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"Der Morgen des 20. April 1999 sieht nach einem ganz normalen Tag in Amerika aus. Farmer bestellen ihre Felder, Milchmänner liefern Milchflaschen aus, der Präsident lässt Bomben über einem Land abwerfen, dessen Namen wir nicht einmal aussprechen können" (O-Ton) - und Dylan Klebold und Eric Harris, zwei Jungs in Littleton, Colorado, gehen zu ihrem Bowlingkurs. Was keiner ahnt: Die beiden bowlenden Jugendlichen werden wenige Stunden später das Columbine Highschool Massaker verüben, in dessen blutigem Verlauf 12 Schüler und ein Lehrer den Tod finden und viele Kinder und Jugendliche schwer…mehr

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Produktbeschreibung
"Der Morgen des 20. April 1999 sieht nach einem ganz normalen Tag in Amerika aus. Farmer bestellen ihre Felder, Milchmänner liefern Milchflaschen aus, der Präsident lässt Bomben über einem Land abwerfen, dessen Namen wir nicht einmal aussprechen können" (O-Ton) - und Dylan Klebold und Eric Harris, zwei Jungs in Littleton, Colorado, gehen zu ihrem Bowlingkurs. Was keiner ahnt: Die beiden bowlenden Jugendlichen werden wenige Stunden später das Columbine Highschool Massaker verüben, in dessen blutigem Verlauf 12 Schüler und ein Lehrer den Tod finden und viele Kinder und Jugendliche schwer verletzt werden. Wie eine ironische Spiegelung des Schicksals wirkt der Umstand, dass an diesem Tag die USA ihren stärksten Bombenangriff auf dem Kosovo fliegt. Mit lakonischem Zynismus und beißendem Witz geht Regisseur Moore in BOWLING FOR COLUMBINE auf eine wahnwitzige Reise in das Herz Amerikas. So lässt er zwei Opfer von Littleton - einer querschnittsgelähmt, der andere invalide mit einer inoperablen Kugel in Aortanähe - in einem symbolischen Akt die in ihren Körpern steckenden Kugeln an die Supermarktkette K-Mart zurückgeben, wo die Täter ihre Munition kauften und konfrontiert Hollywood Ikone und Waffenaktivist Charlton Heston, den Vorsitzenden der NRA (National Rifle Association) mit dem Bild eines sechsjährigen Mädchens, das von einem gleichaltrigen Mitschüler erschossen wurde. Michael Moore porträtiert mit bewegender Emotionalität und mitunter feuilletonistischen Volten voll absurder Komik eine Nation zwischen Waffenfetischismus und angstbesetzter Paranoia. Ein Volk mit dem Colt im Anschlag für die permanente Selbstverteidigung. Besonders im Kielwasser des 11. September ist BOWLING FOR COLUMBINE ein mutiger Film. Denn Amerikas führender Satiriker und sozialkritischer Dokumentarist stellt eine simple Frage, die sich kein Amerikaner in diesen von Patriotismus geprägten Zeiten zu fragen traut: "Sind wir verrückt nach Waffen - oder sind wir nur verrückt?"
Autorenporträt
Michael Moore, geboren 1954 in Flint/Michigan, arbeitet als Regisseur, Fernsehmoderator und Schriftsteller. Bekannt geworden durch Dokumentarfilme - "Bowling for Columbine" wurde 2003 mit dem Oscar als bester Dokumentarfilm ausgezeichnet. Buchveröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2002

So weit die Schüsse tragen
Michael Moores Dokumentarfilm über die Waffenliebe der Amerikaner: "Bowling for Columbine"

Auch wir hatten unser Columbine. Auch bei uns gab es Politiker, die mit Fingern auf Rockmusik, Videospiele und Gewaltfilme zeigten, als die Bluttat geschehen war. Journalisten, die sich für die Sünden der Popkultur entschuldigten. Kirchenleute, die von Verführung der Jugend sprachen. Waffenhändler, die sich keiner Schuld bewußt waren. Und Schützenvereine, die sich auf ihre Traditionen beriefen. Auch wir hatten unser Columbine - es hieß Erfurt. Aber wir haben keinen Michael Moore.

Moore ist seit seinem Regiedebüt "Roger & Me" (1989) so etwas wie die Nemesis des amerikanischen Großkapitals. Wo immer ein Konzern zwischen Miami und Seattle Fabrikschließungen und Massenentlassungen plant, muß er damit rechnen, vor Moores Kamera zu geraten. Dabei kocht der Dokumentarist Moore, darin Hollywood nicht gar unähnlich, jedes allgemeine volkswirtschaftliche Problem zu einem persönlichen Zweikampf ein. In "Roger & Me" heftete er sich an die Fersen des General-Motors-Chefs Roger Smith, um von ihm Rechenschaft über den traurigen Niedergang von Flint/Michigan zu erhalten, einer kleinen Industrievorstadt von Detroit, in der Moore 1954 geboren wurde. Sein nächstes größeres Filmprojekt, "The Big One" (1997), aufgehängt an einer Lesetour zu Moores antikorporativer Kampfschrift "Downsize This!", gipfelte in einem Duell mit Phil Knight, dem damaligen C.E.O. der Firma Nike. Inzwischen ist Moore als Buchautor ebenso erfolgreich wie als Regisseur: "Stupid White Men", seine neueste Philippika, führte im Sommer die Bestsellerlisten an, während "Bowling for Columbine", in Cannes mit einem Spezialpreis ausgezeichnet, seit seinem Kinostart Ende Oktober so viel Geld eingespielt hat wie kein anderer Dokumentarfilm nach "Roger & Me".

Moores Filme sind Feldzüge: gegen die Macht, den Reichtum und die Politik, für die Rechte des Mannes auf der Straße, des Arbeiters, des Wählers. Das Sturmgeschütz, das Moore dabei mitführt, ist seine Kamera, und die dickste Kugel, die es abfeuert, ist er selbst. Mit seinem birnenförmigen Körper, den schlabbernden Hosen über dem Schlußverkaufs-T-Shirt und der Baseballkappe auf dem zerdrückten Haarschopf ist Moore der Albtraum jedes leitenden Angestellten, und diesen Umstand nutzt er weidlich aus. Auf dem Höhepunkt von "Bowling for Columbine" geht der Regisseur mit zwei Überlebenden des Massakers von Littleton, Colorado, das den Angelpunkt seiner Recherche bildet, in die Zentrale der Supermarktkette K-Mart. Bei K-Mart hatten die beiden jugendlichen Amokläufer Eric Harris und Dylan Klebold einen Teil der Munition gekauft, mit der sie im April 1999 an der Columbine Highschool in Littleton zwölf ihrer Mitschüler und einen Lehrer erschossen.

Moore und die zwei Opfer, eins von ihnen querschnittsgelähmt, verlangen Genugtuung. Sie beißen sich in der Eingangshalle des Firmengebäudes fest, weisen Tröstungsversuche ab, bekommen schließlich einen Termin für den nächsten Tag. Als sie mit einer Eskorte von Fernsehteams zu der Verabredung erscheinen, ist der Widerstand von K-Mart gebrochen. Eine Firmensprecherin gibt bekannt, der Munitionsverkauf werde innerhalb weniger Tage eingestellt. "Das ist mehr, als wir erwartet haben", ruft Moore triumphierend in die Kamera, und die Tatsache, daß er diese Szene nicht nur gedreht, sondern auch in den fertigen Film hineinmontiert hat, sagt mehr über die Motive seiner Arbeit als jede kritische Analyse. Der positive Held von Moores Kino, das ist er selbst, Mister John Doe als Bärentöter und Bluffalo Bill, der die bunten Lügen des Big Business in Stücke schießt.

In "Bowling for Columbine" ist aber nun der Feind, anders als sonst bei Moore, diffus. Das macht den Reiz und die Schwäche des Films aus. Es geht gegen die Waffenlobby, einerseits; aber haben nicht die Kanadier ebensoviele Waffen im Haus? Und doch töten sie einander nicht. Also geht es gegen die Medien. Pumpen Sie uns nicht Abend für Abend mit Angstszenarien voll? Und fast immer ist der böse Mann ein Schwarzer. Gleichwohl hat ausgerechnet in Flint/Michigan ein sechsjähriger farbiger Schüler seine Mitschülerin erschossen. Was aber wäre passiert, wenn seine Mutter, statt an einem offenkundig sinnlosen Arbeitsbeschaffungsprogramm teilzunehmen, besser auf ihn hätte aufpassen können? Also geht es gegen die Regierung. Und dann, plötzlich, hört Moores Film auf zu denken.

Er kann gar nicht anders. Denn wie jede Höllenmaschine würde sich auch "Bowling for Columbine" durch Reflexion vorzeitig zur Explosion bringen; der Film braucht aber ein Ziel, auf das er seine Bilder abfeuern kann. In all seinen Gesprächspartnern, dem Musiker Marilyn Manson, dem "South Park"-Zeichner Matt Stone, in Terry McVeigh, dem Bruder des Oklahoma-Attentäters, und vielen anderen hat Moore mindestens eine menschliche Seite entdeckt; in Charlton Heston, dem allerdings unsympathischen Vorsitzenden der National Rifle Association, will er sie nicht sehen. Und so bringt er Heston zur Strecke, mit Fragen, die dieser nicht beantworten kann, und dem Bild eines toten Mädchens. Man bekommt Mitleid mit dem stammelnden Greis, der einmal Ben Hur war, und in dieser Reaktion liegt der Bankrott von Moores Strategie. Denn der Film will ja Gefühle erzeugen mit seinen rasenden Schnittfolgen, den aus der Hüfte geschossenen Pointen, den Syllogismen in Wildwestmanier. Nur dieses nicht! Aber selbst ein Dokumentarist wie Moore hat eine Grenze, an der seine Macht endet: unsere Augen.

Auch wir hatten Columbine. Aber wir haben keinen Michael Moore. Und vielleicht brauchen wir ihn auch gar nicht. Dieser Film genügt.

ANDREAS KILB

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