"Bridget Jones: Schokolade zum Frühstück": Liebenswert und außergewöhnlich originell! Zu Beginn des neuen Jahres beschließt die 32jährige Bridget Jones, dass es höchste Zeit ist, ihr Leben in den Griff zu bekommen - und fängt an Tagebuch zu führen. Auf einmal ist die provokanteste, erotischste und amüsanteste Lektüre auf ihrem Nachttisch das Buch, das sie selbst schreibt. Dank ihrer Abenteuerlust und eigenwilligen Ansichten zu so gut wie jedem Thema - sei es Männer, Essen oder Sex - wendet sich das Blatt, und ein ganz neues Kapitel in ihrem Leben beginnt. "Bridget Jones: Am Rande des Wahnsinns": 71 Mal Sex. 6 prickelnde Wochen. Und ein tadelloser Mann. Bridget Jones (Renée Zellweger) hat in dem Anwalt Marc Darcy (Colin Firth) endlich den Richtigen gefunden. Doch jetzt sieht sich die Mitdreißigerin vor eine noch größere Herausforderung gestellt: diesen auch zu halten! Als ihre Selbstzweifel zurückkehren und mit ihnen ihr Exlover, Frauenschwarm Daniel Cleaver (Hugh Grant), verstrickt sich Bridget in ein turbulentes Durcheinander aus schlechten Ratschlägen, dummen Missverständnissen und völligen Katastrophen. Typisch Bridget, eben. Peinliche Situationen und romantische Irrtümer: Leiden Sie zusammen mit Bridget Jones und vergießen Sie Tränen - vor Lachen! Ein Wohlfühl-Film, den man wieder und wieder sehen möchte.
Bonusmaterial
- Kinotrailer - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - Interviews - Audio-Kommentar - Hinter den Kulissen - Entfallene Szenen - Musikvideos von Gabrielle und Shelby Lynne - Original Zeitungs-Kolumne "Bridget Jones' Diary" auf Texttafeln - Audiokommentar der Regisseurin Beeban Kidron - SpecialsFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.1997Raub von Macht und Reichtum
Der Schmerz, der weitertreibt: Neue Filmkunst kaukasischer Länder in Cottbus
"Der jähe Übergang vom wilden Kaukasus zum lieblichen Georgien ist herrlich; plötzlich weht die Luft des Südens dem Reisenden entgegen", notierte Alexander Puschkin, als er 1829 den gegen den türkischen Feind kämpfenden russischen Truppen nach Erzerum nachreiste. Das "liebliche Georgien" hat seitdem immer wieder die Phantasie nicht allein russischer Dichter entzündet. In der Vorstellung von Filmfreunden mutierte das vom Gipfel des Kasbek bis zur abchasischen Schwarzmeerküste reichende Land zu einem Paradies, wo nicht nur von Stalin geschätzte Weinsorten reifen, sondern wo seit den siebziger Jahren auch die kühnsten und zugleich schönsten Filmattacken gegen den erstarrten Sowjetsozialismus geritten wurden. Stellten Georgi und Eldar Schangelaja, Tengis Abuladze und Rezo Tscheidze in Deutschland - sei es Ost oder West - ein neues Werk vor, durften sie sich eines schon im voraus begeisterten Publikums sicher sein.
Sie wie auch der berühmte Sergej Para dschanov, der mal in Georgien, mal im benachbarten Armenien seine gleichnishaften Miniaturen schuf, galten nebst einigen russischen Regisseuren als Propheten eines freiheitlichen Denkens. Niemanden überraschte es, daß das Hauptwerk der Perestrojka im Film, Tengis Abuladzes großes Traumbild vom Tyrannensturz "Die Reue", ausgerechnet in Tiflis (Tbilissi) unter der schützenden Hand Schewardnadses geschaffen wurde. Dieser an bitteren Szenen reiche Film, der von der ostdeutschen Parteipresse einst mit beispielloser Wut angegriffen wurde, barg in seinem weichen Stil die Botschaft von Frieden und aufrichtiger Versöhnung. Kaum ein Außenstehender hätte darauf kommen können, daß in naher Zukunft Georgier gegen Georgier kämpfen und der Unfrieden des Mittelalters mit seinen verfeindeten Familien wiederkehren würde.
Der dieser Tage vom "Festival des jungen osteuropäischen Films" in Cottbus veranstaltete Überblick über die Filmkunst in den Ländern des Kaukasus galt zwar der Zeit seit dem Erlangen der Unabhängigkeit in Georgien, Armenien und Aserbaidschan, erlaubte jedoch auch einige kleine Rückblicke. 1981 entstand an der Filmhochschule Tiflis ein halbstündiger Kurzfilm mit dem unverfänglichen Titel "Quasimodo". Die jungen Regisseure Levan Eristavi und Dito Tzintzadze ließen darin die tradierte Figur des Nichtsnutzes zu einem Lehrer avancieren, der unter den Gymnasiasten viel, bei der Schulbehörde dagegen keinerlei Freude auslöst. Als man ihn, der auch bei seiner Frau schon entlassen ist, hinauswirft, postiert sich der bisher von niemandem ernst genommene, dickliche Mann mit einem Jagdgewehr auf der Straße. Können aus Taugenichtsen in Georgien Briganten werden?
Niemand mochte in dieser Geschichte damals ein Signal sehen. Heute scheint es, nichts sei selbstverständlicher, als in Georgien von einem Augenblick zum anderen ein Gewehr in die Hand zu nehmen und zu schießen. Spätestens mit dem Kampf um die Unabhängigkeit brachen die Schutzdämme. 1991 entstand Levan Kitijas ebenso kurzer Film "Die Kreuzung". Er spielt innerhalb einer Nacht auf den Gassen der Tifliser Altstadt, über die im Sommer 1989 der Ausnahmezustand verhängt ist. Ein junger Musiker eilt, allen Warnungen zum Trotz, aus den Armen der Geliebten nach Hause. Fahrzeuge der sowjetischen Sondereinheit rasen an ihm vorbei. Schüsse fallen, und ohne daß der Mann selbst ein Gewehr in die Hand nimmt, wird seine Hand doch blutig, weil ein Verletzter sich an ihn geklammert hat. Die Warnung war deutlich genug. Doch bei Begegnungen mit klar definierten Feinden und ihren Opfern sollte es nicht bleiben.
1993 stellte Dito Tzintzadze in Locarno seinen ersten langen Spielfilm, "Am Rande", vor und gewann damit einen Silbernen Leoparden. Wieder will ein junger Mann mit der Politik nichts zu tun haben. Zwischen seiner von ihm geschiedenen Frau, der lebenslustigen Freundin und diversen Verabredungen kreuzt er mit dem Wagen durch die Stadt, passiert Kontrollen der Bürgerkriegsparteien, begegnet einigen zum Kommandeur auf- oder abgestiegenen Intellektuellen, wird auch einmal für kurze Zeit arretiert. Alles Erlebte scheint ihn zu dem Schluß zu führen, er müsse diesem Chaos den Rücken kehren. Doch in letzter Minute steigt er wieder aus dem Zug, fährt zum erstbesten Bürgertrupp, läßt sich eine Kalaschnikow aushändigen und schießt, anders als der nur drohende Lehrer Quasimodo, alle nieder, die arglos in seine Nähe kommen.
Ist die Trennwand zwischen Zivilisation und Barbarei in Georgien besonders dünn, und hat die sowjetische Herrschaft, die mit der Angliederung an das Zarenreich im Jahr 1801 begann, die Schießlust nur gewaltsam niedergehalten? Oder will Tzin tzadzes Filmgleichnis nur allgemein darauf lenken, wohin der einzelne geraten kann, wenn ihn keine Verantwortung mehr bindet und ihn der Wahnsinn des Überlebenskampfes in einen tödlichen Strudel reißt?
Es konnte nicht ausbleiben, daß die Legenden vom friedlichen, nur durch die Schutzmacht unterdrückten Georgien mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs hinfällig wurden. Fern den Überlebenskämpfen des Tifliser Studios, das mit den neuen, unabhängigen Produzenten in einen erbitterten Streit um die Aufteilung der ohnehin mageren staatlichen Zuwendungen geriet, wo man doch gemeinsam hätte nach Moskau ziehen müssen, um die geraubte Erbschaft sicherzustellen (Georgien besitzt kein eigenes Filmarchiv), fernab auch von den "Stufen der Tugend", auf denen man in Tiflis den "Schatten der Vergangenheit" (so die Titel zweier aufwendiger neuer Produktionen) entkommen will, ohne den Pelz naß zu machen, entstanden in Paris, dem klassischen Emigrationsort georgischer Künstler, eine Generalabrechnung mit der Geschichte von Sakartwelo/Georgien, insbesondere der neuesten, und ein humorvolles Aperçu dazu. Beide Filme konnten und werden all jenen nicht gefallen, die immer noch von dem vorgetäuschten oder echten Glauben von gestern reden wollen statt von den Tatsachen, die ohne Feigenblatt sehr häßlich aussehen. Manche, die gestern so andachtsvoll auf Georgien schauten, sind heute über die Bilanz verschnupft, die der seit langem in Frankreich wohnende Otar Iosseliani und die - ungleich leichter gewichtige - Nana Dzor dzadze aufzustellen wagen.
Iosselianis "Briganten: Kapitel VII", 1996 in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet, vermutet in der georgischen Geschichte die Wiederholung eines einzigen Motivs: die räuberische Aneignung von Macht und Reichtum. Die Hauptgestalt ist mal ein Fürst im Mittelalter, der seine Frau wegen Untreue unbarmherzig hinrichtet, mal ein kommunistischer Parteiführer, der ein Dutzend Folterknechte in schwitzender Tätigkeit hält, bis er selbst einer Intrige anheimfällt, mal der kleine Mann im bürgerkriegsgeschüttelten Tiflis und schließlich der schäbige, bettelnde Emigrant auf den Straßen von Paris. Mit gnadenloser Lust hat Iosseliani die Zerstörung von Moral, die Verführung zum Verrat, die Auslöschung der Gegner und das kalte Kalkül der Anstifter des Bürgerkriegs wie mechanische Rituale vorgestellt, deren Grausamkeit um so schmerzhafter wirkt, weil die Decke der Ideologie weggezogen ist, die präzisen Arrangements aber die fatale Schönheit des Verbrechens schneidend scharf heraufbeschwören. Kein "Volksfeind" dürfte je während eines Picknicks der Staatsclique beseitigt worden sein, und doch treibt eine solche Kunstszene nun den Wahnsinn der Schreckensherrschaft heraus. Dieser einzigartige Film konnte vermutlich nur in Paris entstehen, wo sich der Autor vor den Nachstellungen der Vergangenheit sicher weiß, die Trennung aber auch nach bildhafter Vergegenwärtigung des Heimatlandes verlangt.
Iosseliani war versiert genug, seine Projektion als einen Film im Film gegen alle Geschichtsdokumentation abzuheben. Eine jüngere Emigrantin, Nana Dzordza dze, benutzt die historischen Momente nur noch als prickelnden Hintergrund einer Dreiecksgeschichte, die einen alternden französischen Gourmet (Pierre Richard), eine georgische Prinzessin und einen zum Offizier der Tscheka avancierten feurigen Dorfkoch im Tiflis um 1921 zusammenführt ("1001 Rezepte eines verliebten Kochs"). Die Gelageszenen des Films sind unterhaltsam, auch wenn sie, bei Umkehrung der Vorzeichen, an Darstellungen des dekadenten Klassenfeindes in frühen sowjetischen Filmen erinnern, die sentimentalen Liebesbeteuerungen gehen zu Herzen, selbst wenn sie von unzähligen Melodramen vorgeprägt sind. Karikaturen eines durchtriebenen Berija und einer mannstollen Kollontaj sollen den Spaß erhöhen. Wenn man so herzlich lachen kann, ist der Schmerz der Geschichte ausgetrieben. So schnell kann heute ein fast noch unbewältigtes Thema der unaufregenden Unterhaltung zugeführt werden.
Puschkin hat die einstige Kolchis nur gestreift und strebte über Eriwan in die armenischen, zu jener Zeit von Truppen besetzten Ortschaften am Fuße des biblischen Ararat. Dieser Landstrich hat viel Greuel erlebt, die man auch in sowjetischer Zeit nie vergaß, wie in Eriwan die beeindruckende Denkmalsanlage für die eine Million Opfer des Genozids von 1915 beweist. Bald kam neues Unglück hinzu. Mitten im Streit um Nagornyj Karabach erschütterte ein schweres Erdbeben das kleine Land, und das feindliche Aserbaidschan sprach seinen Glückwunsch aus. Die Filmkunst hat hier nie eine breite Entfaltung erfahren, wohl aber bedeutende, in Europa leider zu wenig bekannt gewordene Regiepersönlichkeiten, von Amo Bek-Nasarov bis Henrik Maljan, hervorgebracht.
In Cottbus stand Armenien wieder bescheiden neben dem georgischen Glanz. Ein Land, das sich auf Grund der Energiekrise in seiner Hauptstadt nur noch zwei Kinos leisten kann, bringt wenige, aber vielleicht entschlossen existentielle Filme hervor, wie Edgar Baghdasarians Debüt "Hosk" bewies. Die gesteigerten Schwarzweißbilder lassen an der Entfremdung eines Paares teilhaben, das verzweifelt in gegensätzliche Richtungen strebt, obwohl es von der Sehnsucht nach den Glückszeiten der Jugend beherrscht wird. Die Sparsamkeit der filmischen Mittel scheint der des Landes zu entsprechen, das nicht einmal Bilderware zu verschenken hat.
Die bewegende, auf das Spielfilmfestival wie aus Versehen geratene Dokumentararbeit "Rückkehr ins gelobte Land" von Haroutian Khachatrian kündete von verborgenen, vielleicht auch verkannten Talenten. Ein Jahr lang nahm der Regisseur am Leben einer aus dem Nachbarland vertriebenen Familie teil, die in einer vom Erdbeben übel zugerichteten Siedlung eine neue bäuerliche Existenz aufbaut. Die Bilder allein, kein Wort, erzählen von der harten Mühsal ihres Tagwerks, für das am Ende die nächtlichen Kartoffelfeuer sie und die Zuschauer mit einer Metapher belohnen. "Es ist der Schmerz, der weitertreibt." Die Verszeile des Armeniers Paruir Sewak könnte Khachatrians schon ausgezeichnetem, nun erstmals in Deutschland aufgeführtem Film als Motto voranstehen.
In das zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer gelegene Aserbaidschan ist Puschkin nicht gereist. Filmische Botschaften von dort erreichten Europa bisher kaum. Mit dem Erlangen der Unabhängigkeit erhielt auch die Filmkunst neuen Auftrieb. Ebenso wie der muslimische Glaube das Land mit dem Orient verbindet, weisen die stilistischen Traditionen eher in Richtung Teheran. Ajas Salajevs international erfolgreiches Spiel mit der Liebe zum Kino als einem Hort der Schönheit in einer häßlichen Welt, "Die Fledermaus", bestätigt die Zuordnung, so modern sich der Film auch gibt. Den Begriff des "kaukasischen Kinos" wies man in Cottbus stolz von sich, wie man auch den Begriff des "Kaukasiers" lieber der Moskauer Polizei überläßt, die auf Menschen dieses Aussehens zuweilen fröhlich Jagd macht. Endlich zu sich selbst stehen zu können, das ist, bei aller Not, in allen drei Bergländern heute guter Grund zur Freude. HANS-JÖRG ROTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Schmerz, der weitertreibt: Neue Filmkunst kaukasischer Länder in Cottbus
"Der jähe Übergang vom wilden Kaukasus zum lieblichen Georgien ist herrlich; plötzlich weht die Luft des Südens dem Reisenden entgegen", notierte Alexander Puschkin, als er 1829 den gegen den türkischen Feind kämpfenden russischen Truppen nach Erzerum nachreiste. Das "liebliche Georgien" hat seitdem immer wieder die Phantasie nicht allein russischer Dichter entzündet. In der Vorstellung von Filmfreunden mutierte das vom Gipfel des Kasbek bis zur abchasischen Schwarzmeerküste reichende Land zu einem Paradies, wo nicht nur von Stalin geschätzte Weinsorten reifen, sondern wo seit den siebziger Jahren auch die kühnsten und zugleich schönsten Filmattacken gegen den erstarrten Sowjetsozialismus geritten wurden. Stellten Georgi und Eldar Schangelaja, Tengis Abuladze und Rezo Tscheidze in Deutschland - sei es Ost oder West - ein neues Werk vor, durften sie sich eines schon im voraus begeisterten Publikums sicher sein.
Sie wie auch der berühmte Sergej Para dschanov, der mal in Georgien, mal im benachbarten Armenien seine gleichnishaften Miniaturen schuf, galten nebst einigen russischen Regisseuren als Propheten eines freiheitlichen Denkens. Niemanden überraschte es, daß das Hauptwerk der Perestrojka im Film, Tengis Abuladzes großes Traumbild vom Tyrannensturz "Die Reue", ausgerechnet in Tiflis (Tbilissi) unter der schützenden Hand Schewardnadses geschaffen wurde. Dieser an bitteren Szenen reiche Film, der von der ostdeutschen Parteipresse einst mit beispielloser Wut angegriffen wurde, barg in seinem weichen Stil die Botschaft von Frieden und aufrichtiger Versöhnung. Kaum ein Außenstehender hätte darauf kommen können, daß in naher Zukunft Georgier gegen Georgier kämpfen und der Unfrieden des Mittelalters mit seinen verfeindeten Familien wiederkehren würde.
Der dieser Tage vom "Festival des jungen osteuropäischen Films" in Cottbus veranstaltete Überblick über die Filmkunst in den Ländern des Kaukasus galt zwar der Zeit seit dem Erlangen der Unabhängigkeit in Georgien, Armenien und Aserbaidschan, erlaubte jedoch auch einige kleine Rückblicke. 1981 entstand an der Filmhochschule Tiflis ein halbstündiger Kurzfilm mit dem unverfänglichen Titel "Quasimodo". Die jungen Regisseure Levan Eristavi und Dito Tzintzadze ließen darin die tradierte Figur des Nichtsnutzes zu einem Lehrer avancieren, der unter den Gymnasiasten viel, bei der Schulbehörde dagegen keinerlei Freude auslöst. Als man ihn, der auch bei seiner Frau schon entlassen ist, hinauswirft, postiert sich der bisher von niemandem ernst genommene, dickliche Mann mit einem Jagdgewehr auf der Straße. Können aus Taugenichtsen in Georgien Briganten werden?
Niemand mochte in dieser Geschichte damals ein Signal sehen. Heute scheint es, nichts sei selbstverständlicher, als in Georgien von einem Augenblick zum anderen ein Gewehr in die Hand zu nehmen und zu schießen. Spätestens mit dem Kampf um die Unabhängigkeit brachen die Schutzdämme. 1991 entstand Levan Kitijas ebenso kurzer Film "Die Kreuzung". Er spielt innerhalb einer Nacht auf den Gassen der Tifliser Altstadt, über die im Sommer 1989 der Ausnahmezustand verhängt ist. Ein junger Musiker eilt, allen Warnungen zum Trotz, aus den Armen der Geliebten nach Hause. Fahrzeuge der sowjetischen Sondereinheit rasen an ihm vorbei. Schüsse fallen, und ohne daß der Mann selbst ein Gewehr in die Hand nimmt, wird seine Hand doch blutig, weil ein Verletzter sich an ihn geklammert hat. Die Warnung war deutlich genug. Doch bei Begegnungen mit klar definierten Feinden und ihren Opfern sollte es nicht bleiben.
1993 stellte Dito Tzintzadze in Locarno seinen ersten langen Spielfilm, "Am Rande", vor und gewann damit einen Silbernen Leoparden. Wieder will ein junger Mann mit der Politik nichts zu tun haben. Zwischen seiner von ihm geschiedenen Frau, der lebenslustigen Freundin und diversen Verabredungen kreuzt er mit dem Wagen durch die Stadt, passiert Kontrollen der Bürgerkriegsparteien, begegnet einigen zum Kommandeur auf- oder abgestiegenen Intellektuellen, wird auch einmal für kurze Zeit arretiert. Alles Erlebte scheint ihn zu dem Schluß zu führen, er müsse diesem Chaos den Rücken kehren. Doch in letzter Minute steigt er wieder aus dem Zug, fährt zum erstbesten Bürgertrupp, läßt sich eine Kalaschnikow aushändigen und schießt, anders als der nur drohende Lehrer Quasimodo, alle nieder, die arglos in seine Nähe kommen.
Ist die Trennwand zwischen Zivilisation und Barbarei in Georgien besonders dünn, und hat die sowjetische Herrschaft, die mit der Angliederung an das Zarenreich im Jahr 1801 begann, die Schießlust nur gewaltsam niedergehalten? Oder will Tzin tzadzes Filmgleichnis nur allgemein darauf lenken, wohin der einzelne geraten kann, wenn ihn keine Verantwortung mehr bindet und ihn der Wahnsinn des Überlebenskampfes in einen tödlichen Strudel reißt?
Es konnte nicht ausbleiben, daß die Legenden vom friedlichen, nur durch die Schutzmacht unterdrückten Georgien mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs hinfällig wurden. Fern den Überlebenskämpfen des Tifliser Studios, das mit den neuen, unabhängigen Produzenten in einen erbitterten Streit um die Aufteilung der ohnehin mageren staatlichen Zuwendungen geriet, wo man doch gemeinsam hätte nach Moskau ziehen müssen, um die geraubte Erbschaft sicherzustellen (Georgien besitzt kein eigenes Filmarchiv), fernab auch von den "Stufen der Tugend", auf denen man in Tiflis den "Schatten der Vergangenheit" (so die Titel zweier aufwendiger neuer Produktionen) entkommen will, ohne den Pelz naß zu machen, entstanden in Paris, dem klassischen Emigrationsort georgischer Künstler, eine Generalabrechnung mit der Geschichte von Sakartwelo/Georgien, insbesondere der neuesten, und ein humorvolles Aperçu dazu. Beide Filme konnten und werden all jenen nicht gefallen, die immer noch von dem vorgetäuschten oder echten Glauben von gestern reden wollen statt von den Tatsachen, die ohne Feigenblatt sehr häßlich aussehen. Manche, die gestern so andachtsvoll auf Georgien schauten, sind heute über die Bilanz verschnupft, die der seit langem in Frankreich wohnende Otar Iosseliani und die - ungleich leichter gewichtige - Nana Dzor dzadze aufzustellen wagen.
Iosselianis "Briganten: Kapitel VII", 1996 in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet, vermutet in der georgischen Geschichte die Wiederholung eines einzigen Motivs: die räuberische Aneignung von Macht und Reichtum. Die Hauptgestalt ist mal ein Fürst im Mittelalter, der seine Frau wegen Untreue unbarmherzig hinrichtet, mal ein kommunistischer Parteiführer, der ein Dutzend Folterknechte in schwitzender Tätigkeit hält, bis er selbst einer Intrige anheimfällt, mal der kleine Mann im bürgerkriegsgeschüttelten Tiflis und schließlich der schäbige, bettelnde Emigrant auf den Straßen von Paris. Mit gnadenloser Lust hat Iosseliani die Zerstörung von Moral, die Verführung zum Verrat, die Auslöschung der Gegner und das kalte Kalkül der Anstifter des Bürgerkriegs wie mechanische Rituale vorgestellt, deren Grausamkeit um so schmerzhafter wirkt, weil die Decke der Ideologie weggezogen ist, die präzisen Arrangements aber die fatale Schönheit des Verbrechens schneidend scharf heraufbeschwören. Kein "Volksfeind" dürfte je während eines Picknicks der Staatsclique beseitigt worden sein, und doch treibt eine solche Kunstszene nun den Wahnsinn der Schreckensherrschaft heraus. Dieser einzigartige Film konnte vermutlich nur in Paris entstehen, wo sich der Autor vor den Nachstellungen der Vergangenheit sicher weiß, die Trennung aber auch nach bildhafter Vergegenwärtigung des Heimatlandes verlangt.
Iosseliani war versiert genug, seine Projektion als einen Film im Film gegen alle Geschichtsdokumentation abzuheben. Eine jüngere Emigrantin, Nana Dzordza dze, benutzt die historischen Momente nur noch als prickelnden Hintergrund einer Dreiecksgeschichte, die einen alternden französischen Gourmet (Pierre Richard), eine georgische Prinzessin und einen zum Offizier der Tscheka avancierten feurigen Dorfkoch im Tiflis um 1921 zusammenführt ("1001 Rezepte eines verliebten Kochs"). Die Gelageszenen des Films sind unterhaltsam, auch wenn sie, bei Umkehrung der Vorzeichen, an Darstellungen des dekadenten Klassenfeindes in frühen sowjetischen Filmen erinnern, die sentimentalen Liebesbeteuerungen gehen zu Herzen, selbst wenn sie von unzähligen Melodramen vorgeprägt sind. Karikaturen eines durchtriebenen Berija und einer mannstollen Kollontaj sollen den Spaß erhöhen. Wenn man so herzlich lachen kann, ist der Schmerz der Geschichte ausgetrieben. So schnell kann heute ein fast noch unbewältigtes Thema der unaufregenden Unterhaltung zugeführt werden.
Puschkin hat die einstige Kolchis nur gestreift und strebte über Eriwan in die armenischen, zu jener Zeit von Truppen besetzten Ortschaften am Fuße des biblischen Ararat. Dieser Landstrich hat viel Greuel erlebt, die man auch in sowjetischer Zeit nie vergaß, wie in Eriwan die beeindruckende Denkmalsanlage für die eine Million Opfer des Genozids von 1915 beweist. Bald kam neues Unglück hinzu. Mitten im Streit um Nagornyj Karabach erschütterte ein schweres Erdbeben das kleine Land, und das feindliche Aserbaidschan sprach seinen Glückwunsch aus. Die Filmkunst hat hier nie eine breite Entfaltung erfahren, wohl aber bedeutende, in Europa leider zu wenig bekannt gewordene Regiepersönlichkeiten, von Amo Bek-Nasarov bis Henrik Maljan, hervorgebracht.
In Cottbus stand Armenien wieder bescheiden neben dem georgischen Glanz. Ein Land, das sich auf Grund der Energiekrise in seiner Hauptstadt nur noch zwei Kinos leisten kann, bringt wenige, aber vielleicht entschlossen existentielle Filme hervor, wie Edgar Baghdasarians Debüt "Hosk" bewies. Die gesteigerten Schwarzweißbilder lassen an der Entfremdung eines Paares teilhaben, das verzweifelt in gegensätzliche Richtungen strebt, obwohl es von der Sehnsucht nach den Glückszeiten der Jugend beherrscht wird. Die Sparsamkeit der filmischen Mittel scheint der des Landes zu entsprechen, das nicht einmal Bilderware zu verschenken hat.
Die bewegende, auf das Spielfilmfestival wie aus Versehen geratene Dokumentararbeit "Rückkehr ins gelobte Land" von Haroutian Khachatrian kündete von verborgenen, vielleicht auch verkannten Talenten. Ein Jahr lang nahm der Regisseur am Leben einer aus dem Nachbarland vertriebenen Familie teil, die in einer vom Erdbeben übel zugerichteten Siedlung eine neue bäuerliche Existenz aufbaut. Die Bilder allein, kein Wort, erzählen von der harten Mühsal ihres Tagwerks, für das am Ende die nächtlichen Kartoffelfeuer sie und die Zuschauer mit einer Metapher belohnen. "Es ist der Schmerz, der weitertreibt." Die Verszeile des Armeniers Paruir Sewak könnte Khachatrians schon ausgezeichnetem, nun erstmals in Deutschland aufgeführtem Film als Motto voranstehen.
In das zwischen Kaukasus und Kaspischem Meer gelegene Aserbaidschan ist Puschkin nicht gereist. Filmische Botschaften von dort erreichten Europa bisher kaum. Mit dem Erlangen der Unabhängigkeit erhielt auch die Filmkunst neuen Auftrieb. Ebenso wie der muslimische Glaube das Land mit dem Orient verbindet, weisen die stilistischen Traditionen eher in Richtung Teheran. Ajas Salajevs international erfolgreiches Spiel mit der Liebe zum Kino als einem Hort der Schönheit in einer häßlichen Welt, "Die Fledermaus", bestätigt die Zuordnung, so modern sich der Film auch gibt. Den Begriff des "kaukasischen Kinos" wies man in Cottbus stolz von sich, wie man auch den Begriff des "Kaukasiers" lieber der Moskauer Polizei überläßt, die auf Menschen dieses Aussehens zuweilen fröhlich Jagd macht. Endlich zu sich selbst stehen zu können, das ist, bei aller Not, in allen drei Bergländern heute guter Grund zur Freude. HANS-JÖRG ROTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main