Ausgerechnet Veit Harlan, im Dritten Reich als Protegé von Joseph Goebbels und nach dem Krieg wegen seiner Regie bei dem antisemitischen Propagandafilms Jud Süss vor Gericht gestellt, wagte sich 1957 an ein heißes Eisen: Den § 175, der homosexuelle Betätigung bei Männern unter Strafe stellte. Anders als du und ich ist aber nicht nur ein Film über ein Tabu-Thema, das damals ein Verbot des Films nach sich zog, sondern auch ein interessantes Dokument über jugendliches Aufbegehren gegen die restaurativen Strukturen im Wirtschaftswunderland und über den Gewissenskonflikt einer Mutter, die einen Rechtsbruch begeht, um "das Richtige" zu tun.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.04.2007Hilfe nur durch Frauenliebe
Veit Harlan: "Anders als du und ich".
Edition Filmmuseum 05. 92 Min. Extras: Szenenvergleich mit "Das dritte Geschlecht", Presse- und Aushangfotos, DVD-ROM-Bereich mit Dokumenten zur Produktionsgeschichte.
In den fünfziger Jahren hatte sich die Situation der Homosexuellen offenbar nicht wesentlich geändert, und das nicht nur wegen des Paragraphen 175, der erst 1994 abgeschafft wurde. Immer noch leben die Schwulen im Film hauptsächlich im Künstlermilieu, bei Harlan allerdings ist es ein Kunsthändler, der sich auf seinen Abendgesellschaften gern mit hübschen jungen Männern umgibt, die entweder musique concrète auf dem Elektron spielen oder in silbernen Slips antikische Ringkämpfe aufführen. Friedrich Joloff spielt diesen kunstbeflissenen Verführer, und der Kameramann Kurt Grigoleit setzt sein Licht gern so, dass ihm die Schatten dämonisch auf die Wangen fallen - dabei hatte Harlan eigentlich gar nicht vor, einen Antischwulenfilm zu drehen, wie es dieser dann wurde. Er hatte vielmehr, basierend auf einer wahren Geschichte aus der Klatschpresse, einen Film mit dem Titel "Das dritte Geschlecht" geplant, der mit einer Expertenrunde zum Thema Homosexualität beginnen sollte und in dessen Verlauf, ähnlich seinem Vorläufer von Richard Oswald, Mitgefühl für das Schicksal der Homosexuellen heraufbeschworen werden sollte. Das allerdings ließ die Zensur nicht zu, so dass wir heute einen Film sehen, der zwar um Verständnis wirbt, aber nicht für die Schwulen, sondern für die Mutter (Paula Wessely) des durch seine schwärmerischen Männerfreundschaften "gefährdeten" Klaus Teichmann (Christian Wolff). Sie stiftet ihre Haustochter an, Klaus zu verführen, damit er in normale Bahnen gelenkt werde - was auch gelingt, der Mutter allerdings eine Anklage wegen Kuppelei einträgt. Dass am Ende, nachdem sie mit verständnisvollen Rügen des Richters und einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung versehen aus dem Gericht entlassen wird, zivile Beamte den Kunsthändler festsetzen, ist zwar im Rahmen der Handlung völlig unlogisch, war aber offenbar nötig, um den Film überhaupt noch ins Kino zu kriegen. Der Titel, der ursprünglich klinisch neutral aussah, schreit uns jetzt im Schriftzug der Edgar-Wallace-Filme entgegen, und die Titeländerung in Anlehnung an Oswalds Film war sicherlich eine geschickte Marketingmaßnahme. Der Szenenvergleich mit Harlans ursprünglichem Film allerdings zeigt, dass Harlan sich seiner Sympathien nicht so sicher war, wie die Zensur es zu sehen glaubte. Und Klaus' Mutter sinniert im Gericht, was auch Harlan seit seinem Prozess wegen "Jud Süß" wohl umtrieb: "Da wirst du schuldig, und du weißt es nicht."
lue.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Veit Harlan: "Anders als du und ich".
Edition Filmmuseum 05. 92 Min. Extras: Szenenvergleich mit "Das dritte Geschlecht", Presse- und Aushangfotos, DVD-ROM-Bereich mit Dokumenten zur Produktionsgeschichte.
In den fünfziger Jahren hatte sich die Situation der Homosexuellen offenbar nicht wesentlich geändert, und das nicht nur wegen des Paragraphen 175, der erst 1994 abgeschafft wurde. Immer noch leben die Schwulen im Film hauptsächlich im Künstlermilieu, bei Harlan allerdings ist es ein Kunsthändler, der sich auf seinen Abendgesellschaften gern mit hübschen jungen Männern umgibt, die entweder musique concrète auf dem Elektron spielen oder in silbernen Slips antikische Ringkämpfe aufführen. Friedrich Joloff spielt diesen kunstbeflissenen Verführer, und der Kameramann Kurt Grigoleit setzt sein Licht gern so, dass ihm die Schatten dämonisch auf die Wangen fallen - dabei hatte Harlan eigentlich gar nicht vor, einen Antischwulenfilm zu drehen, wie es dieser dann wurde. Er hatte vielmehr, basierend auf einer wahren Geschichte aus der Klatschpresse, einen Film mit dem Titel "Das dritte Geschlecht" geplant, der mit einer Expertenrunde zum Thema Homosexualität beginnen sollte und in dessen Verlauf, ähnlich seinem Vorläufer von Richard Oswald, Mitgefühl für das Schicksal der Homosexuellen heraufbeschworen werden sollte. Das allerdings ließ die Zensur nicht zu, so dass wir heute einen Film sehen, der zwar um Verständnis wirbt, aber nicht für die Schwulen, sondern für die Mutter (Paula Wessely) des durch seine schwärmerischen Männerfreundschaften "gefährdeten" Klaus Teichmann (Christian Wolff). Sie stiftet ihre Haustochter an, Klaus zu verführen, damit er in normale Bahnen gelenkt werde - was auch gelingt, der Mutter allerdings eine Anklage wegen Kuppelei einträgt. Dass am Ende, nachdem sie mit verständnisvollen Rügen des Richters und einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung versehen aus dem Gericht entlassen wird, zivile Beamte den Kunsthändler festsetzen, ist zwar im Rahmen der Handlung völlig unlogisch, war aber offenbar nötig, um den Film überhaupt noch ins Kino zu kriegen. Der Titel, der ursprünglich klinisch neutral aussah, schreit uns jetzt im Schriftzug der Edgar-Wallace-Filme entgegen, und die Titeländerung in Anlehnung an Oswalds Film war sicherlich eine geschickte Marketingmaßnahme. Der Szenenvergleich mit Harlans ursprünglichem Film allerdings zeigt, dass Harlan sich seiner Sympathien nicht so sicher war, wie die Zensur es zu sehen glaubte. Und Klaus' Mutter sinniert im Gericht, was auch Harlan seit seinem Prozess wegen "Jud Süß" wohl umtrieb: "Da wirst du schuldig, und du weißt es nicht."
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