Der amtierende US-Senator Jay Bulworth ist privat und politisch am Ende und faßt einen dramatischen Entschluß: Er engagiert einen Killer, der ihn umbringen soll. Diese Entscheidung krempelt sein Leben völlig um. Ohne Angst vor Konsequenzen, verrät er nun schonungslos offen, was die Bürger schon immer ahnten: Politiker lügen, sind korrupt und menschenverachtend. Als er auch noch der schwarzen Bürgerrechtlerin Nina über den Weg läuft, die ihn völlig verwirrt, flippt er aus. Aus dem erzkonservativen Politiker wird ein enthemmter Black-Power Freak, der mit harten Raps die Wähler begeistert. Um sein neues Leben genießen zu können, versucht Bulworth nun mit allen Mitteln, seinen eigenen Auftragsmord zu verhindern.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - AutobiografienFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.1999Singt uns die Leviten
Der Senator hat den Blues: Warren Beatty ist "Bulworth"
Er war der älteste jugendliche Held Hollywoods. Doch das strahlende Lächeln wirkte zuletzt angestrengt, als gelte nicht der zweite, sondern schon der erste Gedanke dieses Mannes den Falten in seinen Mundwinkeln, die dabei entstehen. Der Lausbub, der Draufgänger, der Liebhaber - von diesen Rollenbildern, die er früher verkörpert hatte, konnte sich Warren Beatty als reifer Mann nicht lösen. Er versuchte, sie auch in den wenigen Figuren, die er in den vergangenen beiden Jahrzehnten spielte, in einer Art schauspielerischer Mehrfachbelichtung durchschimmern zu lassen. Das weiche Licht des Kameramanns Vittorio Storaro, das nicht nur schön ist, sondern auch schön macht, wirkte dabei von Film zu Film immer größere Wunder.
Nun sitzt Warren Beatty im Halbdunkel, das Haar grau, die Haut fahl. Die Hand hält er so, als wolle er sich schützen vor den grellen Strahlen, die durchs Fenster fallen. Doch in "Bulworth" gibt der Regisseur Beatty dem Star Beatty nur eine kurze Gnadenfrist. Dann reißt er den Vorhang auf und zeigt uns das Antlitz des Alters. Warren Beatty junior ist tot, der Senior hat ihn abgelöst.
Ein Mann betrachtet sich selbst im Fernsehen und muß weinen: Jay Bulworth, Senator im Wahlkampf, sieht für sich keine Zukunft mehr. Seine Ehe ist zerrüttet, seine politische Karriere so gut wie beendet. Um den kläglichen Rest, der von ihm geblieben ist, aus der Welt zu schaffen, engagiert Bulworth einen Killer. Den Tod vor Augen, gewinnt er nun aber mit jeder Sekunde, die er seinem Ende näher kommt, die Lust am Leben zurück.
"Wir stehen an der Schwelle eines neuen Jahrtausends." Mit diesem Satz begann Bulworth jede seiner Reden. Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für Warren Beatty: Wie sein Held Bulworth zeigt er auf einmal sein wahres Gesicht. In der Karriere des Schauspielers könnte damit ein neues Zeit-Alter beginnen. Darsteller und Figur spiegeln einander und führen, so könnte man meinen, ein reges Zwiegespräch. Bulworth pfeift auf den guten Ton, sagt, was er denkt, und faßt obszöne Beleidigungen sämtlicher pressure groups in die Reime eines Hip-Hop-Gesangs. Beatty läßt sich davon anstecken, tanzt aus der Reihe und treibt die Politsatire an den Rand des Musicals. Wie sein Held beißt er die Hand, die ihn füttert: In einer Szene beleidigt Bulworth die Vertreter der Filmindustrie.
Bulworth liest den Lobbyisten nicht die Leviten, er singt sie ihnen. So wird der Furor, mit dem der Film einige Male offene Türen einrennt und seine Ziele so ungestüm attackiert, daß er die empfindlichsten Stellen verfehlt, angenehm abgemildert. Wie eine Reminiszenz an Preston Sturges wirkt der Weg, den der Held gehen muß: Auf der Flucht vor dem Killer und der Öffentlichkeit taucht er bei der Familie der schwarzen Bürgerrechtlerin Nina (Halle Berry) unter und stürzt mitten in die Wirklichkeit hinein, über die er bisher von oben herab befand. Allein unter homeboys - wenn Bulworth waffenstarrenden Halbwüchsigen den Wind aus den Segeln nimmt, indem er ihnen Eis kauft, hat das seinen Witz. Doch immer mehr stilisiert sich Beatty als Bulworth zur großen weißen Hoffnung der Schwarzen, die ihn am Ende feiern wie einen Erlöser. Man fühlt sich in die Zeiten eines Frank Capra zurückversetzt, als das Wünschen stets geholfen hat und die Naivität noch grenzenlos war. Beatty nutzt die Chance, dem Erzliberalen, den er in Hollywood repräsentiert, im Rhythmus des Rap noch einmal Beine zu machen, gerät dabei manchmal ins Stolpern, doch bevor er sich peinliche Ausrutscher leistet, fängt er sich meist wieder.
Ein älterer Mann erlebt die harte Realität als Jungbrunnen. Konfrontiert mit einer Welt, die ihm gänzlich fremd ist, kommt Bulworth aus dem Staunen nicht heraus. Das gleiche - im ersten Moment leicht begriffsstutzig wirkende - Zögern, mit dem Beatty in den Siebzigern in Filmen wie "Zeuge einer Verschwörung" auf die Entdeckung reagierte, zu welchen Verbrechen sein Land fähig ist, findet sich auch in "Bulworth". Es wirkt nicht aufgesetzt. Beatty ist wohl der einzige Star, der einen abgebrühten, desillusionierten Politiker darstellen kann, dabei aber zugleich immer noch so unschuldig und naiv wirkt, daß er sich glaubhaft darüber wundern kann, was auf den Straßen vorgeht. Mit Volldampf in den Klassenkampf - Bulworth ist, vom Elan gepackt, kaum mehr zu bremsen. Da muß das Privatleben hintanstehen: Als Nina mit ihm schlafen will, muß er dem Engagement Tribut zollen und schläft ein. Und träumt bestimmt von einer besseren Welt. Als er erwacht, scheint er wieder der alte zu sein: jovial, höflich, distanziert, politisch korrekt. Nach dieser Szene dauert der Film kaum mehr als fünf Minuten, und doch ist noch lange nicht Schluß.
LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Senator hat den Blues: Warren Beatty ist "Bulworth"
Er war der älteste jugendliche Held Hollywoods. Doch das strahlende Lächeln wirkte zuletzt angestrengt, als gelte nicht der zweite, sondern schon der erste Gedanke dieses Mannes den Falten in seinen Mundwinkeln, die dabei entstehen. Der Lausbub, der Draufgänger, der Liebhaber - von diesen Rollenbildern, die er früher verkörpert hatte, konnte sich Warren Beatty als reifer Mann nicht lösen. Er versuchte, sie auch in den wenigen Figuren, die er in den vergangenen beiden Jahrzehnten spielte, in einer Art schauspielerischer Mehrfachbelichtung durchschimmern zu lassen. Das weiche Licht des Kameramanns Vittorio Storaro, das nicht nur schön ist, sondern auch schön macht, wirkte dabei von Film zu Film immer größere Wunder.
Nun sitzt Warren Beatty im Halbdunkel, das Haar grau, die Haut fahl. Die Hand hält er so, als wolle er sich schützen vor den grellen Strahlen, die durchs Fenster fallen. Doch in "Bulworth" gibt der Regisseur Beatty dem Star Beatty nur eine kurze Gnadenfrist. Dann reißt er den Vorhang auf und zeigt uns das Antlitz des Alters. Warren Beatty junior ist tot, der Senior hat ihn abgelöst.
Ein Mann betrachtet sich selbst im Fernsehen und muß weinen: Jay Bulworth, Senator im Wahlkampf, sieht für sich keine Zukunft mehr. Seine Ehe ist zerrüttet, seine politische Karriere so gut wie beendet. Um den kläglichen Rest, der von ihm geblieben ist, aus der Welt zu schaffen, engagiert Bulworth einen Killer. Den Tod vor Augen, gewinnt er nun aber mit jeder Sekunde, die er seinem Ende näher kommt, die Lust am Leben zurück.
"Wir stehen an der Schwelle eines neuen Jahrtausends." Mit diesem Satz begann Bulworth jede seiner Reden. Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Schritt für Warren Beatty: Wie sein Held Bulworth zeigt er auf einmal sein wahres Gesicht. In der Karriere des Schauspielers könnte damit ein neues Zeit-Alter beginnen. Darsteller und Figur spiegeln einander und führen, so könnte man meinen, ein reges Zwiegespräch. Bulworth pfeift auf den guten Ton, sagt, was er denkt, und faßt obszöne Beleidigungen sämtlicher pressure groups in die Reime eines Hip-Hop-Gesangs. Beatty läßt sich davon anstecken, tanzt aus der Reihe und treibt die Politsatire an den Rand des Musicals. Wie sein Held beißt er die Hand, die ihn füttert: In einer Szene beleidigt Bulworth die Vertreter der Filmindustrie.
Bulworth liest den Lobbyisten nicht die Leviten, er singt sie ihnen. So wird der Furor, mit dem der Film einige Male offene Türen einrennt und seine Ziele so ungestüm attackiert, daß er die empfindlichsten Stellen verfehlt, angenehm abgemildert. Wie eine Reminiszenz an Preston Sturges wirkt der Weg, den der Held gehen muß: Auf der Flucht vor dem Killer und der Öffentlichkeit taucht er bei der Familie der schwarzen Bürgerrechtlerin Nina (Halle Berry) unter und stürzt mitten in die Wirklichkeit hinein, über die er bisher von oben herab befand. Allein unter homeboys - wenn Bulworth waffenstarrenden Halbwüchsigen den Wind aus den Segeln nimmt, indem er ihnen Eis kauft, hat das seinen Witz. Doch immer mehr stilisiert sich Beatty als Bulworth zur großen weißen Hoffnung der Schwarzen, die ihn am Ende feiern wie einen Erlöser. Man fühlt sich in die Zeiten eines Frank Capra zurückversetzt, als das Wünschen stets geholfen hat und die Naivität noch grenzenlos war. Beatty nutzt die Chance, dem Erzliberalen, den er in Hollywood repräsentiert, im Rhythmus des Rap noch einmal Beine zu machen, gerät dabei manchmal ins Stolpern, doch bevor er sich peinliche Ausrutscher leistet, fängt er sich meist wieder.
Ein älterer Mann erlebt die harte Realität als Jungbrunnen. Konfrontiert mit einer Welt, die ihm gänzlich fremd ist, kommt Bulworth aus dem Staunen nicht heraus. Das gleiche - im ersten Moment leicht begriffsstutzig wirkende - Zögern, mit dem Beatty in den Siebzigern in Filmen wie "Zeuge einer Verschwörung" auf die Entdeckung reagierte, zu welchen Verbrechen sein Land fähig ist, findet sich auch in "Bulworth". Es wirkt nicht aufgesetzt. Beatty ist wohl der einzige Star, der einen abgebrühten, desillusionierten Politiker darstellen kann, dabei aber zugleich immer noch so unschuldig und naiv wirkt, daß er sich glaubhaft darüber wundern kann, was auf den Straßen vorgeht. Mit Volldampf in den Klassenkampf - Bulworth ist, vom Elan gepackt, kaum mehr zu bremsen. Da muß das Privatleben hintanstehen: Als Nina mit ihm schlafen will, muß er dem Engagement Tribut zollen und schläft ein. Und träumt bestimmt von einer besseren Welt. Als er erwacht, scheint er wieder der alte zu sein: jovial, höflich, distanziert, politisch korrekt. Nach dieser Szene dauert der Film kaum mehr als fünf Minuten, und doch ist noch lange nicht Schluß.
LARS-OLAV BEIER
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