In Batman Begins ergründet der gefeierte Regisseur Christopher Nolan die Anfänge der Legende des Dunklen Ritters .A ls kleiner Junge zum Zeugen des Mordes an seinen Eltern geworden und geplagt von seinen Kindheitserinnerungen, reist der Industrie-Erbe Bruce Wayne (Christian Bale) ziellos durch die Welt, auf der Suche nach einem Weg, jene zu bekämpfen, die Angst und Schrecken verbreiten. Mit der Hilfe seines treuen Butlers Alfred (Michael Caine), Detective Jim Gordon (Gary Oldman) und seines Verbündeten Lucius Fox (Morgan Freeman) kehrt Wayne schließlich nach Gotham City zurück und erschafft sein Alter Ego: Batman. Als maskierter Kreuzritter, kämpft er mit Stärke, Intelligenz und einem Arsenal von High-Tech-Waffen gegen die bösen Kräfte der Unterwelt, die die Stadt bedrohen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.06.2005Das große Flattern
Christopher Nolans "Batman Begins" versucht klüger zu sein als der übliche Superheldenfilm - und steht am Ende doch irgendwie dumm da
Wenn man ehrlich ist, dann läßt sich irgendwann der Eindruck nicht mehr leugnen, die großen Sommerfilme aus Hollywood würden von Jahr zu Jahr immer dümmer. Das ist vor allem deswegen ein unerfreuliches Gefühl, weil es mit dem Verdacht einhergeht, das eigene Alter sei daran nicht ganz unschuldig. Denn schließlich scheint das jugendliche Zielpublikum unverändert seinen Spaß zu haben, und nur man selbst wird immer mißmutiger. Und so träumt man von einem Film, der seine Helden und ihre Welt ernst nimmt, statt einfach nur möglichst viel Geld auf möglichst anschauliche Weise zu verpulvern. "Batman Begins" ist so ein Film. Aber er nimmt seinen Helden so ernst, daß fast alles auf der Strecke bleibt, was Spaß machen könnte. Und das ist zur Abwechslung keine Altersfrage.
Batman ist eine Comicfigur aus dem Jahr 1939, die in den Sechzigern in einer Fernsehserie zum Pop-Ulk verkommen war, ehe sie von dem Comiczeichner Frank Miller in den Achtzigern runderneuert wurde. Millers Stil inspirierte zwei Filme, die von dem Phantasten Tim Burton furios in Szene gesetzt wurden, und zwei weitere von dem Konfektionär Joel Schumacher, in denen die Figur wieder verschlissen wurde. Das war 1997, und der Held war nach nur acht Jahren schon wieder reif fürs Altenteil. Nun kommt Christopher Nolan und versucht, den Fall Batman neu aufzurollen. Woran man auch sieht, daß in Hollywood die Ideen - oder der Mut zum Risiko - mittlerweile offenbar so knapp sind, daß die Zyklen des Recyclings - und die Erinnerungsspannen - immer noch kürzer werden.
Dazu paßt es, daß sich Nolan als Regisseur vor allem durch "Memento" einen Namen gemacht hat, den Thriller, in dem der Held an Gedächtnisverlust leidet. Vor allem aber faszinierte der Film dadurch, daß er seine Geschichte konsequent rückwärts erzählte und vom Ende auf den Anfang geschlossen werden mußte. In "Batman Begins" stand er vor derselben Aufgabe und mußte mit seinem Drehbuchautor David S. Goyer aus dem, was man über Batman weiß, darauf schließen, wie er wurde, was er ist. Was bringt einen Mann, dem es an nichts mangelt, dazu, nächtens im Fledermauskostüm auf Rachefeldzug gegen das Verbrechen zu gehen?
Schlagen Sie nach bei Sigmund Freud: Als kleiner Junge fällt Bruce Wayne beim Spielen auf dem Familienanwesen in einen stillgelegten Brunnenschacht und schreckt eine Schar Fledermäuse auf, die ihm um die Ohren flattern und ihm den Schreck seines Lebens verpassen. Weil ihm bei einem Theaterbesuch mit seinen Eltern dieses Bild wieder vor Augen steht, müssen sie noch während der Vorführung den Saal durch einen Seitenausgang verlassen und landen in einer dunklen Gasse, wo die Eltern überfallen und erschossen werden. Seither wird Bruce Wayne von dem Schuldgefühl gequält, für den Tod der Eltern verantwortlich zu sein, weil er Angst vor Fledermäusen hatte. Jahre später bekommt er als junger Mann den Rat, die Angst sei nur zu besiegen, indem er sich in sie verwandle. Was klingt wie eine jener fernöstlichen Weisheiten von Sun Tzu, mit denen amerikanische Manager ihr Abendgebet beschließen, begründet hier die Evolutionsgeschichte der menschlichen Fledermaus: "To conquer fear you must become fear."
Es dauert schätzungsweise eine knappe Stunde, bis Nolan das Freudsche Drei-Instanzen-Modell als psychologisches Sicherheitsnetz aufgespannt hat, über dem Bruce Waynes Ich, Es und Über-Ich ihren selbstquälerischen Drahtseilakt aufführen können. Dazu muß Wayne bei einem dubiosen Motivationstrainer (Liam Neeson) im Himalaja in die Lehre gehen und sich von einem sinistren Asiaten (Ken Watanabe) in jenen fernöstlichen Kampftechniken ausbilden lassen, ohne die Hollywood das Böse in der Welt offenbar nicht mehr bekämpfen zu können glaubt; des weiteren muß er von seiner Jugendliebe (Katie Holmes) sitzengelassen, vom neuen Chef (Rutger Hauer) im elterlichen Unternehmen gedemütigt, von einem ruhiggestellten Wissenschaftler (Morgan Freeman) ausgerüstet und vom alten Butler (Michael Caine) wieder auf Spur gebracht werden - dann endlich kann er in bewährter Silhouette über der nächtlichen Stadt kauern und an der Schlechtigkeit der Welt leiden. Man könnte sagen, daß man bis zu diesem Zeitpunkt zwar viele Fledermäuse, aber wenig Batman fürs Geld bekommen hat.
Christian Bale, der sich gerade noch für "Der Maschinist" buchstäblich zum Skelett heruntergehungert hatte, war zuvor der Held in der Verfilmung von "American Psycho", der kurioserweise Bateman heißt. Auch zu Batman würde dieser Titel nicht schlecht passen, denn der Flattermann leidet wie jeder Psychopath an Persönlichkeits-, Anpassungs- und Bindungsstörungen. Bale füllt das Kostüm nicht schlechter aus als seine Vorgänger Michael Keaton, Val Kilmer und George Clooney, aber auch er nimmt die Sache so bitter ernst, daß für jene Ironie kein Platz mehr bleibt, die jeder Superheld braucht, wenn man an ihn glauben soll. So führt ausgerechnet die Tatsache, daß "Batman Begins" klüger sein will als der übliche Superheldenfilm, dazu, daß der Held am Ende irgendwie dumm dasteht.
MICHAEL ALTHEN
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Christopher Nolans "Batman Begins" versucht klüger zu sein als der übliche Superheldenfilm - und steht am Ende doch irgendwie dumm da
Wenn man ehrlich ist, dann läßt sich irgendwann der Eindruck nicht mehr leugnen, die großen Sommerfilme aus Hollywood würden von Jahr zu Jahr immer dümmer. Das ist vor allem deswegen ein unerfreuliches Gefühl, weil es mit dem Verdacht einhergeht, das eigene Alter sei daran nicht ganz unschuldig. Denn schließlich scheint das jugendliche Zielpublikum unverändert seinen Spaß zu haben, und nur man selbst wird immer mißmutiger. Und so träumt man von einem Film, der seine Helden und ihre Welt ernst nimmt, statt einfach nur möglichst viel Geld auf möglichst anschauliche Weise zu verpulvern. "Batman Begins" ist so ein Film. Aber er nimmt seinen Helden so ernst, daß fast alles auf der Strecke bleibt, was Spaß machen könnte. Und das ist zur Abwechslung keine Altersfrage.
Batman ist eine Comicfigur aus dem Jahr 1939, die in den Sechzigern in einer Fernsehserie zum Pop-Ulk verkommen war, ehe sie von dem Comiczeichner Frank Miller in den Achtzigern runderneuert wurde. Millers Stil inspirierte zwei Filme, die von dem Phantasten Tim Burton furios in Szene gesetzt wurden, und zwei weitere von dem Konfektionär Joel Schumacher, in denen die Figur wieder verschlissen wurde. Das war 1997, und der Held war nach nur acht Jahren schon wieder reif fürs Altenteil. Nun kommt Christopher Nolan und versucht, den Fall Batman neu aufzurollen. Woran man auch sieht, daß in Hollywood die Ideen - oder der Mut zum Risiko - mittlerweile offenbar so knapp sind, daß die Zyklen des Recyclings - und die Erinnerungsspannen - immer noch kürzer werden.
Dazu paßt es, daß sich Nolan als Regisseur vor allem durch "Memento" einen Namen gemacht hat, den Thriller, in dem der Held an Gedächtnisverlust leidet. Vor allem aber faszinierte der Film dadurch, daß er seine Geschichte konsequent rückwärts erzählte und vom Ende auf den Anfang geschlossen werden mußte. In "Batman Begins" stand er vor derselben Aufgabe und mußte mit seinem Drehbuchautor David S. Goyer aus dem, was man über Batman weiß, darauf schließen, wie er wurde, was er ist. Was bringt einen Mann, dem es an nichts mangelt, dazu, nächtens im Fledermauskostüm auf Rachefeldzug gegen das Verbrechen zu gehen?
Schlagen Sie nach bei Sigmund Freud: Als kleiner Junge fällt Bruce Wayne beim Spielen auf dem Familienanwesen in einen stillgelegten Brunnenschacht und schreckt eine Schar Fledermäuse auf, die ihm um die Ohren flattern und ihm den Schreck seines Lebens verpassen. Weil ihm bei einem Theaterbesuch mit seinen Eltern dieses Bild wieder vor Augen steht, müssen sie noch während der Vorführung den Saal durch einen Seitenausgang verlassen und landen in einer dunklen Gasse, wo die Eltern überfallen und erschossen werden. Seither wird Bruce Wayne von dem Schuldgefühl gequält, für den Tod der Eltern verantwortlich zu sein, weil er Angst vor Fledermäusen hatte. Jahre später bekommt er als junger Mann den Rat, die Angst sei nur zu besiegen, indem er sich in sie verwandle. Was klingt wie eine jener fernöstlichen Weisheiten von Sun Tzu, mit denen amerikanische Manager ihr Abendgebet beschließen, begründet hier die Evolutionsgeschichte der menschlichen Fledermaus: "To conquer fear you must become fear."
Es dauert schätzungsweise eine knappe Stunde, bis Nolan das Freudsche Drei-Instanzen-Modell als psychologisches Sicherheitsnetz aufgespannt hat, über dem Bruce Waynes Ich, Es und Über-Ich ihren selbstquälerischen Drahtseilakt aufführen können. Dazu muß Wayne bei einem dubiosen Motivationstrainer (Liam Neeson) im Himalaja in die Lehre gehen und sich von einem sinistren Asiaten (Ken Watanabe) in jenen fernöstlichen Kampftechniken ausbilden lassen, ohne die Hollywood das Böse in der Welt offenbar nicht mehr bekämpfen zu können glaubt; des weiteren muß er von seiner Jugendliebe (Katie Holmes) sitzengelassen, vom neuen Chef (Rutger Hauer) im elterlichen Unternehmen gedemütigt, von einem ruhiggestellten Wissenschaftler (Morgan Freeman) ausgerüstet und vom alten Butler (Michael Caine) wieder auf Spur gebracht werden - dann endlich kann er in bewährter Silhouette über der nächtlichen Stadt kauern und an der Schlechtigkeit der Welt leiden. Man könnte sagen, daß man bis zu diesem Zeitpunkt zwar viele Fledermäuse, aber wenig Batman fürs Geld bekommen hat.
Christian Bale, der sich gerade noch für "Der Maschinist" buchstäblich zum Skelett heruntergehungert hatte, war zuvor der Held in der Verfilmung von "American Psycho", der kurioserweise Bateman heißt. Auch zu Batman würde dieser Titel nicht schlecht passen, denn der Flattermann leidet wie jeder Psychopath an Persönlichkeits-, Anpassungs- und Bindungsstörungen. Bale füllt das Kostüm nicht schlechter aus als seine Vorgänger Michael Keaton, Val Kilmer und George Clooney, aber auch er nimmt die Sache so bitter ernst, daß für jene Ironie kein Platz mehr bleibt, die jeder Superheld braucht, wenn man an ihn glauben soll. So führt ausgerechnet die Tatsache, daß "Batman Begins" klüger sein will als der übliche Superheldenfilm, dazu, daß der Held am Ende irgendwie dumm dasteht.
MICHAEL ALTHEN
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