London in den 1970er Jahren: Inmitten der Punkrock-Revolution versucht sich die clevere Trickbetrügerin Estella (Emma Stone) mit ihren kreativen Looks einen Namen zu machen. Gemeinsam mit zwei jungen Dieben als "Partner in Crime" streift sie durch Londons Straßen, bis sie eines Tages durch ihre auffälligen Designs das Interesse der Baronin von Hellman (Emma Thompson) auf sich lenkt. Eine Modelegende - umwerfend schick und an Eleganz kaum zu übertreffen. Doch die Begegnung der beiden ungleichen Frauen setzt eine Reihe von Ereignissen und Enthüllungen in Gang, die dazu führen, dass Estella ihre dunkle Seite nach Außen kehrt und sie zur gefürchteten und rachsüchtigen Cruella de Vil werden lässt, der im Konkurrenzkampf um das perfekte Design alle Mittel recht sind.
Bonusmaterial
4 X HÖHERE AUFLÖSUNG als Full-HD 1080p HDR (HIGH DYNAMIC RANGE) für brillante Helligkeit und satte SFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.2023Lernen von Cruella
Derzeit spielt Isabelle Huppert mit Lust am Chargieren eine Mörderin. Ihr Vorbild dafür fand sie bei Disney.
François Ozons gerade in den deutschen Kinos laufender Film "Mein fabelhaftes Verbrechen" heißt im Original lediglich "Mon Crime", aber was könnte verheißungsvoller sein, als mit einem Wort mehr im deutschen Titel Assoziationen zum Riesenerfolg von Jean-Pierre Jeunets "Die fabelhafte Welt der Amélie" aus dem Jahr 2001 zu wecken? Dabei spielt Ozons Handlung in den Dreißigerjahren - keine gute Epoche für smarte Frauen à la Amélie. Im Kino war das eher die große Zeit der femmes fatales.
Einer wie Odette Chaumette, jener alternden Stummfilmgröße, die im "Fabelhaften Verbrechen" der ohnehin schon überdrehten Handlung nach einer Stunde noch einmal eine weitere Wendung gibt. Dargestellt wird dieser exaltierte Ex-Star von der derzeit größten Schauspielerin des französischen Kinos: Isabelle Huppert, die hier derart lustvoll gegen ihr sonst unterkühltes Image anspielt, dass sie sich sogar eine rote Lockenmähne verpassen ließ, als wollte sie keinen Zweifel daran lassen, alle Klischees einer bösen Hexe zu bieten. Die sich dann als gar nicht so böse erweist.
Isabelle Hupperts erster Auftritt erfolgt schon nach einer Minute, als das von Nadia Tereszkiewicz dargestellte erfolglose Starlet Madeleine Verdier mit ihr auf dem Bürgersteig zusammenrumpelt. Bis auf einen empörten Blick der Chaumette bleibt das folgenlos, aber damit ist die erst eine Stunde später durch Hupperts zweiten Auftritt ausgespielte Wende bereits eingeleitet. Und wir haben die auffällige rote Frisur im Kopf - Chaumette als Rollenname spielt auf "la chaume" an, das Strohdach. Ozon ist ein Regisseur und Drehbuchautor, dem es um jede Kleinigkeit geht.
So dürfen wir auch aufmerken, wenn kurz vor dem Finale des Films Odette Chaumette noch einmal auf dem Bürgersteig unterwegs ist, diesmal selbst so hektisch, dass ihr eine entgegenkommende Frau mit zwei Dalmatinern an der Leine nur knapp ausweichen kann. Dalmatiner haben in der Kinogeschichte nur einmal Furore gemacht: im Disney-Zeichentrickfilm "One Hundred and One Dalmatians", der auch schon einen deutschen Verleihtitel verpasst bekam, der das Publikum an einen früheren Erfolg erinnern sollte: "Pongo und Perdita" benutzte die Namen der beiden Hauptfiguren, eines Hundepaars, wie der sechs Jahre früher erschienene Disney-Film "Susi und Strolch".
Dass "101 Dalmatiner", wie der Film mittlerweile auch in Deutschland seit seiner Videoveröffentlichung von 1996 heißt, im Gedächtnis bleibt, verdankt sich aber der Figur von Cruella de Vil, einer weiteren Frau mit sprechendem Namen. Disney hatte ein Händchen für Schurkinnen, seit die an Greta Garbos Aussehen geschulte böse Königin in "Schneewittchen" 1937 die Zuschauer mehr fasziniert hatte als die - rollengerecht - blasse Titelheldin. Und 1959 wurde die böse Fee Maleficent zum eigentlichen Star der Disney-Dornröschen-Verfilmung - einem ambitionierten Projekt, das aber finanziell floppte. Der Folgefilm "One Hundred and One Dalmatians" fiel bescheidener aus, aber einen populären Zug von "Dornröschen" spielte man noch einmal aus: die femme fatale.
Und mehr als ähnlich, nämlich ganz so, wie die zackig gezeichnete Cruella de Vil exaltiert-irritierend in die harmonische Welt des frisch vermählten Londoner Ehepaars Roger und Anita und derer beider Hunde Pongo und Perdita einbricht, erfolgt auch bei Ozon Isabelle Hupperts Invasion in den trickreich erlangten bürgerlichen Wohlstand von Madeleine und ihrer Freundin Pauline (Rebecca Marder): die Gesten, die Bewegungen, die aufgerissenen Augen, der Spott über die Biederkeit - alles an Huppert ist Cruella de Vil. Man lasse sich nicht dadurch täuschen, dass diese statt des flammend roten Haares der Chaumette einen jeweils hälftig schwarz und weiß gefärbten Schopf hatte - die Vorliebe Cruellas für Schwarz-Weiß gibt das Movens ihres bösen Handelns ab -, wichtig ist jeweils die Betonung der exzentrischen Frisur als Charakteristikum einer Außenseiterin.
Cruella de Vil wurde dank ihrer Drastik zur Legende; kein Wunder, dass in der Realverfilmung der Animationsvorlage 1996 keine Geringere als Glenn Close diese Rolle übernahm. Und dann 2021 ein Spin-off folgte, das ganz Cruella de Vil gehörte. In "Cruella" spielt mit Emma Stone ein weiterer Superstar die Superschurkin - hier als brave junge Frau, die dadurch traumatisiert wird, dass ihre Mutter durch Dalmatiner zu Tode gebracht wird. Man bekommt also die Vorgeschichte zum Geschehen von "101 Dalmatiner" geboten.
Dass Ozon Disney-Fan ist, weiß man schon länger: Beim Produktionsdesign seines Films "Frantz" (2016) hatte der Regisseur sich vorgestellt, er wäre "in einer Walt-Disney-Location" gelandet. Und zu "Mein fabelhaftes Verbrechen" gibt es fürs deutsche Publikum einen Werbevorfilm, in dem Ozon zusammen mit Tereszkiewicz und Marder auftritt - ganz wie auch Disney im Vorfeld neuer Filme persönlich für sie im Fernsehen getrommelt hat. Dass Isabelle Huppert in dem Reklamefilmchen fehlt, ist nur konsequent. Dessen bewusst inszenierte Spießigkeit ist das Gegenteil von Odette Chaumette. Und von Cruella de Vil. ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Derzeit spielt Isabelle Huppert mit Lust am Chargieren eine Mörderin. Ihr Vorbild dafür fand sie bei Disney.
François Ozons gerade in den deutschen Kinos laufender Film "Mein fabelhaftes Verbrechen" heißt im Original lediglich "Mon Crime", aber was könnte verheißungsvoller sein, als mit einem Wort mehr im deutschen Titel Assoziationen zum Riesenerfolg von Jean-Pierre Jeunets "Die fabelhafte Welt der Amélie" aus dem Jahr 2001 zu wecken? Dabei spielt Ozons Handlung in den Dreißigerjahren - keine gute Epoche für smarte Frauen à la Amélie. Im Kino war das eher die große Zeit der femmes fatales.
Einer wie Odette Chaumette, jener alternden Stummfilmgröße, die im "Fabelhaften Verbrechen" der ohnehin schon überdrehten Handlung nach einer Stunde noch einmal eine weitere Wendung gibt. Dargestellt wird dieser exaltierte Ex-Star von der derzeit größten Schauspielerin des französischen Kinos: Isabelle Huppert, die hier derart lustvoll gegen ihr sonst unterkühltes Image anspielt, dass sie sich sogar eine rote Lockenmähne verpassen ließ, als wollte sie keinen Zweifel daran lassen, alle Klischees einer bösen Hexe zu bieten. Die sich dann als gar nicht so böse erweist.
Isabelle Hupperts erster Auftritt erfolgt schon nach einer Minute, als das von Nadia Tereszkiewicz dargestellte erfolglose Starlet Madeleine Verdier mit ihr auf dem Bürgersteig zusammenrumpelt. Bis auf einen empörten Blick der Chaumette bleibt das folgenlos, aber damit ist die erst eine Stunde später durch Hupperts zweiten Auftritt ausgespielte Wende bereits eingeleitet. Und wir haben die auffällige rote Frisur im Kopf - Chaumette als Rollenname spielt auf "la chaume" an, das Strohdach. Ozon ist ein Regisseur und Drehbuchautor, dem es um jede Kleinigkeit geht.
So dürfen wir auch aufmerken, wenn kurz vor dem Finale des Films Odette Chaumette noch einmal auf dem Bürgersteig unterwegs ist, diesmal selbst so hektisch, dass ihr eine entgegenkommende Frau mit zwei Dalmatinern an der Leine nur knapp ausweichen kann. Dalmatiner haben in der Kinogeschichte nur einmal Furore gemacht: im Disney-Zeichentrickfilm "One Hundred and One Dalmatians", der auch schon einen deutschen Verleihtitel verpasst bekam, der das Publikum an einen früheren Erfolg erinnern sollte: "Pongo und Perdita" benutzte die Namen der beiden Hauptfiguren, eines Hundepaars, wie der sechs Jahre früher erschienene Disney-Film "Susi und Strolch".
Dass "101 Dalmatiner", wie der Film mittlerweile auch in Deutschland seit seiner Videoveröffentlichung von 1996 heißt, im Gedächtnis bleibt, verdankt sich aber der Figur von Cruella de Vil, einer weiteren Frau mit sprechendem Namen. Disney hatte ein Händchen für Schurkinnen, seit die an Greta Garbos Aussehen geschulte böse Königin in "Schneewittchen" 1937 die Zuschauer mehr fasziniert hatte als die - rollengerecht - blasse Titelheldin. Und 1959 wurde die böse Fee Maleficent zum eigentlichen Star der Disney-Dornröschen-Verfilmung - einem ambitionierten Projekt, das aber finanziell floppte. Der Folgefilm "One Hundred and One Dalmatians" fiel bescheidener aus, aber einen populären Zug von "Dornröschen" spielte man noch einmal aus: die femme fatale.
Und mehr als ähnlich, nämlich ganz so, wie die zackig gezeichnete Cruella de Vil exaltiert-irritierend in die harmonische Welt des frisch vermählten Londoner Ehepaars Roger und Anita und derer beider Hunde Pongo und Perdita einbricht, erfolgt auch bei Ozon Isabelle Hupperts Invasion in den trickreich erlangten bürgerlichen Wohlstand von Madeleine und ihrer Freundin Pauline (Rebecca Marder): die Gesten, die Bewegungen, die aufgerissenen Augen, der Spott über die Biederkeit - alles an Huppert ist Cruella de Vil. Man lasse sich nicht dadurch täuschen, dass diese statt des flammend roten Haares der Chaumette einen jeweils hälftig schwarz und weiß gefärbten Schopf hatte - die Vorliebe Cruellas für Schwarz-Weiß gibt das Movens ihres bösen Handelns ab -, wichtig ist jeweils die Betonung der exzentrischen Frisur als Charakteristikum einer Außenseiterin.
Cruella de Vil wurde dank ihrer Drastik zur Legende; kein Wunder, dass in der Realverfilmung der Animationsvorlage 1996 keine Geringere als Glenn Close diese Rolle übernahm. Und dann 2021 ein Spin-off folgte, das ganz Cruella de Vil gehörte. In "Cruella" spielt mit Emma Stone ein weiterer Superstar die Superschurkin - hier als brave junge Frau, die dadurch traumatisiert wird, dass ihre Mutter durch Dalmatiner zu Tode gebracht wird. Man bekommt also die Vorgeschichte zum Geschehen von "101 Dalmatiner" geboten.
Dass Ozon Disney-Fan ist, weiß man schon länger: Beim Produktionsdesign seines Films "Frantz" (2016) hatte der Regisseur sich vorgestellt, er wäre "in einer Walt-Disney-Location" gelandet. Und zu "Mein fabelhaftes Verbrechen" gibt es fürs deutsche Publikum einen Werbevorfilm, in dem Ozon zusammen mit Tereszkiewicz und Marder auftritt - ganz wie auch Disney im Vorfeld neuer Filme persönlich für sie im Fernsehen getrommelt hat. Dass Isabelle Huppert in dem Reklamefilmchen fehlt, ist nur konsequent. Dessen bewusst inszenierte Spießigkeit ist das Gegenteil von Odette Chaumette. Und von Cruella de Vil. ANDREAS PLATTHAUS
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