Mitten im Wahnsinn des Vietnamkrieges erhält Captain Willard den Auftrag für eine waghalsige Mission: Er soll sich mit einer Hand voll Soldaten zum Lager des sadistischen Colonel Kurtz im kambodschanischen Dschungel durchschlagen. Der brutale Kurtz lässt sich nicht mehr von der Militärführung kontrollieren und richtet von seinem Hauptquartier aus ein unglaubliches Blutbad nach dem anderen an. Willard hat den ausdrücklichen Befehl, den Sadisten zu liquidieren. Auf ihrem Weg begegnet die Truppe dem sonderbaren Colonel Kilgore, der seine Hubschrauberpiloten ihre Attacken zu den Klängen der "Walküre" fliegen lässt. Je tiefer das amerikanische Boot in den Dschungel eindringt, desto blanker liegen die Nerven der Besatzung. Ihre Mission führt die fünf Soldaten geradewegs in die Abgründe der menschlichen Seele...
Bonusmaterial
Intro Francis Ford Coppola Audio-Kommentar von Francis Ford Coppola WendecoverFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.07.2019Film wurde Krieg
Vierzig Jahre nach der Premiere hat Francis Ford Coppola Final Cut bei "Apocalypse Now". Hat es sich gelohnt?
Und ich hörte - ihn - sie - diese Stimme - andere Stimmen - sie alle waren so wenig mehr als Stimmen und die Erinnerung an die Zeit selbst umgibt mich, unfassbar, wie ein ersterbendes, ungeheures Geschnatter, dumm, grausam, schmutzig, wild, oder einfach gemein, ohne jeden Sinn" - so steht es in Joseph Conrads "Herz der Finsternis", und es schadet nichts, zurück zu Conrads Text zu gehen, wenn man von Francis Ford Coppola und dessen Film "Apocalypse Now - Final Cut" spricht, weil der ja eine freie Adaption des Romans ist.
Diese Stimmen, das könnten die Stimmen im Kopf von Captain Willard sein, dem Mann, der den Auftrag bekommt, ins Herz der Finsternis zu reisen, um Colonel Kurtz zu liquidieren, der an der Grenze zwischen Vietnam und Kambodscha einen barbarischen kleinen Kult um sich geschaffen hat. Wenn in der Auftaktsequenz der Dschungel brennt, wenn sich das Geräusch der Rotorblätter eines Hubschraubers und eines Ventilators bis zur Ununterscheidbarkeit einander annähern, wenn sich das Dschungelbild über das gequälte Gesicht von Martin Sheen als Willard legt, der mit der Faust den Spiegel zerschlägt, volltrunken, von seinen Dämonen heimgesucht, wenn dazu von der Tonspur Jim Morrison "The End" singt, dann ist, auch wenn achtzig Jahre Roman und Film trennen, Coppola sehr nah bei Conrad und der Film ganz bei sich; auch wenn aus dem Kongo Vietnam wurde und aus dem Elfenbeinhändler ein Oberst, der im Buch wie im Film am Ende dieselben Worte sagt: "Das Grauen! Das Grauen!"
Der Sog, der von Coppolas Film ausgeht, vierzig Jahre nach der Premiere, ist auch bei dem "Final Cut" nicht schwächer geworden, der morgen für einen Tag ins Kino kommt, aufwendig restauriert in 4K Ultra HD. Es ist nur nicht mehr derselbe Sog, weil man seit Heraklit nicht zwei Mal in denselben Fluss steigt. 1979 war es gerade vier Jahre her, dass der letzte Hubschrauber vom Dach der amerikanischen Botschaft in Saigon abgehoben hatte. Und Coppola stand in Cannes, wo er die Goldene Palme gewann, und sagte, dies sei kein Film über Vietnam, dies sei Vietnam: "Wie wir ihn gedreht haben, ähnelte dem Verhalten der Amerikaner. Wir waren im Dschungel, hatten zu viel Geld, zu viel Ausrüstung und wurden allmählich verrückt."
Das war nicht nur ein wenig größenwahnsinnig, weil Coppola, damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere, keine Hybris fremd war. Es entsprach auch der Wahrheit, wie zwölf Jahre später der Dokumentarfilm "Hearts of Darkness" bestätigte. Zu dem Zeitpunkt war Coppola, der mächtige Gegenkönig, der sich fern von Hollywood in San Francisco angesiedelt hatte, der das Studiosystem mit dessen eigenen Mitteln stürzen wollte, längst selbst gestürzt. "Ich habe keine Gegenwart mehr", sagte er nach seinem Bankrott, "ich lebe wie ein Floh zwischen zwei Granitblöcken."
Der Dokumentarfilm, der auf dem Tagebuch von Coppolas Frau Eleanor beruhte, zeigte das Beinahe-Desaster, die Unfälle, Drogen, Affären, die Privatvorführungen für das Ehepaar Marcos; das war fast so gespenstisch wie der Hubschrauberangriff zu Wagners "Walkürenritt" im Film, der mit dem Fluggerät der philippinischen Luftwaffe gedreht wurde. "Hearts of Darkness" erzählte von 238 Drehtagen, gut 300 Stunden Material, einem für damalige Verhältnisse ungeheuren Budget von 31 Millionen Dollar, von vietnamesischen Boat People, die sich auf die Philippinen gerettet hatten und als Komparsen verpflichtet wurden, von endlosen Monaten am Schneidetisch, manisch-depressiven Anfällen, durch Lithium gedämpft, von einer kriselnden Ehe. Er erinnerte an die Monstrosität Marlon Brandos, der grotesk übergewichtig für seine Kurtz-Rolle angereist war und den Kameramann Vittorio Storaro zu wahnwitzigen Licht- und Schattenspielen nötigte, weil eine Ganzkörperansicht nicht in Frage kam.
Die Dokumentation belebte die Mythen um "Apocalypse Now" und ließ sie weiter wuchern. Der Film wurde gehasst, verehrt, überhöht. Der Philosoph Jean Baudrillard hatte schon 1981 in unfreiwilliger Überbietung von Coppolas Selbsteinschätzung geschrieben, "Apocalypse Now" sei "die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln, der Höhepunkt dieses gescheiterten Kriegs und seine Apotheose. Der Krieg wurde Film, der Film wird Krieg, beide sind verbunden durch ihr Ausbluten in die Technologie."
Und niemand konnte sich dann ernstlich wundern über das bizarre Timing, als 2001 "Apocalypse Now Redux" herauskam. Im Mai in Cannes gezeigt, lief er vier Monate später in deutschen Kinos, so dass in den Köpfen der Zuschauer auf einmal die Fernsehbilder von den einstürzenden Twin Towers auf die Kinobilder vom Flammenmeer im Dschungel trafen. Parallel dazu war Peter Cowies "The ,Apocalypse Now' Book" erschienen, aus dem man weitere Details von den Dreharbeiten erfuhr. Bekannt war zuvor, dass Harvey Keitel, der Willard spielen sollte, nach drei Wochen gefeuert und durch Martin Sheen ersetzt worden war, der dann während der Dreharbeiten einen Herzinfarkt erlitt; neu war neben anderem, dass Coppola auch über Steve McQueen, Jack Nicholson, Tommy Lee Jones, Keith Carradine oder Nick Nolte nachgedacht hatte.
Ob der 153 Minuten langen Premierenfassung nun 49 oder 53 Minuten neues Material hinzugefügt wurden - sicher ist, dass der geniale Walter Murch für Ton- und Bildschnitt verantwortlich war. Und dass man zuvor nicht gesehene Szenen bekam, darunter auch den Aufenthalt von Willard und seiner Crew auf einer Plantage am Fluss. Die französischen Bewohner trauern ums vergangene Kolonialreich in Indochina, und Willard schläft mit einer schönen Witwe und raucht Opium mit ihr. Der Sog des Films war ein anderer geworden, aber er war immer noch da.
Nicht nur wegen der Opium-Szene wirkte die Redux-Fassung halluzinatorischer, seltsam träge mäandernd wie der Fluss, ein anderer Rhythmus erfasste die Erzählung. Das war eine Folge der längeren Gesamtdauer, aber eben auch der Langsamkeit in einzelnen Szenen. Es schien, als habe Coppola alles, worauf zu verzichten er für die erste Fassung vom Studio genötigt worden war, einfach wieder eingefügt. Oder, anders gesagt, es war, als kehre des Films eigenes Unbewusstes wieder, von dem die Dokumentation eine Ahnung geliefert hatte.
Erholt hat Coppola sich wohl nie vom Triumph des Films, so wenig wie von all seinen Niederlagen. Es ist daher auch kein Zufall, dass er nicht aufhören kann, dass er "Apocalypse Now" noch einmal durcharbeiten muss wie in einer Analyse. Natürlich zehrt der Film von seinem alten Mythos, mag der auch im Vergleich zu 2001 deutlich blasser sein. Coppola, vor kurzem achtzig Jahre alt geworden, spricht direkt vor Beginn des "Final Cut" zu uns. So habe der Film damals sein sollen, 1979, sagt er - was dann schon mal kurz fragen lässt, welchem Sollen und Wollen denn die Redux-Version gefolgt war. Aber das sagt man halt, wenn sich die Chance zur Restaurierung auf dem technischen Niveau von heute bietet.
183 Minuten lang ist dieser "Final Cut", und man lernt gleich, dass auch die neueste Technik nicht mehr Schärfe erzielen kann, wenn ein Filmnegativ derartig viele Überblendungen enthält wie die berühmte Eröffnungssequenz. Sie wirkt, gemessen an Schärfe und Farbintensität des Folgenden, verwaschen und körnig, was allenfalls Puristen stören dürfte und ganz nebenbei auch ein Einspruch ist gegen die unheimliche Perfektion der digitalen Bilder. Grandios ist diese Sequenz immer noch, visuell, in der Montage, in der Art, wie sie die Stimmung und Temperatur der ganzen Geschichte setzt.
Coppola hat den Rhythmus wieder etwas gestrafft, er hat einige Szenen wieder aussortiert, nur von der Plantagenszene hat er sich nicht trennen können, obwohl Walter Murch sie schon vor zwanzig Jahren mit einem gewissen Recht einen "ultimativ unverdaulichen Brocken politischer Information" nannte. Mag sein, dass Coppola nicht Aurore Clément, die die einzige weibliche Sprechrolle im ganzen Film hat, opfern mochte. Mag sein, dass es andere Gründe gab. Der Stillstand, der durch diese Szene eintritt, ist dem Film zumindest nicht völlig fremd.
Was man sich allerdings, wenn man vom Sog des Films spricht, fragen muss: Ob dieser Sog sich nicht womöglich eher der Erinnerung an die vergangenen Erfahrungen verdankt als dem erneuten Wiedersehen. Beantworten lässt sich das kaum. Weshalb es interessant wäre zu erfahren, ob "Apocalypse Now" auch bei jenen, die ihn zum ersten Mal sehen, noch eine erzählerische und visuelle Wucht entfaltet, ob sich da vierzig Jahre nach der Premiere noch der Eindruck einstellt, dass dieser Trip in die Finsternis etwas zu tun haben könnte mit unserer Gegenwart.
Dass nun auf den "Final Cut" ein weiteres Finale folgen wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Wenn man sich jedoch die Rezeptionsgeschichte von "Apocalypse Now" und dazu den wilden, dramatischen Verlauf von Francis Ford Coppolas Karriere anschaut, dann wäre das ein fabelhafter Stoff für eine Serie.
PETER KÖRTE
"Apocalypse Now - Final Cut" ist nur am morgigen Montag im Kino zu sehen. Die 4K Ultra HD Bluray des Films ist vom 29. August an im Handel erhältlich, eine Limited Edition enthält alle drei Filmversionen, die Dokumentation "Hearts of Darkness" und dazu mehr als zehn Stunden Bonusmaterial.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vierzig Jahre nach der Premiere hat Francis Ford Coppola Final Cut bei "Apocalypse Now". Hat es sich gelohnt?
Und ich hörte - ihn - sie - diese Stimme - andere Stimmen - sie alle waren so wenig mehr als Stimmen und die Erinnerung an die Zeit selbst umgibt mich, unfassbar, wie ein ersterbendes, ungeheures Geschnatter, dumm, grausam, schmutzig, wild, oder einfach gemein, ohne jeden Sinn" - so steht es in Joseph Conrads "Herz der Finsternis", und es schadet nichts, zurück zu Conrads Text zu gehen, wenn man von Francis Ford Coppola und dessen Film "Apocalypse Now - Final Cut" spricht, weil der ja eine freie Adaption des Romans ist.
Diese Stimmen, das könnten die Stimmen im Kopf von Captain Willard sein, dem Mann, der den Auftrag bekommt, ins Herz der Finsternis zu reisen, um Colonel Kurtz zu liquidieren, der an der Grenze zwischen Vietnam und Kambodscha einen barbarischen kleinen Kult um sich geschaffen hat. Wenn in der Auftaktsequenz der Dschungel brennt, wenn sich das Geräusch der Rotorblätter eines Hubschraubers und eines Ventilators bis zur Ununterscheidbarkeit einander annähern, wenn sich das Dschungelbild über das gequälte Gesicht von Martin Sheen als Willard legt, der mit der Faust den Spiegel zerschlägt, volltrunken, von seinen Dämonen heimgesucht, wenn dazu von der Tonspur Jim Morrison "The End" singt, dann ist, auch wenn achtzig Jahre Roman und Film trennen, Coppola sehr nah bei Conrad und der Film ganz bei sich; auch wenn aus dem Kongo Vietnam wurde und aus dem Elfenbeinhändler ein Oberst, der im Buch wie im Film am Ende dieselben Worte sagt: "Das Grauen! Das Grauen!"
Der Sog, der von Coppolas Film ausgeht, vierzig Jahre nach der Premiere, ist auch bei dem "Final Cut" nicht schwächer geworden, der morgen für einen Tag ins Kino kommt, aufwendig restauriert in 4K Ultra HD. Es ist nur nicht mehr derselbe Sog, weil man seit Heraklit nicht zwei Mal in denselben Fluss steigt. 1979 war es gerade vier Jahre her, dass der letzte Hubschrauber vom Dach der amerikanischen Botschaft in Saigon abgehoben hatte. Und Coppola stand in Cannes, wo er die Goldene Palme gewann, und sagte, dies sei kein Film über Vietnam, dies sei Vietnam: "Wie wir ihn gedreht haben, ähnelte dem Verhalten der Amerikaner. Wir waren im Dschungel, hatten zu viel Geld, zu viel Ausrüstung und wurden allmählich verrückt."
Das war nicht nur ein wenig größenwahnsinnig, weil Coppola, damals auf dem Höhepunkt seiner Karriere, keine Hybris fremd war. Es entsprach auch der Wahrheit, wie zwölf Jahre später der Dokumentarfilm "Hearts of Darkness" bestätigte. Zu dem Zeitpunkt war Coppola, der mächtige Gegenkönig, der sich fern von Hollywood in San Francisco angesiedelt hatte, der das Studiosystem mit dessen eigenen Mitteln stürzen wollte, längst selbst gestürzt. "Ich habe keine Gegenwart mehr", sagte er nach seinem Bankrott, "ich lebe wie ein Floh zwischen zwei Granitblöcken."
Der Dokumentarfilm, der auf dem Tagebuch von Coppolas Frau Eleanor beruhte, zeigte das Beinahe-Desaster, die Unfälle, Drogen, Affären, die Privatvorführungen für das Ehepaar Marcos; das war fast so gespenstisch wie der Hubschrauberangriff zu Wagners "Walkürenritt" im Film, der mit dem Fluggerät der philippinischen Luftwaffe gedreht wurde. "Hearts of Darkness" erzählte von 238 Drehtagen, gut 300 Stunden Material, einem für damalige Verhältnisse ungeheuren Budget von 31 Millionen Dollar, von vietnamesischen Boat People, die sich auf die Philippinen gerettet hatten und als Komparsen verpflichtet wurden, von endlosen Monaten am Schneidetisch, manisch-depressiven Anfällen, durch Lithium gedämpft, von einer kriselnden Ehe. Er erinnerte an die Monstrosität Marlon Brandos, der grotesk übergewichtig für seine Kurtz-Rolle angereist war und den Kameramann Vittorio Storaro zu wahnwitzigen Licht- und Schattenspielen nötigte, weil eine Ganzkörperansicht nicht in Frage kam.
Die Dokumentation belebte die Mythen um "Apocalypse Now" und ließ sie weiter wuchern. Der Film wurde gehasst, verehrt, überhöht. Der Philosoph Jean Baudrillard hatte schon 1981 in unfreiwilliger Überbietung von Coppolas Selbsteinschätzung geschrieben, "Apocalypse Now" sei "die Fortsetzung des Kriegs mit anderen Mitteln, der Höhepunkt dieses gescheiterten Kriegs und seine Apotheose. Der Krieg wurde Film, der Film wird Krieg, beide sind verbunden durch ihr Ausbluten in die Technologie."
Und niemand konnte sich dann ernstlich wundern über das bizarre Timing, als 2001 "Apocalypse Now Redux" herauskam. Im Mai in Cannes gezeigt, lief er vier Monate später in deutschen Kinos, so dass in den Köpfen der Zuschauer auf einmal die Fernsehbilder von den einstürzenden Twin Towers auf die Kinobilder vom Flammenmeer im Dschungel trafen. Parallel dazu war Peter Cowies "The ,Apocalypse Now' Book" erschienen, aus dem man weitere Details von den Dreharbeiten erfuhr. Bekannt war zuvor, dass Harvey Keitel, der Willard spielen sollte, nach drei Wochen gefeuert und durch Martin Sheen ersetzt worden war, der dann während der Dreharbeiten einen Herzinfarkt erlitt; neu war neben anderem, dass Coppola auch über Steve McQueen, Jack Nicholson, Tommy Lee Jones, Keith Carradine oder Nick Nolte nachgedacht hatte.
Ob der 153 Minuten langen Premierenfassung nun 49 oder 53 Minuten neues Material hinzugefügt wurden - sicher ist, dass der geniale Walter Murch für Ton- und Bildschnitt verantwortlich war. Und dass man zuvor nicht gesehene Szenen bekam, darunter auch den Aufenthalt von Willard und seiner Crew auf einer Plantage am Fluss. Die französischen Bewohner trauern ums vergangene Kolonialreich in Indochina, und Willard schläft mit einer schönen Witwe und raucht Opium mit ihr. Der Sog des Films war ein anderer geworden, aber er war immer noch da.
Nicht nur wegen der Opium-Szene wirkte die Redux-Fassung halluzinatorischer, seltsam träge mäandernd wie der Fluss, ein anderer Rhythmus erfasste die Erzählung. Das war eine Folge der längeren Gesamtdauer, aber eben auch der Langsamkeit in einzelnen Szenen. Es schien, als habe Coppola alles, worauf zu verzichten er für die erste Fassung vom Studio genötigt worden war, einfach wieder eingefügt. Oder, anders gesagt, es war, als kehre des Films eigenes Unbewusstes wieder, von dem die Dokumentation eine Ahnung geliefert hatte.
Erholt hat Coppola sich wohl nie vom Triumph des Films, so wenig wie von all seinen Niederlagen. Es ist daher auch kein Zufall, dass er nicht aufhören kann, dass er "Apocalypse Now" noch einmal durcharbeiten muss wie in einer Analyse. Natürlich zehrt der Film von seinem alten Mythos, mag der auch im Vergleich zu 2001 deutlich blasser sein. Coppola, vor kurzem achtzig Jahre alt geworden, spricht direkt vor Beginn des "Final Cut" zu uns. So habe der Film damals sein sollen, 1979, sagt er - was dann schon mal kurz fragen lässt, welchem Sollen und Wollen denn die Redux-Version gefolgt war. Aber das sagt man halt, wenn sich die Chance zur Restaurierung auf dem technischen Niveau von heute bietet.
183 Minuten lang ist dieser "Final Cut", und man lernt gleich, dass auch die neueste Technik nicht mehr Schärfe erzielen kann, wenn ein Filmnegativ derartig viele Überblendungen enthält wie die berühmte Eröffnungssequenz. Sie wirkt, gemessen an Schärfe und Farbintensität des Folgenden, verwaschen und körnig, was allenfalls Puristen stören dürfte und ganz nebenbei auch ein Einspruch ist gegen die unheimliche Perfektion der digitalen Bilder. Grandios ist diese Sequenz immer noch, visuell, in der Montage, in der Art, wie sie die Stimmung und Temperatur der ganzen Geschichte setzt.
Coppola hat den Rhythmus wieder etwas gestrafft, er hat einige Szenen wieder aussortiert, nur von der Plantagenszene hat er sich nicht trennen können, obwohl Walter Murch sie schon vor zwanzig Jahren mit einem gewissen Recht einen "ultimativ unverdaulichen Brocken politischer Information" nannte. Mag sein, dass Coppola nicht Aurore Clément, die die einzige weibliche Sprechrolle im ganzen Film hat, opfern mochte. Mag sein, dass es andere Gründe gab. Der Stillstand, der durch diese Szene eintritt, ist dem Film zumindest nicht völlig fremd.
Was man sich allerdings, wenn man vom Sog des Films spricht, fragen muss: Ob dieser Sog sich nicht womöglich eher der Erinnerung an die vergangenen Erfahrungen verdankt als dem erneuten Wiedersehen. Beantworten lässt sich das kaum. Weshalb es interessant wäre zu erfahren, ob "Apocalypse Now" auch bei jenen, die ihn zum ersten Mal sehen, noch eine erzählerische und visuelle Wucht entfaltet, ob sich da vierzig Jahre nach der Premiere noch der Eindruck einstellt, dass dieser Trip in die Finsternis etwas zu tun haben könnte mit unserer Gegenwart.
Dass nun auf den "Final Cut" ein weiteres Finale folgen wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Wenn man sich jedoch die Rezeptionsgeschichte von "Apocalypse Now" und dazu den wilden, dramatischen Verlauf von Francis Ford Coppolas Karriere anschaut, dann wäre das ein fabelhafter Stoff für eine Serie.
PETER KÖRTE
"Apocalypse Now - Final Cut" ist nur am morgigen Montag im Kino zu sehen. Die 4K Ultra HD Bluray des Films ist vom 29. August an im Handel erhältlich, eine Limited Edition enthält alle drei Filmversionen, die Dokumentation "Hearts of Darkness" und dazu mehr als zehn Stunden Bonusmaterial.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main