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Mehr als 30 Jahre nach seinem Meisterwerk "Napoleon" setzt Abel Gance mit "Austerlitz - Glanz einer Kaiserkrone" am Ende seines Klassikers an und beleuchtet Napoleons Biografie in der Zeit vom Friedensvertrag von Amiens bis zur Schlacht von Austerlitz. In dem opulenten Kostümdrama inszeniert der Altmeister des Historienfilms die berühmte Schlacht vom 2. Dezember 1805, bei der die französischen Truppen unter Kaiser Napoleon die russischen und österreichischen Truppen am Pratzeberg zwischen Brünn und Austerlitz besiegen konnten.
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Produktbeschreibung
Mehr als 30 Jahre nach seinem Meisterwerk "Napoleon" setzt Abel Gance mit "Austerlitz - Glanz einer Kaiserkrone" am Ende seines Klassikers an und beleuchtet Napoleons Biografie in der Zeit vom Friedensvertrag von Amiens bis zur Schlacht von Austerlitz. In dem opulenten Kostümdrama inszeniert der Altmeister des Historienfilms die berühmte Schlacht vom 2. Dezember 1805, bei der die französischen Truppen unter Kaiser Napoleon die russischen und österreichischen Truppen am Pratzeberg zwischen Brünn und Austerlitz besiegen konnten.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2016

Hochkonzentrierte Zerstreuung
Was Besucher in einer KZ-Gedenkstätte tun: Sergei Loznitsas Dokumentation "Austerlitz"

Nach Dachau ist Sachsenhausen, nördlich von Berlin, die meistbesuchte deutsche KZ-Gedenkstätte. Mehr als 700 000 Besucher kamen im Jahr 2015. Kürzlich gab es wieder einmal Streit, weil der öffentliche Verkehr auf das Interesse nicht angemessen eingeht. Viele Menschen drängeln sich in den selten fahrenden Bussen, andere machen den Weg vom Bahnhof zu Fuß. Doch was wollen die vielen Menschen dort eigentlich? Das ist eine Frage, die mitten in die gegenwärtigen Debatten um die Zukunft Europas führen könnte. Der Film "Austerlitz" von Sergei Loznitsa stellt diese Frage nicht, und schon gar nicht maßt er sich an, sie zu beantworten. Aber er zeigt etwas, das auf eine faszinierende Weise die Voraussetzungen des Zusammenlebens berührt. "Austerlitz" zeigt Menschen, die einen historisch bedeutsamen Ort besuchen. Es könnte auch das Kolosseum in Rom sein oder die Tower Bridge in London. Aber es ist eben ein früheres nationalsozialistisches Konzentrationslager.

Am Eingang wartet die berüchtigte Parole: "Arbeit macht frei". Die Leute müssen daran vorbei, es ist für viele das erste Fotomotiv, manche lassen sich auch selbst vor der Inschrift ablichten, und kaum haben sie das Gittertor passiert, überprüfen sie schon auf dem Display ihrer Kamera, wie das Foto geworden ist. Loznitsa hat die Kamera so aufgestellt, dass sie auf diskrete Weise das Geschehen registriert. Im schwarzweißen Bild ist fast immer eine Menge, in einem differenzierten Geschehen mit Vordergrund und Hintergrund, das durch den Schärfebereich strukturiert wird. Zu hören ist wenig Konkretes: die Geräusche, die die Touristen machen, das Knirschen ihrer Schuhe auf den Wegen, dazu gelegentlich eine Passage von einem Reiseführer, die sich aber kaum einmal zu einer Erzählung fügt. Tourismus ist eine hochkonzentrierte Form von Zerstreuung. Man hat viel zu tun: den Audioguide ans Ohr pressen, den Selfiestick manövrieren, die Gruppe nicht verlieren.

Eine junge Frau, die gerade vom Schicksal des Hitler-Attentäters Georg Elser hört, lässt ihre Wasserflasche auf dem Kopf balancieren, als müsste sie eine Gleichgewichtsübung absolvieren. Danach geht es zu den Krematorien.

Man kann "Austerlitz" als eine Art Aufmerksamkeitstest sehen. Die exzellent gewählten Bildausschnitte sind auch Zufallsräume. Wer ins Bild kommt, was gerade passiert, das war alles nicht geplant, und unwillkürlich sieht man sich vor diesen Wimmelbildern auf verschiedene Interessen verwiesen. Man liest die T-Shirts (unglaublich, wie viel Text da auftaucht), man bleibt an attraktiven Erscheinungen hängen und bedauert ein bisschen, wenn sie aus dem Bild gehen, man sucht nach Zusammenhängen zwischen dem Ort und den Verhaltensweisen. Ein junger Mann stellt sich für ein Foto an einen der Folterpfähle und reckt die Arme in die Höhe, als wäre er der Schmerzensmann. Die Freundin ist mit der "photo op" offensichtlich zufrieden. Tourismus ist auch eine besonders seltsame Form der Mimesis.

Sergei Loznitsa, geboren in der Ukraine, hat in Russland nach dem Zusammenbruch des Kommunismus Film studiert. Seit vielen Jahren lebt er in Berlin, thematisch ist er aber weiterhin stark nach Osten orientiert, nicht zuletzt mit seinen Spielfilmen wie "Im Nebel" oder "Mein Glück". Er ist aber auch ein herausragender Dokumentarist, ein Sammler von Bildern und Tönen, der die Methode, die er nun in Sachsenhausen angewandt hat, davor schon an einer Bushaltestelle in einer entlegenen russischen Kleinstadt ("Landscape") und später auch im ukrainischen Volksaufstand von 2014/15 ("Maidan") demonstriert hat: eine diskrete Kamera, ein hochsensibler Ton und ein scheinbar ungerührter Gestus der Distanz zum Geschehen. Dass diesem Gestus eine höchst bewusste Entscheidung zugrundeliegt, ja vielleicht sogar eine ganze persönliche Geschichtstheorie, das deutet der Titel des Films an: "Austerlitz". Die einzig mögliche Erklärung muss man sich selber geben, Loznitsa macht über den Namen hinaus keine Andeutung. Austerlitz ist eine Figur und ein Roman von W. G. Sebald, in dem es um nichts weniger geht als um die Beziehung zu Geschichtszeugnissen. Es ist eine Beziehung der Melancholie, die in diesem Fall auf einer persönlichen Familiengeschichte beruht.

Was Loznitsa hingegen zeigt, ist eine Art "family of man". Menschen aus fast allen Gegenden, gekleidet in diesem einheitlichen Stil, der weltweit zur Freizeit zu gehören scheint: Sandalen oder Sneakers, Shorts, Shirts, Sonnenbrille. Ein Schlabberlook, vor dem auch alle Monumente gleich werden. Ein Look, der in seiner Entspanntheit zugleich etwas dokumentiert, nämlich den Sieg der Freiheit über den Terror. Die Lager (und zwar nicht nur die nationalsozialistischen) waren für die Moderne der alles entscheidende Ort, darüber gibt es von Hannah Arendt bis Giorgio Agamben zahlreiche bedrückende Überlegungen. In den Lagern fanden die universalen Menschenrechte immer neue Ausnahmen. Mit der Überwindung der Lagergesellschaften, zuerst der faschistischen, später der kommunistischen, entstanden die freiheitlichen Systeme, von denen man irrtümlich eine Weile annahm, sie wären so etwas wie das Ende der Geschichte. Sind sie ja auch, aber eben nicht auf eine endgültige, sondern auf eine gefährdete Weise.

Der Film "Austerlitz" deutet mit zurückhaltender Klarheit an, dass Besucher an einem Ort wie Sachsenhausen sicher auch in Erfahrung bringen wollen, was sich dort während der Jahre 1936 bis 1945 ereignet hat. Aber in der Menge ihres Auftretens, mit ihren Verhaltensweisen und mit ihrer Mischung aus Ernst und Unbekümmertheit, machen sie allmählich deutlich, dass es hier nicht nur um das Verhältnis zur Geschichte geht, sondern um ein Bild für das demokratische Bewusstsein selbst: Es beruht immer auf Revolution und Befreiung, überwundenem Terror und eingehegter Gewalt, aber es darf sich davon auf eine touristische Weise Rechenschaft geben.

Einen besseren Film über die langen Nachwirkungen des kurzen und brutalen 20. Jahrhunderts wird man nicht so leicht finden, und für die Herausforderungen des 21. kann man sich mit der Konzentration und Kontemplation, die "Austerlitz" gleichermaßen herausfordert, sehr gut rüsten.

BERT REBHANDL

Ab Donnerstag im Kino

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