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Frankreich in den 50ern: In einer verschneiten Villa trifft sich eine Großfamilie, um die Weihnachtstage miteinander zu verbringen. Doch anstatt der trauten Bescherung findet man das Familienoberhaupt ermordet unter dem Weihnachtsbaum. Die Mörderin kann sich nur unter den 8 Frauen befinden, die dem Mann am nächsten standen. 8 Frauen, jede ist verdächtig, jede hat ein Motiv, jede birgt ein Geheimnis. Sie sind schön, temperamentvoll, intelligent, sinnlich und gefährlich. Eine von ihnen ist schuldig, aber welche ist es?

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Produktbeschreibung
Frankreich in den 50ern: In einer verschneiten Villa trifft sich eine Großfamilie, um die Weihnachtstage miteinander zu verbringen. Doch anstatt der trauten Bescherung findet man das Familienoberhaupt ermordet unter dem Weihnachtsbaum. Die Mörderin kann sich nur unter den 8 Frauen befinden, die dem Mann am nächsten standen. 8 Frauen, jede ist verdächtig, jede hat ein Motiv, jede birgt ein Geheimnis. Sie sind schön, temperamentvoll, intelligent, sinnlich und gefährlich. Eine von ihnen ist schuldig, aber welche ist es?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.07.2002

Das Leben ist ein Chanson
Alles ist künstlich, aber die Gefühle sind echt: François Ozon inszeniert mit "8 Frauen" seine ganz persönliche Filmgeschichte

Es gebe eine Empfindung, hat Stephen King geschrieben, für die nur die Franzosen ein Wort hätten: sie heißt "Déjà-vu". Wenn man so will, besteht François Ozons Film aus nichts anderem. Alles in "8 Frauen" hat man anderswo schon gesehen und gehört, und doch schafft es der Regisseur, daß einem immer wieder Augen und Ohren übergehen. Daß einem schier der Atem stockt vor erzählerischer Dreistigkeit und bonbonfarbenem Glück.

Schon die erste Einstellung schwenkt über einen verschneiten Garten, dessen Schnee so ungeniert künstlich wirkt, daß auch die sorgsam plazierten Rehe die Studioatmosphäre nur zu verstärken scheinen. Damit ist gleich klar, daß dieser Film sein Heil nicht in der Wirklichkeit sucht, sondern in jener Welt zwischen schamloser Idylle und giftigem Technicolor, in der einst Regisseure wie Douglas Sirk und Vincente Minnelli ihre Melodramen angesiedelt haben. Und wenn Ozon mit diesem Film etwas beweisen will, dann die Realisierbarkeit jenes durch und durch cinephilen Traums, in ihren künstlichen Paradiesen eine Heimat zu finden.

Genau so hat er sich vor drei Jahren schon mit seiner Fassbinder-Verfilmung "Tropfen auf heiße Steine" den Zutritt zu dem untergegangenen Kontinent erschlichen, in dem der Deutsche einst seine Geschichten angesiedelt hatte, die sich auch schon von Kinoträumen nährten. Denn auch Fassbinder war ein glühender Verehrer der Melodramen von Sirk. Fast wirkt es so, als wolle Ozon mit seinen Figuren ausziehen, um die Sehnsuchtsfilme seiner Jugend zu bevölkern. Also reist er in "8 Frauen" auf jenen fernen Stern der Fünfziger-Jahre-Melodramen, um mit Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Emmanuelle Béart, Fanny Ardant, Virginie Ledoyen, Danielle Darrieux, Ludivine Sagnier und Firmine Richard zu erkunden, ob es dort überhaupt genügend Luft zum Atmen gibt.

Oder andersherum: Ob es möglich ist, aus lauter künstlichen Zutaten so etwas wie echte Gefühle zu erwecken. Ozon nimmt also acht Schauspielerinnen, die man kennt, steckt sie in Kostüme, die man irgendwo schon mal gesehen hat, läßt sie Chansons singen, die man irgendwann schon mal gehört hat, und verwickelt sie in einem eingeschneiten Landhaus in einen Mordfall, der einem ebenfalls bekannt vorkommt. Das Déjà-vu ist also kein künstlerischer Mangel, sondern gestalterische Absicht - der Zuschauer wird geradezu dazu eingeladen, Bild um Bild aus seiner Erinnerung übereinanderzuschichten, bis durch die fortwährenden Überblendungen der Blick zu flimmern beginnt.

Der Titel ist also die reinste Anmaßung, weil es sich durch und durch um Kunstgeschöpfe handelt. Der Film könnte genausogut "8 Farben", "8 Orchideen", "8 Chansons" oder "8 Schauspielerinnen" heißen. Die deutsche Synchronisation setzt noch eins drauf, indem sie nicht die gewohnten Stimmen verwendet, sondern deutsche Stars wie Senta Berger, Hannelore Elsner, Cosma Shiva Hagen, Nina Hoss, Nicolette Krebitz, Katja Riemann, Ruth Maria Kubitschek und Jasmin Tabatabai. Unabhängig von der Frage, ob das dem Zuschauer zugute kommt, kann man doch sagen, daß die Entscheidung Ozons Absichten gerecht wird, der dem Kino hier nicht nur einen, sondern möglichst viele Spiegel vorhält, um wie in einem Prisma ein Feuerwerk aus Regenbogenfarben zu entfachen.

Eigentlich hatte sich Ozon um die Rechte an George Cukors berühmten Film "The Women" aus dem Jahr 1937 bemüht, aber dann erfahren, daß Julia Roberts und Meg Ryan seit Jahren ein Remake planen. Also nahm er kurzerhand ein abgedroschenes Kriminalstück eines in Vergessenheit geratenen Autors namens Richard Thomas und richtete es für seine Zwecke her. Ein Landhaus im Schnee, Weihnachten vor der Tür, der Hausherr ermordet - und reichlich Zeit für Gattin, Schwiegermutter, Schwägerin, Schwester, Haushälterin, Kammerzofe und die beiden Töchter, sich gegenseitig zu verdächtigen und das Unterste zuoberst zu kehren.

Wo Ozon zuletzt in "Sous le sable" Charlotte Rampling unter die Haut gekrochen ist, da umschmeichelt er nun seine Heldinnen, um sie wie ein Schmetterlingssammler eine nach der anderen aufzuspießen und unter einem Glassturz zu präsentieren. Dabei geht es keineswegs darum, daß die Damen hinter ihren Rollen verschwinden, sondern ganz im Gegenteil um den vollen Einsatz ihrer Öffentlichkeitswirkung. Man fühlt sich beinahe wie in einer Travestieshow, und mitunter wirken die Frauen, als würden sie von sehr talentierten Imitatoren ihrer selbst gespielt. Das liegt auch daran, daß sich Ozon wirklich sämtliche Verschlingungen der Filmgeschichte zunutze macht und alle Querverweise auf Vorbilder pure Absicht sind.

So sind nicht nur die Kostüme Hollywood-Stars wie Ava Gardner und Lana Turner nachempfunden, sondern auch die Besetzungen, Konstellationen und Dialoge ein fortwährendes Spiel mit der französischen Filmgeschichte, vor allem mit den offensichtlichsten Vorbildern François Truffaut und Jacques Demy. Wenn sich Deneuve und Ardant auf dem Boden wälzen, dann sind das eben auch zwei große Truffaut-Aktricen, die eine Szene aus "Die Frau nebenan" paraphrasieren. Und wenn Deneuve und Darrieux ihre Chansons singen, dann kommt man nicht umhin, an ihre Auftritte bei Demy zu denken. Und als würden diese Zitate noch nicht genügen, läuft Emmanuelle Béart im selben Kostüm durch den Film wie einst Jeanne Moreau in Buñuels "Tagebuch einer Kammerzofe". Als sie einmal aus Versehen ein Photo ihrer geliebten früheren Chefin fallen läßt, sieht man darauf - sozusagen als neunte Frau - Romy Schneider, die einst ihren Platz als Claude Sautets Lieblingsschauspielerin an Béart vererbt hat.

Wohin man also blickt in diesem Film, erhebt die Filmgeschichte ihr Haupt. Aber man muß sich davon nicht verrückt machen lassen und kann auch ganz einfach genießen, wie die Damen die Familienverhältnisse zum Tanzen bringen, wie sie aus ihren Larven schlüpfen, ihre Flügel entfalten und das Leben in ein Chanson verwandeln. Und wem das nicht reicht, der muß vielleicht einfach nur gesehen haben, wie Emmanuelle Béart ihr hochgestecktes Haar löst und dabei auf eine Weise verborgene Leidenschaften zum Vorschein bringt, die zugleich reinste Travestie und tiefste Empfindung ist.

Nach "Tropfen", "Sous le sable" und nun "8 Frauen" kann man jedenfalls sagen, daß schon lange kein Filmemacher in Europa mehr so unberechenbar und fruchtbar gewesen ist. Womöglich hat das französische Kino seit Truffaut keinen anderen Regisseur mehr gesehen, der so geschickt und geistreich mit den Bedürfnissen und Erwartungen des Publikums spielt wie François Ozon.

MICHAEL ALTHEN

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