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Die Oder ist mehr als ein Grenzfluss, der das deutsche Frankfurt und das polnische Slubice voneinander trennt - er ist das Hindernis einiger Menschen, die von ihren Träumen und Sehnsüchten geleitet, auf der Flucht in ein besseres Leben sind. Doch es sind nicht nur Landesgrenzen auf denen jeder einzelne von ihnen stößt. Da ist zum Beispiel Antoni, ein polnischer Taxifahrer, der für das Kommunionskleid seiner Tochter dringend Geld braucht.
Seine Frau Milena hat gerade erst ihren Schwarzjob bei dem Matratzenhändler Ingo (Devid Striesow) in Deutschland verloren - entsprechend knapp ist das Geld
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Produktbeschreibung
Die Oder ist mehr als ein Grenzfluss, der das deutsche Frankfurt und das polnische Slubice voneinander trennt - er ist das Hindernis einiger Menschen, die von ihren Träumen und Sehnsüchten geleitet, auf der Flucht in ein besseres Leben sind. Doch es sind nicht nur Landesgrenzen auf denen jeder einzelne von ihnen stößt.
Da ist zum Beispiel Antoni, ein polnischer Taxifahrer, der für das Kommunionskleid seiner Tochter dringend Geld braucht.

Seine Frau Milena hat gerade erst ihren Schwarzjob bei dem Matratzenhändler Ingo (Devid Striesow) in Deutschland verloren - entsprechend knapp ist das Geld in der Familie; dennoch will Antoni seiner Tochter um jeden Preis eine wunderschöne Feier ermöglichen, auch wenn er noch Ärmeren das Letzte nimmt. Und da ist der Pächter des Matratzen-Discounters Ingo, ein hilfloser Verlierer, der mit aller Kraft um das Überleben seines kleinen Geschäftes kämpft und dabei fast die Liebe seines Lebens übersieht. Oder der Ukrainer Kolja, für den das Glück in Berlin liegt. Von einem Schlepper wird er mit einigen Landsleuten im Wald ausgesetzt, mit dem Hinweis, dass dort, wo die Lichter sind, Berlin sei. Doch statt in Berlin findet sich Kolja in Slubice wieder, schafft es dennoch mit Hilfe der Dolmetscherin Sonja (Maria Simon) nach Berlin und erledigt dort einen versprochenen Fotojob - mit der Kamera, die er Sonja gestohlen hat...

Die Wege dieser Menschen kreuzen sich auf schicksalhafte Weise im deutsch-polnischen Grenzgebiet. Jeder Einzelne von Ihnen muss Entscheidungen treffen: Sollen sie es wagen, ihre Träume zu verwirklichen? Um jeden Preis? Sollen sie anderen oder vor allem sich selbst helfen? Heiligt der Zweck die Mittel? Jeder von ihnen findet seinen Weg, durch Liebe und Hilfe, aber auch durch Lügen und Betrug...


Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Interviews
Autorenporträt
Hans-Christian Schmidt, geboren 1973, arbeitet als Gymnasiallehrer für Deutsch und Geschichte sowie als Autor. Er lebt in Dresden und hat zwei Söhne.

August Diehl, geboren 1976, ist seit 2013 Ensemble-Mitglied am Burgtheater in Wien. Auf der Leinwand war er unter anderem in Filmen von Heinrich Breloer, Hans-Christian Schmid und Quentin Tarantino zu sehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.08.2003

Die Spiegelbilder des Flusses
Ein großer kleiner Film aus Deutschland: "Lichter" von Hans-Christian Schmid

Geht den Lichtern entgegen, wenn es dunkel wird, sagt der Fernfahrer zu den Ukrainern, die aus dem Laderaum seines Lastwagens steigen: "Die Straße entlang, und dann klopft ihr beim ersten Haus an die Tür. Dann seid ihr schon in Berlin." Sie warten bis zum Abend, fünf Männer, zwei Frauen und ein Säugling. In der Dämmerung gehen sie los. Das erste Haus rechts an der Straße ist aus Holz. Eine Frau mit harten Gesichtszügen öffnet die Tür. "Berlin?" fragen die Ukrainer. "Sprecht polnisch!" antwortet die Frau. "Hier ist Polen."

Ein wenig später sehen sie den Fluß. Die Stadt, die an seinem östlichen Ufer liegt, in Polen, heißt Slubice, die Stadt am westlichen Ufer Frankfurt. Der Fluß heißt Odra, zu deutsch Oder. Als es ganz dunkel geworden ist, werden drei der Flüchtlinge den Versuch wagen, ihn zu durchschwimmen. Kurz darauf wird es in den Fernsehnachrichten heißen, drei Männer aus der Ukraine hätten versucht, über die Oder nach Deutschland zu gelangen, zwei von ihnen seien ertrunken, den dritten hätten die deutschen Behörden gefaßt. Der Rest der Gruppe, der in Slubice geblieben ist, sitzt in einer Gaststätte vor dem Fernseher. "Was gibt es?" fragt eine Ukrainerin, die kein Polnisch versteht, ihren Mann. "Ach, nichts." Drüben, am anderen Ufer, sieht man die Scheinwerfer der Polizei. Die Lichter.

Daß etwas in Hans-Christian Schmids Film "Lichter" anders ist als in anderen deutschen Filmen, merkt man schon an den ersten Bildern. Es fehlt: die Musiksoße. Die Mitleidshaltung. Der sozialarbeiterisch gelenkte Blick. Dies ist ein Film der Kälte und der brennenden Empathie. Weil er nicht - wie die vielen hübschen neuen Melodramen des Fernsehens - Schicksal spielen, sondern eine Welt zeigen will, geschehen in ihm viele Dinge gleichzeitig. Während die Ukrainer ihren Tag im Wald verwarten, steigt ein Junge mit einer Tasche voller Zigarettenstangen in Slubice in den Zug und wirft die Stangen hinter der Oderbrücke aus dem Fenster, wo ein Mädchen auf einem Mofa sie aufsammelt. Und ein Matratzenladenbesitzer sucht auf dem Arbeitsamt von Frankfurt/Oder Hilfskräfte für einen Tagesjob. Und ein junger deutscher Architekt trifft bei einem Bautermin seine polnische Exfreundin wieder. Und ein polnischer Taxifahrer entdeckt, daß er nicht genug Geld für das Kommunionkleid seiner kleinen Tochter hat.

Sie alle sind kleine Leute. Kleine Lichter, die dem großen Licht ihrer Hoffnungen hinterherjagen, das hier, im Grenzgebiet, immer besonders nah und zugleich besonders unerreichbar leuchtet. Der Film gibt ihnen zwei Tage und zwei Nächte Zeit, ihrem Ziel näher zu kommen - achtundvierzig Stunden, eine viel zu kurze Frist für vernünftige Karriere- und Lebensplanungen, aber eine Ewigkeit für die Nomaden und Hasardeure der Grenze. "Heute ist ein guter Tag, das spür' ich", sagt der Mann (Devid Striesow), dem der Matratzenladen in Frankfurt gehört, doch dann verliert er an diesem Tag nicht nur sein Geschäft, sondern auch seine Wohnung und seinen Kredit. Vorher aber hat er die Lage der Stadt, in der er nicht auf die Füße kommt, noch knapp zusammengefaßt: "Zwanzig Prozent Arbeitslosigkeit! Was meinen Sie, was die Leute den ganzen Tag machen? Liegen im Bett. Noch ein Grund für 'ne gute Matratze."

"Lichter" ist ein Episodenfilm - wie Max Färberböcks verunglückter "September", wie Sönke Wortmanns flaue "St. Pauli Nacht". Es gibt viele gute Gründe, Episodenfilmen zu mißtrauen: erstens haben sie keine Zeit (für ihre Figuren), zweitens keinen Raum (für ihre Geschichten), und drittens sind Themenfilme (siehe "September") fast immer auch Thesenfilme und damit so ziemlich das Schlimmste, was es im Kino gibt. Und schließlich kann man, wie Stephen Daldry in "The Hours", alles richtig machen und dennoch nicht vom Kunsthandwerklichen loskommen, weil eben die Form, die rigide, sich gerade dann besonders drückend bemerkbar macht, wenn sie spektakulär gelingt; so wie auch ein Sonett nie ein Stück Erlebnislyrik wird, mag es auch jauchzen und jammern, wie es will.

Episodenfilme sind gelöste Konstruktionsaufgaben, kleine Maschinen, die, wenn alles klappt, wie von selbst laufen - dahin, wohin der Regisseur sie laufen lassen will. Und hier liegt das eigentliche Wunder von "Lichter". Denn Schmid schafft es, eine Handvoll Geschichten miteinander zu verbinden, in denen eigentlich überhaupt nichts läuft, in denen vielmehr alles schiefgeht, was schiefgehen kann. Ihre Helden strampeln verzweifelt, um sich aus ihrer trostlosen Lage zu befreien, aber immer dann, wenn sie scheinbar ein Stück vorangekommen sind, merken sie, daß sie sich noch weiter von ihrem Ziel entfernt haben als zuvor.

Der Taxifahrer aus Slubice, der das Kommunionkleid seiner Tochter nicht bezahlen kann, versucht den benötigten Betrag durch Nachtschichten hereinzufahren, aber dann ist er so müde, daß er einen Unfall baut und noch Geld dabei verliert. Danach nimmt er eine ukrainische Flüchtlingsfamilie bei sich auf, aber er hat keine Ahnung, wie er sie über die Oder bringen soll. Als sie es doch versuchen, ist die Strömung zu stark, die Überquerung mißlingt; doch Antoni stiehlt das Geld der Flüchtlinge, kauft das Kleid und rennt zur Kirche. Als er dort ankommt, ist es zu spät, die Messe hat längst begonnen. Daß der Taxifahrer Antoni uns in diesem Augenblick nicht lächerlich erscheint, daß er die Würde eines Mannes ausstrahlt, der aus lauter Liebe seine Seele verkauft hat, mag für einen französischen oder auch polnischen Film zum Erzählstandard gehören; für einen deutschen ist es eine ungeheure Leistung.

Aber von Hans-Christian Schmid durfte man sie erwarten. Denn Schmid, geboren 1965, ist seit seinem Kinodebüt vor acht Jahren einer der wenigen Filmregisseure hierzulande, die nicht die Träume der deutschen Filmförderung mitträumen, sondern einer eigensinnigen Entwicklung folgen. Wenn man Schmid fragt, was für ihn im Kino am wichtigsten sei, antwortet er, daß es das Handwerk des Erzählens ist, und das sieht man seinem Film an. Von "Nach Fünf im Urwald" (1995) über "23" (1998) und "Crazy" (2000) ist Schmid immer sicherer geworden im Umgang mit den Bildern, und so kann er es sich diesmal sogar leisten, eine Handkamera (Bogumil Godfrejow) einzusetzen, die sich einige Unschärfen und Schlenker erlaubt. Die Schärfe liegt in den Geschichten selbst: in ihrer Unausweichlichkeit, ihrer inneren Logik und Präzision. Das Drehbuch zu "Lichter" hat Schmid wie immer zusammen mit Michael Gutmann geschrieben, aber wenn man Gutmanns eigene Filme - zuletzt "Herz im Kopf" - sieht, merkt man sofort, weshalb Schmid der größere Könner von beiden ist: Er hat einfach den kühleren Kopf.

Und dennoch könnte das alles ganz leicht zerfallen und auseinanderwehen wie eine Bastelei im Sturm: die Geschichte des entlaufenen Mädchens (Alice Dwyer) und der zwei Schmugglerbrüder, die Tragödie des Architekten Philip (August Diehl) und seiner großen Liebe Beata (Julia Krynke), die deutsch-ukrainische Begegnung zwischen Kolja (Ivan Shvedoff) und der Übersetzerin Sonja (Maria Simon) - wenn es kein Band gäbe, das alles zusammenhielte. Aber es gibt eins. Es ist der Fluß. Er trennt die Länder, er verbindet die Geschichten. Er ist der Horizont der Sehnsüchte, von denen sie handeln, und der Spiegel, an dem sich ihre Bewegungen brechen. Er wirft jedem Ufer die Lichter des jeweils anderen zurück. So können sich jene, die hüben und drüben wohnen, immer nur im Blick ihrer Nachbarn erkennen. Wie schwierig das ist - auch davon erzählt "Lichter".

Nur einer der Ukrainer kommt am Ende nach Berlin. Als er am Potsdamer Platz aussteigt, nimmt er die Kamera, die er aus dem Wagen seiner Fluchthelferin gestohlen hat, und beginnt zu fotografieren: die Häuser, die Autos, die Lichter der nächtlichen Stadt. Er macht sich ein Bild, so wie Schmid, der erst vor zwei Jahren von München nach Berlin gezogen ist, sich ein Bild vom Leben an der deutsch-polnischen Grenze gemacht hat. Wenn es genügend solcher Bilder gäbe, könnte man vielleicht eines Tages anfangen, diese Grenze zu vergessen. Aber bis dahin fließen noch viele Geschichten die Oder herab.

ANDREAS KILB

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