Irgendwann im Wilden Westen: Der Outlaw Blount (Michael Madsen) ermordet die Freundin des US Marshalls Blueberry (Vincent Cassel) und macht sich auf ins Indianergebiet, um die Rothäute um eine reiche Goldmine zu erleichtern. Auf die Goldmine ist auch der Abenteurer Prosit (Eddie Izzard) scharf, hinter dessen lustigem Pseudonym sich der deutsche Baron Werner Amadeus von Luckner befindet. Blueberry rettet ihn vor einem aufgebrachten Lynchmob und eilt, unterstützt von einem mysteriösen Indianer (Temuera Morrison), Blount hinterher, um Rache zu üben.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / Szenenanwahl - Making Of - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Featurette - Internationaler TrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.07.2004Potz Kimme, Korn und Kollerkraut
Der Traum des Zeichners wird zum überzeichneten Albtraum: Jan Kounens Verfilmung von Jean Girauds Western-Comic "Blueberry"
Um zu verstehen, worin der Reiz einer "Blueberry"-Verfilmung liegt, genügt es nicht, zu wissen, daß die 1963 begründete Comicserie ein Meisterwerk des Genres ist, das bis heute vierzig Alben hervorgebracht hat, erstmals in Europa seine Figuren altern ließ und Auflagen erreicht hat, von denen jede andere Westernserie nur träumen konnte. Was "Blueberry" vor allem zu einem Sonderfall macht, sind seine beiden Schöpfer: Der 1990 verstorbene Jean-Michel Charlier gilt als einer der produktivsten Szenaristen, die der französischsprachige Comic hervorgebracht hat (und das will einiges heißen), und der Zeichner der Serie, Jean Giraud, ist unter seinem Pseudonym Moebius zum einflußreichsten europäischen Comic-Künstler überhaupt geworden. Als er aber mit "Blueberry" begann, war er fünfundzwanzig Jahre alt und völlig unbekannt.
Darum war Charlier in den ersten Jahren der Zusammenarbeit der bestimmende Faktor. Erst Ende der sechziger Jahre beteiligte sich auch Giraud an der Konzeption der Geschichten, und binnen kurzem wurde aus dem bis dahin eher stromlinienförmigen Leutnant Michael Donovan alias Blueberry ein ambivalenter Held, der auch auf der falschen Seite des Gesetzes zu finden sein konnte. Charlier und Giraud hatten massenweise Wildwestfilme gesehen und kannten alle Tricks: Sie ließen ihre Titelfigur in den siebziger und achtziger Jahren harte Zeiten durchleben und immer mehr an den Rand der Gesellschaft rücken. Währenddessen experimentierte Giraud mit Drogen und Sekten, deren Einflüsse er als Moebius in visionäre Bilderwelten umsetzte.
Als Charlier starb, engagierte Giraud keinen neuen Szenaristen, sondern führte die Serie in Eigenregie fort. Doch die Familie des toten Partners achtete scharf darauf, daß nicht zuviel der Vorlieben von Moebius in die Handlung einzogen. Giraud hat mehrfach von seinem Traum erzählt, eine Blueberry-Geschichte zu zeichnen, die dem Leutnant die spirituelle Erfahrung eines Drogenrauschs verschaffen sollte, doch das Veto der Charlier-Familie besteht bis heute. Gleichzeitig ist Giraud ein Kinonarr, der als einziges Versäumnis seines Lebens bedauert, nie Regie bei einem Film geführt zu haben. Der Plan, einen "Blueberry"-Film zu machen, mußte ihn begeistern.
Lange genug hat es dennoch gedauert, bis der niederländische Regisseur Jan Kounen das Projekt anging. Mit Vincent Cassel wurde ein französischer Star für die Hauptrolle verpflichtet, mit Juliette Lewis als verführerischer Barsängerin, Ernest Borgnine als Sheriff im Rollstuhl und Michael Madsen als Blueberrys Gegenspieler ist Hollywood prominent vertreten, und mit Colm Meaney als Blueberrys trinkfreudigem Gefährten Jim McClure kommt auch das europäische Autorenkino mit ins Boot. In chargierenden Nebenrollen kann man sich überdies an Regisseur Kounen und der französischen Gangsterdarstellerlegende Tchéky Karyo erfreuen. Aber alles nutzt nichts, denn Kounen glaubte, demjenigen, der von dem Film gar nicht überzeugt werden mußte, etwas Besonderes bieten zu müssen: Jean Giraud.
Und so kam der Zeichner nicht nur zu einer kaum wahrnehmbaren Winzrolle in einer Ensembleszene, sondern Kounen verwirklichte zudem Girauds Traum und schrieb gemeinsam mit zwei Co-Autoren ein Drehbuch, das Blueberry in einen psychedelischen Drogenrausch versetzt. Dadurch gelingt es dem hier als Marshall agierenden Helden zwar, seine traurige Jugend zu bewältigen, aber der immense Trickaufwand mit allerlei virtuellem Gewürm und Geschmeiß in nachgeäffter "Matrix"-Manier degradiert die Westernhandlung zu einer Psychoanalysesitzung. Daß darum herum noch eine dürftige Handlung auf der Grundlage des zweifellos besten "Blueberry"-Comics, "La mine d'allemand perdu" von 1969, gestrickt wurde, rettet nichts mehr. Denn die Stärken des Originals sind durch Mätzchen ersetzt: Statt im Sezessionskrieg wird Blueberry hier in einem Indianerstamm sozialisiert, statt abtrünniger Sproß einer reichen Virginierfamilie ist er nun Cajun-Abkömmling aus Louisiana. Das Ethnoprinzip triumphiert, aber aus einem reizvollen Projekt ist ein reizloses Produkt geworden.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Traum des Zeichners wird zum überzeichneten Albtraum: Jan Kounens Verfilmung von Jean Girauds Western-Comic "Blueberry"
Um zu verstehen, worin der Reiz einer "Blueberry"-Verfilmung liegt, genügt es nicht, zu wissen, daß die 1963 begründete Comicserie ein Meisterwerk des Genres ist, das bis heute vierzig Alben hervorgebracht hat, erstmals in Europa seine Figuren altern ließ und Auflagen erreicht hat, von denen jede andere Westernserie nur träumen konnte. Was "Blueberry" vor allem zu einem Sonderfall macht, sind seine beiden Schöpfer: Der 1990 verstorbene Jean-Michel Charlier gilt als einer der produktivsten Szenaristen, die der französischsprachige Comic hervorgebracht hat (und das will einiges heißen), und der Zeichner der Serie, Jean Giraud, ist unter seinem Pseudonym Moebius zum einflußreichsten europäischen Comic-Künstler überhaupt geworden. Als er aber mit "Blueberry" begann, war er fünfundzwanzig Jahre alt und völlig unbekannt.
Darum war Charlier in den ersten Jahren der Zusammenarbeit der bestimmende Faktor. Erst Ende der sechziger Jahre beteiligte sich auch Giraud an der Konzeption der Geschichten, und binnen kurzem wurde aus dem bis dahin eher stromlinienförmigen Leutnant Michael Donovan alias Blueberry ein ambivalenter Held, der auch auf der falschen Seite des Gesetzes zu finden sein konnte. Charlier und Giraud hatten massenweise Wildwestfilme gesehen und kannten alle Tricks: Sie ließen ihre Titelfigur in den siebziger und achtziger Jahren harte Zeiten durchleben und immer mehr an den Rand der Gesellschaft rücken. Währenddessen experimentierte Giraud mit Drogen und Sekten, deren Einflüsse er als Moebius in visionäre Bilderwelten umsetzte.
Als Charlier starb, engagierte Giraud keinen neuen Szenaristen, sondern führte die Serie in Eigenregie fort. Doch die Familie des toten Partners achtete scharf darauf, daß nicht zuviel der Vorlieben von Moebius in die Handlung einzogen. Giraud hat mehrfach von seinem Traum erzählt, eine Blueberry-Geschichte zu zeichnen, die dem Leutnant die spirituelle Erfahrung eines Drogenrauschs verschaffen sollte, doch das Veto der Charlier-Familie besteht bis heute. Gleichzeitig ist Giraud ein Kinonarr, der als einziges Versäumnis seines Lebens bedauert, nie Regie bei einem Film geführt zu haben. Der Plan, einen "Blueberry"-Film zu machen, mußte ihn begeistern.
Lange genug hat es dennoch gedauert, bis der niederländische Regisseur Jan Kounen das Projekt anging. Mit Vincent Cassel wurde ein französischer Star für die Hauptrolle verpflichtet, mit Juliette Lewis als verführerischer Barsängerin, Ernest Borgnine als Sheriff im Rollstuhl und Michael Madsen als Blueberrys Gegenspieler ist Hollywood prominent vertreten, und mit Colm Meaney als Blueberrys trinkfreudigem Gefährten Jim McClure kommt auch das europäische Autorenkino mit ins Boot. In chargierenden Nebenrollen kann man sich überdies an Regisseur Kounen und der französischen Gangsterdarstellerlegende Tchéky Karyo erfreuen. Aber alles nutzt nichts, denn Kounen glaubte, demjenigen, der von dem Film gar nicht überzeugt werden mußte, etwas Besonderes bieten zu müssen: Jean Giraud.
Und so kam der Zeichner nicht nur zu einer kaum wahrnehmbaren Winzrolle in einer Ensembleszene, sondern Kounen verwirklichte zudem Girauds Traum und schrieb gemeinsam mit zwei Co-Autoren ein Drehbuch, das Blueberry in einen psychedelischen Drogenrausch versetzt. Dadurch gelingt es dem hier als Marshall agierenden Helden zwar, seine traurige Jugend zu bewältigen, aber der immense Trickaufwand mit allerlei virtuellem Gewürm und Geschmeiß in nachgeäffter "Matrix"-Manier degradiert die Westernhandlung zu einer Psychoanalysesitzung. Daß darum herum noch eine dürftige Handlung auf der Grundlage des zweifellos besten "Blueberry"-Comics, "La mine d'allemand perdu" von 1969, gestrickt wurde, rettet nichts mehr. Denn die Stärken des Originals sind durch Mätzchen ersetzt: Statt im Sezessionskrieg wird Blueberry hier in einem Indianerstamm sozialisiert, statt abtrünniger Sproß einer reichen Virginierfamilie ist er nun Cajun-Abkömmling aus Louisiana. Das Ethnoprinzip triumphiert, aber aus einem reizvollen Projekt ist ein reizloses Produkt geworden.
ANDREAS PLATTHAUS
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