Bildformat: 1.85:1 anamorph Widescreen Sprachen (Tonformat): Deutsch, Englisch, Französisch (Dolby Digital 5.1) Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Holländisch Ländercode: 2 Extras: Original-Kino-Trailer, TV-Spots, American Arts & Culture präsentiert: John Horatio Malkovich, Dance and Despair & Dissillusioniert, Interview mit Spike Jonze, Featurette 'Orientierung 7. Stock', Spikes Foto-Album, Biographien der Darsteller und Filmemacher
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - TV-Spots - American Arts & Culture präsentiert: John Horatio Malkovich - Dance and Despair & Disillusionment - Interview mit Spike Jonze - Featurette "Orientierung 7. Stock" - Spikes Foto-Album - Biographien der Darsteller und FilmemacherFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.05.2000Im Zwischengeschoss des Absurden
Reise ins fremde Ich als Einstieg ins eigene: Spike Jonzes Filmkomödie "Being John Malkovich"
Wenn er sich aussuchen könnte, als was er wiedergeboren würde, dann am liebsten als die Fingerspitzen von Warren Beatty, hat Woody Allen einmal gesagt - ein erotischer Traum, der gerade deshalb angenehm berührt, weil er mit so viel Fingerspitzengefühl formuliert wurde. Selbst ein Star träumt bisweilen davon, in der Haut eines anderen Stars zu stecken. Die normalen Menschen stehen Schlange: In dem Film "Being John Malkovich" warten sie voller Ungeduld auf eine Individualreise der besonderen Art. In einem Bürogebäude tut sich in einer Wand ein Loch auf. Wer hineinklettert, rast durch einen Tunnel und landet schließlich im Körper von John Malkovich. Nach wenigen Minuten ist das Leben im Fremdkörper vorbei, und man stürzt Kilometer entfernt in der Nähe eines Highways wieder auf den Boden der Tatsachen.
Immer mehr Menschen wollen die Reise ins Ich des Stars antreten. Malkovich fühlt sich zunehmend unwohl in seiner Haut und guckt betreten. Er zieht die Gardinen in seiner Wohnung zu, weil er das Gefühl hat, beobachtet zu werden. Das Gefühl ist richtig, doch die Richtung ist falsch, denn die Voyeure betrachten ihn mit seinen eigenen Augen. Dann will er wissen, was in ihm steckt. Besessen von dem Gedanken herauszufinden, wer von ihm Besitz ergreift, stößt er schließlich in dem Hochhaus auf die Schlange und fragt die Wartenden, was sie dort wollen. Er erfährt, dass sie allesamt potentielle ungebetene Gäste sind, die in ihn eintreten wollen, ohne anzuklopfen. Also eilt er nach vorn, wird aber sofort zurückgehalten: Vordrängeln gilt nicht. Malkovich soll warten, bis er in Malkovich darf.
Seit vielen Jahren hat es Hollywood nicht gewagt, sich in einem Film so nonchalant einer absurden Ausgangsidee anzuvertrauen. Man muss fast bis zu John Patrick Shanleys brillanter, wenngleich kommerziell gescheiterter Komödie "Joe gegen den Vulkan" von 1990 zurückgehen, in der Tom Hanks in einen Vulkan springen soll, weil die Götter eines Südseevolkes nur durch ein Menschenopfer gnädig gestimmt werden können. Wie dort kann man auch hier das Wort "kafkaesk" in den Mund nehmen, ohne dabei einen schlechten Beigeschmack zu verspüren. Der Film "Being John Malkovich" tut so, als wäre alles, was wir sehen, ganz normal. Dabei stellt er unsere Welt aber so gründlich auf den Kopf, dass wir manchmal nicht mehr wissen, ob wir uns unter oder über der Gürtellinie befinden: Ist eine Frau, die im Körper eines Mannes mit einer anderen Frau schläft, lesbisch? Oder bisexuell? Schwer zu sagen. In jedem Fall werden wir Zeugen eines ausgesprochen flotten Dreiers.
Dieser Film, geschrieben von Charlie Kaufman und inszeniert von Spike Jonze, der als Regisseur von Musikclips und Werbespots auf sich aufmerksam machte, könnte - zum Beispiel - nicht "Being Tom Hanks" heißen. Gerade die Eitelkeit, die Malkovich mit bewundernswerter Selbstironie ausstellt, ohne zu übertreiben, so dass sie jederzeit authentisch wirkt, macht den Witz vieler Szenen aus. Man glaubt sofort, dass sich Malkovich in seinem Privatleben dauernd im Spiegel betrachtet - und genau diese Blicke braucht der Film, um den Star von innen heraus ins Auge zu fassen. Malkovichs stets sinister erscheinendes Wesen macht es zu einem besonderen Vergnügen, ihn zu erkunden: Einem wie ihm ist alles zuzutrauen. In ihn einzudringen verspricht einen Abenteuerurlaub, ein Spiel mit dem von der Leine gelassenen inneren Schweinehund. Tom Hanks hätte nur eine Pauschalreise ins Gute anzubieten.
Held des Films ist der von John Cusack verkörperte Marionettenspieler Craig Schwartz, der so aussieht, als würde er sich nur von Schlaftabletten ernähren, und dem es deshalb aus eigener Kraft wohl nie gelingen wird, die Puppen tanzen zu lassen. Damit alles anders wird, geht er im Anzug und mit Krawatte zu einem Vorstellungsgespräch. Er muss ins Stockwerk siebeneinhalb eines Hochhauses. Im Aufzug gibt es hierfür keinen Knopf. Während der Fahrt nach oben schlägt eine Frau plötzlich auf die Taste für den Notstopp, greift sich eine Brechstange und hebelt die Tür auf. Die Kratzspuren auf dem Metall verraten, dass dies hier ständig passiert. Craig bückt sich, steigt aus und schleicht wie alle anderen Angestellten mit eingezogenem Kopf über die Gänge. Wo die Decken nur auf halber Höhe hängen, darf sich niemand wundern, wenn es auch doppelte Wände gibt, hinter denen nicht nur ein anderes Leben, sondern das Leben eines anderen beginnt.
In ihrem Gebäude des bizarren Humors, das sich Kaufman und Jonze errichten und dessen Hausordnung als oberstes Gebot Lakonie vorschreibt, verlaufen sich die beiden nach zwei Dritteln des Films und finden wie ihr Held Craig Schwartz, der John Malkovich nicht mehr verlassen möchte, keinen Weg mehr hinaus. Was sie bis dahin einfach willkürlich gesetzt haben, wollen sie auf einmal erklären, doch sie entziehen dem Aberwitz den Boden, indem sie ihm ein rationales Fundament zu geben versuchen. Von Wirtskörpern, dem Traum ewiger Jugend und dergleichen ist plötzlich die Rede, und "Being John Malkovich" ist sich nicht zu schade, sogar Anleihen bei nur halbwegs überzeugenden Filmen wie "Cocoon" von 1985 zu machen. Kaufman und Jonze bekommen, wie es scheint, Angst vor dem schwarzen Loch in der Wand. Statt sich kopfüber hineinzustürzen, gehen sie Schritt für Schritt zurück ins Mittelmaß.
Als es Malkovich gelingt, in sich selbst zu reisen, und er sich in vielfacher Ausfertigung begegnet, überschreitet der Film jene Grenze zur Albernheit, die er bisher mit traumwandlerischer Sicherheit zu wahren wusste. Der multiple Malkovich taugt nur für die Klamotte. So leidet dieser Film, der weltweit als kleines Meisterwerk gefeiert wurde und dessen erste Hälfte tatsächlich ein weiteres Indiz dafür ist, dass wir momentan - nach "Fight Club", "American Beauty", "Magnolia" oder auch "Insider" - eine der stärksten, innovativsten Phasen des amerikanischen Kinos seit Jahrzehnten erleben, an einem Grundproblem vieler Hollywood-Produktionen: Er ist der Brillanz seiner Ausgangsidee am Ende nicht mehr gewachsen.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Reise ins fremde Ich als Einstieg ins eigene: Spike Jonzes Filmkomödie "Being John Malkovich"
Wenn er sich aussuchen könnte, als was er wiedergeboren würde, dann am liebsten als die Fingerspitzen von Warren Beatty, hat Woody Allen einmal gesagt - ein erotischer Traum, der gerade deshalb angenehm berührt, weil er mit so viel Fingerspitzengefühl formuliert wurde. Selbst ein Star träumt bisweilen davon, in der Haut eines anderen Stars zu stecken. Die normalen Menschen stehen Schlange: In dem Film "Being John Malkovich" warten sie voller Ungeduld auf eine Individualreise der besonderen Art. In einem Bürogebäude tut sich in einer Wand ein Loch auf. Wer hineinklettert, rast durch einen Tunnel und landet schließlich im Körper von John Malkovich. Nach wenigen Minuten ist das Leben im Fremdkörper vorbei, und man stürzt Kilometer entfernt in der Nähe eines Highways wieder auf den Boden der Tatsachen.
Immer mehr Menschen wollen die Reise ins Ich des Stars antreten. Malkovich fühlt sich zunehmend unwohl in seiner Haut und guckt betreten. Er zieht die Gardinen in seiner Wohnung zu, weil er das Gefühl hat, beobachtet zu werden. Das Gefühl ist richtig, doch die Richtung ist falsch, denn die Voyeure betrachten ihn mit seinen eigenen Augen. Dann will er wissen, was in ihm steckt. Besessen von dem Gedanken herauszufinden, wer von ihm Besitz ergreift, stößt er schließlich in dem Hochhaus auf die Schlange und fragt die Wartenden, was sie dort wollen. Er erfährt, dass sie allesamt potentielle ungebetene Gäste sind, die in ihn eintreten wollen, ohne anzuklopfen. Also eilt er nach vorn, wird aber sofort zurückgehalten: Vordrängeln gilt nicht. Malkovich soll warten, bis er in Malkovich darf.
Seit vielen Jahren hat es Hollywood nicht gewagt, sich in einem Film so nonchalant einer absurden Ausgangsidee anzuvertrauen. Man muss fast bis zu John Patrick Shanleys brillanter, wenngleich kommerziell gescheiterter Komödie "Joe gegen den Vulkan" von 1990 zurückgehen, in der Tom Hanks in einen Vulkan springen soll, weil die Götter eines Südseevolkes nur durch ein Menschenopfer gnädig gestimmt werden können. Wie dort kann man auch hier das Wort "kafkaesk" in den Mund nehmen, ohne dabei einen schlechten Beigeschmack zu verspüren. Der Film "Being John Malkovich" tut so, als wäre alles, was wir sehen, ganz normal. Dabei stellt er unsere Welt aber so gründlich auf den Kopf, dass wir manchmal nicht mehr wissen, ob wir uns unter oder über der Gürtellinie befinden: Ist eine Frau, die im Körper eines Mannes mit einer anderen Frau schläft, lesbisch? Oder bisexuell? Schwer zu sagen. In jedem Fall werden wir Zeugen eines ausgesprochen flotten Dreiers.
Dieser Film, geschrieben von Charlie Kaufman und inszeniert von Spike Jonze, der als Regisseur von Musikclips und Werbespots auf sich aufmerksam machte, könnte - zum Beispiel - nicht "Being Tom Hanks" heißen. Gerade die Eitelkeit, die Malkovich mit bewundernswerter Selbstironie ausstellt, ohne zu übertreiben, so dass sie jederzeit authentisch wirkt, macht den Witz vieler Szenen aus. Man glaubt sofort, dass sich Malkovich in seinem Privatleben dauernd im Spiegel betrachtet - und genau diese Blicke braucht der Film, um den Star von innen heraus ins Auge zu fassen. Malkovichs stets sinister erscheinendes Wesen macht es zu einem besonderen Vergnügen, ihn zu erkunden: Einem wie ihm ist alles zuzutrauen. In ihn einzudringen verspricht einen Abenteuerurlaub, ein Spiel mit dem von der Leine gelassenen inneren Schweinehund. Tom Hanks hätte nur eine Pauschalreise ins Gute anzubieten.
Held des Films ist der von John Cusack verkörperte Marionettenspieler Craig Schwartz, der so aussieht, als würde er sich nur von Schlaftabletten ernähren, und dem es deshalb aus eigener Kraft wohl nie gelingen wird, die Puppen tanzen zu lassen. Damit alles anders wird, geht er im Anzug und mit Krawatte zu einem Vorstellungsgespräch. Er muss ins Stockwerk siebeneinhalb eines Hochhauses. Im Aufzug gibt es hierfür keinen Knopf. Während der Fahrt nach oben schlägt eine Frau plötzlich auf die Taste für den Notstopp, greift sich eine Brechstange und hebelt die Tür auf. Die Kratzspuren auf dem Metall verraten, dass dies hier ständig passiert. Craig bückt sich, steigt aus und schleicht wie alle anderen Angestellten mit eingezogenem Kopf über die Gänge. Wo die Decken nur auf halber Höhe hängen, darf sich niemand wundern, wenn es auch doppelte Wände gibt, hinter denen nicht nur ein anderes Leben, sondern das Leben eines anderen beginnt.
In ihrem Gebäude des bizarren Humors, das sich Kaufman und Jonze errichten und dessen Hausordnung als oberstes Gebot Lakonie vorschreibt, verlaufen sich die beiden nach zwei Dritteln des Films und finden wie ihr Held Craig Schwartz, der John Malkovich nicht mehr verlassen möchte, keinen Weg mehr hinaus. Was sie bis dahin einfach willkürlich gesetzt haben, wollen sie auf einmal erklären, doch sie entziehen dem Aberwitz den Boden, indem sie ihm ein rationales Fundament zu geben versuchen. Von Wirtskörpern, dem Traum ewiger Jugend und dergleichen ist plötzlich die Rede, und "Being John Malkovich" ist sich nicht zu schade, sogar Anleihen bei nur halbwegs überzeugenden Filmen wie "Cocoon" von 1985 zu machen. Kaufman und Jonze bekommen, wie es scheint, Angst vor dem schwarzen Loch in der Wand. Statt sich kopfüber hineinzustürzen, gehen sie Schritt für Schritt zurück ins Mittelmaß.
Als es Malkovich gelingt, in sich selbst zu reisen, und er sich in vielfacher Ausfertigung begegnet, überschreitet der Film jene Grenze zur Albernheit, die er bisher mit traumwandlerischer Sicherheit zu wahren wusste. Der multiple Malkovich taugt nur für die Klamotte. So leidet dieser Film, der weltweit als kleines Meisterwerk gefeiert wurde und dessen erste Hälfte tatsächlich ein weiteres Indiz dafür ist, dass wir momentan - nach "Fight Club", "American Beauty", "Magnolia" oder auch "Insider" - eine der stärksten, innovativsten Phasen des amerikanischen Kinos seit Jahrzehnten erleben, an einem Grundproblem vieler Hollywood-Produktionen: Er ist der Brillanz seiner Ausgangsidee am Ende nicht mehr gewachsen.
LARS-OLAV BEIER
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