte Haltung, die ein Film einnimmt, um etwas sichtbar zu machen, das seine natürliche Ausdrucksform in der Schrift bereits gefunden hat. "The Hours" und "About Schmidt" sind die Beispiele, die um den Jahreswechsel herum in die New Yorker Kinos kamen. In "About Schmidt", nach dem gleichnamigen Roman von Louis Begley, hat sich der Regisseur Alexander Payne so weit von seiner Vorlage entfernt, daß diese im Hintergrund fast bis zur Unkenntlichkeit verblaßt. Aus dem New Yorker Rechtsanwalt ist ein Versicherungsmakler in Nebraska geworden, aus dem Leben unter den oberen Zehntausend ein Leben im Mittelstand und Mittelmaß. Die Entscheidung, ausgerechnet Jack Nicholson in der Hauptrolle des durchschnittlichen Amerikaners zu besetzen, ist zumindest seltsam. Bleibt zur Bewunderung nur Kathy Bates in einer Nebenrolle, die mutig alles auszieht und zu Nicholson in den Whirlpool steigt.
"The Hours" hingegen, einer der Lieblingsfilme der New Yorker und der amerikanischen Kritik, bleibt ganz nah an seiner Vorlage. Michael Cunninghams Buch "Die Stunden" hatte die Idee von Virgina Woolfs Roman "Mrs. Dalloway" weitergesponnen, einen Tag im Leben verschiedener Personen zu beschreiben, die einander unter Umständen nie begegnen. Da ist zunächst Virginia Woolf selbst, wie sie 1941 einen Stein in die Tasche ihres dünnen Mantels gleiten läßt und in den Fluß steigt; dann Virginia Woolf im Jahr 1923 in einem Vorort Londons, beim Schreiben von "Mrs. Dalloway"; die zweite Figur ist Laura Moore, eine zutiefst depressive Hausfrau, 1951 in Los Angeles, die "Mrs. Dalloway" liest; schließlich ist da noch Clarissa, Lektorin im zeitgenössischen New York, die eine Gesellschaft für ihren an Aids sterbenden Dichterfreund plant. Als Filmvorlage bietet sich eine solch komplexe Geschichte über drei Frauen, die einzig durch ähnliche Bewußtseinsströme und ihre Meditationen über den Tod verwandt sind, nicht auf den ersten Blick an. David Hare aber hat auf der Grundlage von Cunninghams Roman ein Drehbuch geschrieben, das die Erzählfäden kunstvoll miteinander verknüpft, und so segelt die Geschichte unter Stephen Daldrys Regie mühelos über alle zeitlichen und räumlichen Grenzen hinweg - und auch über den penibel minimalistisch getupften Klangteppich von Philip Glass.
Es ist viel Aufhebens um die prothetische Nase gemacht worden, die Nicole Kidman zur Ähnlichkeit mit Virginia Woolf verhelfen sollte. Daß Virginia Woolf eine schöne Frau war, sieht man Nicole Kidman daher nicht mehr an, und auch ihr Witz bleibt auf der Strecke. Doch Nicole Kidman entwirft in ihrer Darstellung das Porträt einer zutiefst verstörten Seele, das Virginia Woolf in ihren schlechten Zeiten wohl nahekommt. Mit ihr spielen Julianne Moore und Meryl Streep und in der Rolle des aidskranken Dichters Ed Harris - eine großartige Besetzung für einen Film, über dem eine tiefe Melancholie liegt: weil wir sehen, wie die Figuren Entscheidungen treffen, mit deren Konsequenzen sie möglicherweise nicht leben können, und weil manche sterben, damit die anderen das Leben schätzen lernen.
Angst, Trauer, die Lust an Albernheiten: das sind nicht alle Gefühle, von denen das Kino erzählen kann. Daß aber in Hollywood diese Vielfalt herrscht, ist mehr, als man vernünftigerweise vom kommerziellen Kino erwarten kann.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main