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Der gealterte Frauenheld Don Johnston hat sich in seiner Midlife-Crisis bequem eingerichtet - bis ihm ein rosafarbener Brief ins Haus flattert. Darin behauptet eine anonyme Ex-Flamme, er habe einen 19-jährigen Sohn. Zunächst scheint auch diese unerwartete Nachricht Don nicht aus seiner Lethargie zu reißen. Doch dann entdeckt sein lebensfroher Nachbar Winston das Scheiben und beschließt, Don ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Der soll herausfinden, welche seiner vier in Frage kommenden Liebschaften von einst die Verfasserin ist. Erst widerwillig, dann mit immer mehr Neugier macht Don sich auf…mehr

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Produktbeschreibung
Der gealterte Frauenheld Don Johnston hat sich in seiner Midlife-Crisis bequem eingerichtet - bis ihm ein rosafarbener Brief ins Haus flattert. Darin behauptet eine anonyme Ex-Flamme, er habe einen 19-jährigen Sohn. Zunächst scheint auch diese unerwartete Nachricht Don nicht aus seiner Lethargie zu reißen. Doch dann entdeckt sein lebensfroher Nachbar Winston das Scheiben und beschließt, Don ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Der soll herausfinden, welche seiner vier in Frage kommenden Liebschaften von einst die Verfasserin ist. Erst widerwillig, dann mit immer mehr Neugier macht Don sich auf die Reise. In Amerikas schmucken Vorstadt-Welten begegnet er nicht nur einer Tier-Therapeutin, ruchlosen Verführerinnen und einem zombiehaft nebeneinander herlebenden Ehepaar, sondern schließlich auch sich selbst…
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.09.2005

Don Juan und die Liebe zur Ironie
Jim Jarmusch hat dem Kino in "Broken Flowers" einen Brief geschrieben, und daraus ist einer seiner schönsten Filme geworden

Eine einfache Geschichte. Ein Mann bekommt einen Brief, in dem steht, daß er einen erwachsenen Sohn hat. Also macht er sich auf den Weg, um die Schreiberin des Briefes zu suchen. Und den Sohn. Aber der ist seinerseits schon losgefahren, um den Mann, seinen Vater, zu suchen. So verwirren sich die Wege, verfehlen sich, laufen aneinander vorbei.

Der Mann ist Don Juan. Das macht alles zugleich ganz einfach und sehr kompliziert. Denn das Mythische ist immer das Einfache, weil wir wissen, was geschehen ist und noch geschehen wird. Don Juan hat sehr viele Frauen gehabt, und irgendwann wird er dafür zur Hölle fahren. Aber nur, wenn alles beim alten bleibt. Ändert man am Mythos nur ein einziges Detail, beginnen die Komplikationen. Don Juan hat einen Sohn. Das wirft alles über den Haufen. Denn wenn der Held sein Kind finden will, muß er anfangen, seine eigene Geschichte rückwärts zu lesen. Er muß aus der mythischen Klarheit heraustreten ins zweifelhafte Licht der Reflexion.

Jim Jarmusch hat dem Kino einen Brief geschrieben. Darin geht es um den Mythos von Don Juan, um die Farbe Rosa, die Einsamkeit, die Qualität von Mietwagen und eine Handvoll verflossener Liebschaften. Vor allem geht es um den Blick von Jim Jarmusch auf Amerika, um sein mythisches und zugleich entmystifizierendes Verhältnis zu den Dingen des amerikanischen Lebens. Der Brief ist ein Film und heißt "Broken Flowers", und wer ihn wie eine gewöhnliche Hollywoodkomödie liest, wird ihn kaum entziffern. Denn diese Geschichte ist auf Nebenstrecken zu uns unterwegs. Sie benutzt das Kino, um vom Kino zu erzählen, aber gerade dann, wenn sie am allermeisten mit sich selbst beschäftigt scheint, ist sie dem Leben am nächsten. Und so muß man auch den Film eher mit einem abschweifenden als einem zielgerichteten Blick betrachten: damit man keins der Wunder verpaßt, mit denen er nebenbei die Leinwand füllt.

Es beginnt mit einem Bild der amerikanischen Vorstadt. Da steht ein Haus, leicht zerzaust und von Kinderlärm erfüllt, und daneben ein anderes, graues, gepflegtes Haus, aus dem kein Laut nach außen dringt. In dieser Gruft lebt Don Juan, der hier Don Johnston (Bill Murray) heißt, und starrt auf seinen Breitwandfernseher. Es läuft "The Private Life of Don Juan", ein Schwarzweißfilm von 1934, in dem der kranke und gealterte Douglas Fairbanks seinen letzten Kinoauftritt hat. In einer Szene sagt Melville Cooper, der den Leporello spielt, zu Fairbanks: "Sie müssen aufhören, solange die Leute Sie noch so in Erinnerung haben, wie Sie vor zehn Jahren waren." So wissen wir fast alles über Don Johnston, noch bevor seine Geschichte richtig angefangen hat.

Gerade ist Dons jüngste Liebe Sherry (Julie Delpy) dabei, ihn zu verlassen, da fällt ein Bündel Briefe durch den Briefkastenschlitz, darunter ein von Hand beschrifteter Umschlag. Der Umschlag ist so rosa wie Sherrys Strickkostüm, was ihren Abgang noch beschleunigt; der Brief aber, ebenso rosafarben wie anonym, enthält die bestürzende Botschaft, daß Don einen Sohn hat, der neunzehn ist und vielleicht schon auf dem Weg zu ihm - und von dem er all die Jahre über nichts gewußt hat.

Und Don tut: nichts. Er bleibt auf seinem Sofa sitzen, guckt seinen Film, trinkt ein Glas Champagner und starrt vor sich hin. Es ist sein Nachbar Winston (Jeffrey Wright), der Don in Bewegung bringt. Winston, der neben seiner Fabrikarbeit Krimis schreibt, ist die reine Hilfsfigur, der Zündkopf im Getriebe der Erzählung. Winston macht für Don die Recherche, findet heraus, daß von den fünf Frauen, mit denen unser Held vor zwanzig Jahren liiert war, noch vier am Leben sind, bucht Flüge, Motelzimmer und Leihwagen und überreicht Don das vollständige Reisepaket wie ein Drehbuchautor ein fertiges Skript.

Und Don fährt los. Die Highways und Interstates, die er auf seiner Reise kreuz und quer durch das Land benutzt, sehen alle gleich aus, und auch das Flugzeug, mit dem er von der Ostküste in den Mittelwesten und weiter zum Pazifik fliegt, ist augenscheinlich immer dasselbe, was ein paar amerikanische Kritiker veranlaßt hat, über die Sparsamkeit des Regisseurs Jarmusch zu spotten. Aber Jarmusch weiß genau, was er tut, wenn er die touristischen Reize der Geschichte unterdrückt; er will ja nicht Landschaften zeigen, sondern Häuser. Und durch die Häuser deren Bewohner. Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, wie das ein deutscher Dichter einmal beinhart formuliert hat.

Die erste der vier Frauen, Laura, wohnt in einem flachen Holzhaus mit einem verwilderten Garten, aber sie ist nicht da, statt dessen öffnet ihre Tochter die Tür. Man denkt an Raymond Carver und seine Westküstenstories, bis man den Namen der Tochter hört: Lolita. Lolita (Alexis Dziena) tänzelt nackt vor Don durchs Zimmer und trinkt bonbonfarbene Fruchtcocktails wie Sue Lyon vor vierzig Jahren bei Stanley Kubrick, aber sie weiß nichts von der Macht ihres Namens; auch die als Stilberaterin arbeitende Laura (Sharon Stone) scheint nie eine Zeile Nabokov gelesen zu haben. Und doch spielen die beiden exakt die Mutter-Tochter-Konstellation des Films und des Romans nach. Als Don, der mit Laura geschlafen hat, wieder wegfährt, steht Lolita im Bikini am Wohnzimmerfenster und winkt ihm nach, und es sieht aus wie ein Bild aus einem Film, der nie gedreht werden wird, weil in diesem Bild schon der ganze Film enthalten ist.

Die erste Episode setzt den Ton für alle übrigen. Denn Don besucht nicht einfach nur vier Verflossene, er besichtigt zugleich ein Quartett ganz unterschiedlicher Lebenswelten, vier Variationen des amerikanischen Traums. Da ist die Immobilienmaklerin Dora (Frances Conroy), die mit ihrem Mann in einem keimfreien Musterhaus lebt und in ihrer Designerküche die Trauer darüber hinunterwürgt, daß sie kein Kind hat. Oder Carmen (Jessica Lange), die als "Animal Communicator" ihr Geld verdient, mit Katzen und Leguanen spricht und ein Buch über Tierdialekte geschrieben hat. Und schließlich Penny (Tilda Swinton), deren abgelegene Ranch ein Biker- und Hillbilly-Paradies ist, in dem Don so verloren wie eine Schaufensterpuppe wirkt. Prompt bekommt er, kaum daß er das Wort "Sohn" ausgesprochen hat, eine Männerfaust ins Gesicht.

In einer ordentlichen Hollywoodkomödie gäbe es ein Happy-End für Penny und Don. Aber "Broken Flowers" ist weder ordentlich noch Hollywood. Es ist ein Film, der unter seiner Komik eine große Bitterkeit verbirgt, eine Trauer über das Scheitern so vieler Blütenträume, die er in seinen vier Frauenleben spiegelt. Es ist, als hätte Jarmusch für jedes der vier vergangenen Jahrzehnte einen Phänotyp gesucht, in dem sich die Ideale der Epoche verkörpern: die Esoterik der neunziger, die Gier der achtziger, das wilde Leben der siebziger, die sexuelle Befreiung der sechziger Jahre. Und so, wie die Laura-Episode Kubrick zitiert, erinnert Doras untote Umgebung an Filme von Lynch, Carmens Geschichte an Altman und Pennys Hinterwäldlerwelt an Hopper und Malick. Jim Jarmusch hat nicht nur Amerika, sondern auch das amerikanische Kino in ein großes filmisches Bild gefaßt. Um die "broken flowers" zu einem Strauß zusammenbinden zu können, brauchte er eine mythische Klammer. Und weil das Kino, wenn man alles Unwichtige abzieht, immer vom Begehren handelt, wählte er den Mythos von Don Juan.

Es ist nicht einfach, einen Mythos zu spielen. Als Sergio Leone vor vierzig Jahren den absoluten Westerner suchte, fand er Clint Eastwood. Jarmusch hat jetzt Bill Murray gefunden. Murray ist zur Zeit der einzige amerikanische Schauspieler, der Reglosigkeit in Ausdruck verwandeln kann. Wenn man ihm zusieht, hat man nicht den Eindruck, daß er irgend etwas tut, und dennoch nimmt er ständig wie ein Chamäleon die Farbe der Szenen an, in denen er spielt. Als Don am Schluß den Jungen, der sein Sohn sein könnte, im Auto an sich vorbeifahren sieht, hängt seine Enttäuschung wie eine Wolke in der Luft. Man sieht sie nicht, man spürt nur die Erstarrung eines Mannes, der weiß, daß der Regen, in dem er steht, nicht mehr aufhören wird.

Man kann über "Broken Flowers" nicht reden, ohne an Wim Wenders' neuen Film "Don't Come Knocking" zu denken, der nicht zufällig eine ähnliche Geschichte erzählt. Beide, Wenders und Jarmusch, haben aus dem Blick der verlorenen Söhne die Energie für ihr filmisches Frühwerk geschöpft, und beide haben inzwischen ein Alter erreicht, in dem das Kino für sie zu einer Familienangelegenheit geworden ist. Aber wo Wenders seine Figuren durch Sentimentalität überfrachtet und lähmt, befreit sie Jarmusch durch Ironie. Seine Kunst ist souverän genug, den Menschen, die sie zeigt, das Abgründige zu lassen, das Wenders durch Erklärungen zuschüttet. In den Zwischenräumen, die es in "Don't Come Knocking" nicht gibt, blüht in "Broken Flowers" das Glück der Imagination. Einmal sieht man Bill Murray in einem Flughafenwartesaal neben einer hübschen Blondine sitzen, die Kreuzworträtsel löst. Er schaut zu ihr hinüber, und man wartet darauf, daß er sie anspricht. Er zögert, und in dem Augenblick, der folgt, kann man sich die ganze mögliche Geschichte der beiden wie im Zeitraffer ausmalen. Dann ist der Moment vorbei. Es ist nichts passiert, aber wir haben alles gesehen. Darum geht es im Kino.

ANDREAS KILB

Ab Donnerstag im Kino.

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