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Im verschlafenen Städtchen Holly Springs, im Süden der USA, begeht die Witwe Jewel Mae Cookie Orcutt Selbstmord. Ihre Nichten Camille und Cora finden die Leiche und treten sofort in Aktion, um im Namen der Familienehre den lächerlichen, schändlichen Selbstmord zu vertuschen. Der Tatverdacht fällt zuerst auf den alten schwarzen Hausmeister Willis. Doch die Ermittlungen bringen nicht nur die Wahrheit über den Mordfall ans Licht, auch vergessen geglaubte Familienleichen werden auf skurrilste Altman-Art an die Oberfläche befördert.
Bonusmaterial
Beil.: Booklet

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Produktbeschreibung
Im verschlafenen Städtchen Holly Springs, im Süden der USA, begeht die Witwe Jewel Mae Cookie Orcutt Selbstmord. Ihre Nichten Camille und Cora finden die Leiche und treten sofort in Aktion, um im Namen der Familienehre den lächerlichen, schändlichen Selbstmord zu vertuschen. Der Tatverdacht fällt zuerst auf den alten schwarzen Hausmeister Willis. Doch die Ermittlungen bringen nicht nur die Wahrheit über den Mordfall ans Licht, auch vergessen geglaubte Familienleichen werden auf skurrilste Altman-Art an die Oberfläche befördert.

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Autorenporträt
Die rothaarige US-Schauspielerin Julianne Moore ist durch zahlreiche Filme (aktuell "Die Stadt der Blinden") weltbekannt und wurde bereits viermal für den Oscar nominiert. Mit dem Regisseur Bart Freundlich hat sie zwei Kinder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.1999

Unsere kleine Stadt
Notizen aus der Provinz: Robert Altmans Film "Cookies Fortune"

Viele Menschen gehen ins Kino, um sich eine Geschichte erzählen zu lassen. Bei Robert Altmans Filmen bekamen sie oft erheblich mehr für ihr Geld: viele Geschichten. Die Schicksale zahlreicher Figuren verknüpfte der Regisseur miteinander und verwob die Handlungsfäden zu einem kunstvollen Gewebe. Doch in "Prêt-à-porter" - der Film kam 1994 und damit im Jahr von "Pulp Fiction" ins Kino - wirkte dieses Verfahren, als sei es selbst konfektioniert worden, und das Ergebnis machte den Eindruck, als stamme es aus zweiter Hand. "Cookies Fortune" dagegen beweist, dass dieses Erzählprinzip sich nicht abnutzt und dem Wandel der Moden standhält.

Altman begibt sich in eine Kleinstadt in Mississippi, wo jeder jeden kennt und alles so langsam zugeht, dass die Zeit bisweilen stillzustehen scheint. Hier schlendern die Menschen über die Straße, treffen einen Bekannten, bleiben stehen, wechseln ein paar Worte, gehen weiter und machen Halt beim nächsten. Die episodische Erzählweise wird dieser Welt nicht oktroyiert, sie scheint geradezu aus ihr zu erwachsen. Zudem nimmt Altman im Unterschied zu "Prêt-à-porter" und "The Player" (1992) so gut wie nie die Sicht des Satirikers ein, der sich über seinen Gegenstand erhaben dünkt. Es scheint, als habe er immer dann, wenn er das Gefühl hatte, auf eine Figur herabzublicken, alles darangesetzt, sie so lange aufzubauen, bis sie ihm in Augenhöhe gegenübertreten konnte. Oder war es umgekehrt? Ist Altman zu uns herabgestiegen und Mensch geworden? Wie dem auch sei: Nur indem er die Figuren als seinesgleichen begriff, konnte er dieses kleine Meisterwerk schaffen.

Den schweren Schritten des Hausmeisters Willis Richland (Charles S. Dutton) folgend, durchmisst Altman die Kleinstadt Holly Springs. Willis kümmert sich um Jewel Mae Orcutt (Patricia Neal), genannt Cookie, die allein in einer Villa lebt und in Erinnerungen schwelgt. Eines Tages ist ihr Lebensüberdruss so groß, dass sie sich eine Kugel in den Kopf jagt. Ihre beiden Nichten Camille Dixon (Glenn Close) und Cora Duvall (Julianne Moore) finden die Tote und beseitigen, um die Familienehre zu wahren, alle Indizien für den Selbstmord. Willis gerät in Verdacht, doch Sheriff Lester Boyle (Ned Beatty) ist von seiner Unschuld ebenso fest überzeugt wie Coras Tochter Emma (Liv Tyler), die mit dem etwas tolpatschigen Deputy Jason (Chris O'Donnell) gerade eine frühere Affäre wieder heftig aufflammen lässt.

Für die ungestüme Leidenschaft der Jugend und für die abgeklärte Ruhe des Alters findet Altman gleichermaßen starke Bilder. Jason nutzt jede Gelegenheit, Emma zu berühren und zu küssen. Für Momente gibt sie sich hin, doch dann ringt die Vernunft jedes Mal die Gefühle nieder. Mitten in der Nacht, als Emma im Gefängnis übernachtet, weil sie sich mit Willis solidarisiert, rollt Jason das gelb leuchtende Absperrband der Polizei in ihre Zelle. Emma folgt dem Band, geht auf eine Tür zu, da taucht Jason auf, umarmt sie, zieht sie hinein in den Raum - die Tür schlägt zu. Was dahinter passiert, geht uns nichts und alles an: Die Kamera richtet ihren Blick auf das Band, das sehr schnell aufgerollt wird, und zeigt uns, dass Jason gerade dabei ist, Emma nach allen Regeln der Verführungskunst einzuwickeln.

Für die letzten Augenblicke im Leben von Cookie Orcutt nimmt sich Altman alle Zeit der Welt. Sie will die Treppe hinaufgehen, sieht, dass die Tür des Waffenschranks offen steht, geht zu ihr hin und versucht sie zu schließen. Dann setzt Cookie wieder an, die Treppe hinaufzugehen, gebrechlich, sich mit beiden Händen am Geländer festhaltend. Im Grunde ist dies für einen Film tote Zeit. Aber es ist die Zeit vor dem Tode, und deshalb ist sie so überaus wertvoll. Vielleicht muss man das Alter aus eigener Erfahrung kennen, um es so würdevoll ins Bild setzen zu können. Wenig später legt sich Cookie ein Kissen auf den Kopf, setzt die Waffe an und drückt ab. Federn fliegen durch den Raum. Ein Bild in der Schwebe: Ein Menschenleben wurde gewaltsam beendet, aber auch befreit von der Beschwernis der Einsamkeit.

Eine milde Ironie, die für alle Verschrobenheiten der Figuren Verständnis hat, zeichnet den Film aus. Die Gefängniszelle, die nie verschlossen ist, wird zum Versammlungsort. Hier vertreiben sich der Tatverdächtige, sein Anwalt und der Sheriff die Zeit mit Gesellschaftsspielen. Willis habe mit Sicherheit nicht die gleiche Blutgruppe wie der mutmaßliche Täter, meint Sheriff Boyle gegenüber einem auswärtigen Polizisten. Woher er das wissen wolle, fragt dieser. "Weil wir zusammen gefischt haben", antwortet Boyle. Altman und seiner Drehbuchautorin Anne Rapp gelingt es, vor unseren Augen eine Gemeinschaft aufscheinen zu lassen, die seit Jahrzehnten besteht und deren fester Zusammenhalt auf Alltäglichkeiten beruht. Unsere kleine Stadt rückt aus weiter Entfernung in greifbare Nähe.

Doch so ganz kann Altman seiner Lust, sich über Menschen lustig zu machen, nicht widerstehen. Mit tatkräftiger Hilfe von Glenn Close legt er Camille als Spottfigur an: zickig, selbstsüchtig und rücksichtslos. Von Beginn an ein Fremdkörper in diesem Film, tritt Camille niemals ins Leben. Dafür gibt es einen guten Grund: Sie wird schließlich zum leichten Opfer, das uns keinerlei Schmerz bereiten, sondern Genugtuung verschaffen soll. Am Ende blickt die Kamera von oben durch die Gitter der Zelle auf Camille herab wie auf ein Tier im Käfig. Altman schraubt sich hier wie früher in die Höhe und begibt sich doch in diesem Moment weit unter das ansonsten sehr hohe Niveau seines Films.

LARS-OLAV BEIER

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