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Mädchen gehen mit Jungs aus - das stellt die 15-jährige Adèle zunächst nicht in Frage. Doch das ändert sich schlagartig, als sie Emma trifft. Die Künstlerin mit den blauen Haaren lässt sie ungeahnte Sehnsüchte entdecken, bringt sie dazu sich selbst zu finden, als Frau und als Erwachsene.
Bonusmaterial
- Interviews (Kechiche, Adèle, Léa) - Trailer

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Produktbeschreibung
Mädchen gehen mit Jungs aus - das stellt die 15-jährige Adèle zunächst nicht in Frage. Doch das ändert sich schlagartig, als sie Emma trifft. Die Künstlerin mit den blauen Haaren lässt sie ungeahnte Sehnsüchte entdecken, bringt sie dazu sich selbst zu finden, als Frau und als Erwachsene.

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- Interviews (Kechiche, Adèle, Léa) - Trailer
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Dem Glück so nah, dass es verschwimmt

In Cannes gewann "Blau ist eine warme Farbe" die Goldene Palme. Danach gingen die Proteste gegen den Film über eine Frauenliebe los.

Wilde Sexszenen, eine Darstellerin, die sich öffentlich über ihren tyrannischen Regisseur beschwert, Proteste von verschiedenen Seiten über unerhörte Arbeitszeiten, unkorrekte Darstellungsweisen lesbischer Liebe, verquere Blickachsen, traditionelle Körperfragmentierungen und abgestandene Beziehungsklischees, das Ganze eine einzige Sauerei, aber ausgezeichnet mit der Goldenen Palme in Cannes, wahrscheinlich als Geste einer liberalen Jury gegen die homophoben Proteste auf den französischen Straßen im Mai, die sich ihrerseits gegen die Gesetze zur Legalisierung der Homosexuellen-Ehe wendeten? Ach ja, und in Amerika kam die Frage auf, ob nicht die Tatsache, dass eine der beiden Figuren zu Beginn des Films noch gar nicht erwachsen ist, zeige, wie unverantwortlich hier mit der Darstellung von Sex mit Minderjährigen umgegangen werde, was zu verteufeln sei und in Idaho zu einem Aufführungsverbot führte - was um Himmels willen ist das für ein Film?

Er heißt für das deutsche Publikum "Blau ist eine warme Farbe" und kommt mit seiner beachtlichen Länge von drei Stunden am Donnerstag in unsere Kinos. Gedreht hat ihn Abellatif Kechiche, der Franzose tunesischer Herkunft, der vor zehn Jahren in seinem Film "L'esquive" ("Nicht ja, nicht nein") über maghrebinische Heranwachsende in einer französischen Banlieue schon verblüffend nah an seine Figuren heranging, sich in Gruppen stürzte und damit die Dynamik der Straße fühlbar machte, gerade so, wie er in "Blau ist eine warme Farbe" einen Schulhof filmt. Einige Jahre später drehte er "La graine et le mulet" (Couscous mit Fisch), einen ungeheuer sinnlichen Film über einen arbeitslosen arabischen Einwanderer, der in einer französischen Küstenstadt ein Restaurant aufmacht, was Anlass herrlicher Essensszenen ist, wieder so nah gefilmt, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Jetzt also ein Film über Sex, wie immer ganz nah dran am Geschehen, was die einen Pornographie fürchten lässt, den anderen Lust macht, sich einzumischen?

Nein. "Blau ist eine warme Farbe" ist kein Film über Sex, obwohl in ihm zwei ausgedehnte Sexszenen vorkommen, mit denen der Regisseur die Grenze zwischen den beiden Hälften dieses Films markiert. Denn im Original heißt er "La vie d'Adèle - Chapitres 1 et 2", und tatsächlich könnte der erste Teil "Leidenschaft" heißen und der zweite "Einsamkeit". In gewisser Weise gibt es eine Vorlage dazu, die Graphic Novel "Le bleu est une couleur chaude" (auf die der deutsche Titel zurückgeht) von Julie Maroh, und es soll nicht verschwiegen werden, dass auch sie sich heftig über den Film beklagte, der, wie bereits der Titel erkennbar werden lässt, sich sehr weit von seiner Vorlage entfernt.

Worum also geht es hier? Adèle (Adèle Exarchopoulos) ist ein junges Mädchen, zu Beginn eine Schülerin, die flirtet, leidenschaftlich liest (vor allem Marivaux) und isst, die in die Sonne blinzelt und der häufig die Nase läuft, noch bevor sie anfängt, Rotz und Wasser zu heulen, was auch vorkommt. Wie es ist, ganz jung zu sein, spüren wir in ihrem ungestümen Gestus allem gegenüber, was das Leben zu bieten hat. Ein Blickwechsel mit einer etwas älteren jungen Frau mit blauem Haar sieht aus wie ein Blitz in diesem Film, dem erst einmal nichts weiter folgt. Adèle geht mit einem schönen Schüler zum ersten Mal ins Bett, was wenig Eindruck auf sie macht, dann trifft sie die Frau mit dem blauen Haar wieder, zufällig, in einer Schwulenbar, in die ein Freund sie mitnimmt.

Wie die beiden ein Paar werden, ist einerseits "wunderbar französisch", könnte man sagen - sie sitzen auf einer Parkbank, zwischen ihnen tanzen die Sterne des Sonnenlichts, das sich in der Kameralinse bricht, Emma, die Malerin ist, zeichnet Adèles Porträt, sie sprechen über Bücher, die Kamera fliegt wie ein Vogel um sie herum und zwischen ihnen hin und her, so scheint es, fängt jeden Blick auf, jedes Zurückstreichen einer Haarsträhne, die Gesichter sind groß, wie überhaupt durch die Nähe der Kamera Körperteile isoliert werden und eine Landschaft aus Großaufnahmen vor uns liegt. Es wird auf Dauer ganz unerträglich. Auch wenn es wahr wäre, im Kino wollen wir es so glücklich dann doch nicht haben (oder andere Bilder vom Glück, wie sie Agnès Varda etwa geschaffen hat).

Dabei sind die Brüche eigentlich von Anfang an da. Aber Kechiche widmet ihnen erst einmal keine Aufmerksamkeit. Was erstaunlich ist, denn die Bruchstellen liegen im Sozialen, das ihn bisher immer besonders interessierte. Hier aber reduziert er die Klassenunterschiede zunächst darauf, dass in Emmas Elternhaus Austern gegessen werden, bevor die Mädels ins Bett gehen - Austern! -, und in Adèles Zuhause Spaghetti. Es ist ein Wagnis, das Kechiche hier eingeht, indem er sich vollkommen auf das Gefühl der ersten großen Liebe einlässt, und er landet im Garten des Kitschs.

Blau mag eine warme Farbe sein, hier ist sie die Farbe des Glücks, und so ist es kein Wunder, wie sie im Verlauf des Films immer seltener auftaucht. Adèle und Emma mit den blauen Haaren (Léa Seydoux), die langsam wieder blond werden, verlieren mehr und mehr die gemeinsame Sprache, die ihnen die Leidenschaft verschafft hatte. Nach einem Zeitsprung, durch den Kechiche fast unmerklich gleitet, sehen wir Adèle in ihrem Traumberuf, erst als Kindergärtnerin, dann als Lehrerin einer Grundschule. Emma hätte lieber, sie würde Schriftstellerin und Teil der Künstlerclique, in der sie selbst als Malerin ein Zuhause findet, ein Karrieresprungbrett auch. Aber "Klimt oder Schiele" ist nicht die Frage, die Adèle beschäftigt, und so geht das Paar unter Heulen und Zähneklappern auf Adèles Seite auseinander und die Zeit ihrer Einsamkeit beginnt.

Wie Kechiche diese Trennung anlegt, ist schon sehr konventionell, Emma geht zurück in eine Beziehung ohne Leidenschaft, aber mit gemeinsamen Interessen. Doch wie er Adèle an dieser Trennung fast zugrunde gehen lässt, während sie tapfer zur Arbeit geht, wie ihre Einsamkeit uns, während wir sie beim Spiel mit den Kindern in ihrer Obhut beobachten, ächzen lässt, und wie sie schließlich ganz zum Schluss einen Standpunkt findet, als sie Emma bei einer Vernissage wiedertrifft, ist die herzzerreißend wahre Konsequenz dieser Studie übers Erwachsenwerden, zu der sich der zweite Teil des Films ausweitet. Er ist im Mittelteil viel zu lang. Aber wir haben lange nicht mehr oder vielleicht überhaupt noch nie gesehen, wie sich eine junge Frau innerhalb von drei Stunden durch die erste Liebe hindurch in ein Wesen verwandelt, das vom Leben schon alles weiß. Adèle Exarchopoulos werden in Zukunft wohl die Türen mit Angeboten eingerannt werden. Léa Seydoux ist völlig zu Recht bereits auch jenseits von Frankreich ein Superstar.

Man muss "Blau ist eine warme Farbe" gegen seine kleingeistigen Gegner verteidigen. Soll man da hingehen? Unbedingt.

VERENA LUEKEN

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