Architekt Jason Kemp (Christopher Reeve) ist nach einem Unfall an den Rollstuhl gefesselt. Aus Langeweile beginnt er, seine Nachbarn zu beobachten. Dabei wird er Zeuge, wie sein Nachbar Julian Thorpe im Streit mit seiner Frau Ilene handgreiflich wird. Die gewalttätigen Auseinandersetzungen des Ehepaars häufen sich. Und plötzlich ist Ilene verschwunden. Jason ist überzeugt: Thorpe hat seine Frau umgebracht! Aber Detective Moore (Robert Forster) bleibt genau so skeptisch wie Jasons Kollegin Claudia (Daryl Hannah). Denn außer Jason hat niemand Schreie gehört. Als Irene unversehens zurückkehrt, scheint alles nur ein Alptraum gewesen zu sein. Oder ist es gar nicht Ilene?
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kapitel- / SzenenanwahlFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.08.2000Wer wohnt im Haus mit dem Fenster zum Hof
Hitchcocks "Rear Window" in frischen Farben
Alfred Hitchcocks Filme werden gerne aus Alfred Hitchcocks Worten gedeutet. So verzichtet kaum eine Deutung von "Das Fenster zum Hof" darauf, ihren Ausgang von dem zu nehmen, was zwischen Hitchcock und François Truffaut in ihrem berühmten Gespräch erörtert wurde: Es handele sich um einen Film über das Zuschauen und den Voyeurismus, mithin einen Film über den Filmbetrachter. Der Kinogänger werde im Film selbst von James Stewart repräsentiert. Dieser schaue, durch ein gebrochenes und vergipstes Bein an einen Rollstuhl gefesselt, so auf den Hof, wie wir, durch die Handlung gefesselt, im Kinositz auf den Film. Wehrlos, ohne Möglichkeit, einzugreifen, ohnmächtig genießend.
Wohl nur um einsame männliche Kinogänger zu schonen, verzichtet diese Deutung auf eine weitere Parallele: James Stewart vernachlässigt die schöne Frau an seiner Seite gerade so, wie es nicht selten Kinobesucher tun, und läßt sich von dem Gesehenen im Hinterhof des "Rear Window" so von ihr ablenken wie wir, vermutlich, durch den Film. In welche Gefahren es einen bringen kann, nicht auf das Nächste zu achten und lieber zu schauen anstatt zu handeln, das konnte Hitchcock damals der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen der von ihm so verehrten Ingrid Bergman und dem berühmten Fotografen Robert Capa entnehmen. Capa hatte 1946 am Set von "Notorious" für das Life Magazine Bilder von Bergman gemacht, und Hitchcock konnte sehen, wie sehr sich die Schauspielerin eine feste Verbindung mit dem Fotografen ersehnte, der sich ihr aber immer wieder entzog. Wie Capa arbeitet der Protagonist des Films für Life, mit Capa teilt er sein Lieblingsrestaurant und seinen Wohnort in Greenwich Village. Die bizarrste Wendung aber: Zwei Monate bevor "Fenster zum Hof" im Sommer 1954 in die Kinos kam, verlor Capa in Vietnam durch eine Mine sein linkes Bein, dasjenige, das bei James Stewart eingegipst ist.
Hitchcock hat also, man darf sagen erneut, einen Film über die Folgen der Schaulust gedreht. Man muß diese Deutung nicht bestreiten, um den Film nicht durch sie erschöpft zu sehen. Vielleicht ergeben sich gerade dort, wo der Vergleich zwischen dem Kinogänger und James Stewart als L. B. Jeffries nicht weiter trägt, Einsichten in die Überlegenheit des Filmemachers Hitchcock gegenüber dem Filmedeuter. Eine solche Grenze dieser Vergleiche sei hier angeführt. Sie besteht im Unterschied zwischen individueller und kollektiver Schaulust. Stewart schaut zumeist allein, mal zusammen mit seiner Haushälterin und zuletzt immer öfter mit der heiratsfreudigen Grace Kelly. Die Kinobesucher aber muß man sich als wie immer einsame Masse vorstellen. Gefesselt ist der Kinobesucher nicht als Individuum, seine Spannung, seine Angst und sein Vergnügen sind nicht besondere, gar einzelne Tatbestände.
In "Fenster zum Hof" gibt es einen oft unbemerkt gebliebenen Sachverhalt, der diesen Unterschied zwischen dem Betrachter des Films und dem Betrachter im Film bestätigt. Wir sehen so gut wie nie das Haus, von dem aus James Stewart beobachtet, von außen. Es ist zumeist, als bestünde es nur aus einer einzigen Wohnung, als hätte der berühmteste Innenhof der Filmgeschichte nur drei Seiten. Für die Handlung ist das ebenso unplausibel wie entscheidend: daß niemand außer James Stewart sieht, was sich gegenüber an Merkwürdigem zuträgt, daß nur einer freies Blickfeld aufs Schreckliche hat. Mit anderen Worten: Es war vom Betrachter des Films der Gedanke daran fernzuhalten, daß auch der Betrachter im Film nicht allein sein kann, wenn er in einem Haus mit mehreren Geschossen wohnt. Es war ihm aus dem Sinn zu bringen, daß es keine einzelnen Betrachter gibt. Allein um zu sehen, wie Hitchcock dies macht, lohnt sich ein erneuter Gang in diesen Film.
JÜRGEN KAUBE
Heute abend, 21 Uhr, Open air im Waschhaus Potsdam, Schiffbauergasse 1. Der Film ist außerdem in den Kinos Balazs (Karl-Liebknecht-Straße 9, um 22.00 Uhr) und im Klick (Windscheidstraße 19, 22.30 Uhr) zu sehen.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hitchcocks "Rear Window" in frischen Farben
Alfred Hitchcocks Filme werden gerne aus Alfred Hitchcocks Worten gedeutet. So verzichtet kaum eine Deutung von "Das Fenster zum Hof" darauf, ihren Ausgang von dem zu nehmen, was zwischen Hitchcock und François Truffaut in ihrem berühmten Gespräch erörtert wurde: Es handele sich um einen Film über das Zuschauen und den Voyeurismus, mithin einen Film über den Filmbetrachter. Der Kinogänger werde im Film selbst von James Stewart repräsentiert. Dieser schaue, durch ein gebrochenes und vergipstes Bein an einen Rollstuhl gefesselt, so auf den Hof, wie wir, durch die Handlung gefesselt, im Kinositz auf den Film. Wehrlos, ohne Möglichkeit, einzugreifen, ohnmächtig genießend.
Wohl nur um einsame männliche Kinogänger zu schonen, verzichtet diese Deutung auf eine weitere Parallele: James Stewart vernachlässigt die schöne Frau an seiner Seite gerade so, wie es nicht selten Kinobesucher tun, und läßt sich von dem Gesehenen im Hinterhof des "Rear Window" so von ihr ablenken wie wir, vermutlich, durch den Film. In welche Gefahren es einen bringen kann, nicht auf das Nächste zu achten und lieber zu schauen anstatt zu handeln, das konnte Hitchcock damals der unglücklichen Liebesgeschichte zwischen der von ihm so verehrten Ingrid Bergman und dem berühmten Fotografen Robert Capa entnehmen. Capa hatte 1946 am Set von "Notorious" für das Life Magazine Bilder von Bergman gemacht, und Hitchcock konnte sehen, wie sehr sich die Schauspielerin eine feste Verbindung mit dem Fotografen ersehnte, der sich ihr aber immer wieder entzog. Wie Capa arbeitet der Protagonist des Films für Life, mit Capa teilt er sein Lieblingsrestaurant und seinen Wohnort in Greenwich Village. Die bizarrste Wendung aber: Zwei Monate bevor "Fenster zum Hof" im Sommer 1954 in die Kinos kam, verlor Capa in Vietnam durch eine Mine sein linkes Bein, dasjenige, das bei James Stewart eingegipst ist.
Hitchcock hat also, man darf sagen erneut, einen Film über die Folgen der Schaulust gedreht. Man muß diese Deutung nicht bestreiten, um den Film nicht durch sie erschöpft zu sehen. Vielleicht ergeben sich gerade dort, wo der Vergleich zwischen dem Kinogänger und James Stewart als L. B. Jeffries nicht weiter trägt, Einsichten in die Überlegenheit des Filmemachers Hitchcock gegenüber dem Filmedeuter. Eine solche Grenze dieser Vergleiche sei hier angeführt. Sie besteht im Unterschied zwischen individueller und kollektiver Schaulust. Stewart schaut zumeist allein, mal zusammen mit seiner Haushälterin und zuletzt immer öfter mit der heiratsfreudigen Grace Kelly. Die Kinobesucher aber muß man sich als wie immer einsame Masse vorstellen. Gefesselt ist der Kinobesucher nicht als Individuum, seine Spannung, seine Angst und sein Vergnügen sind nicht besondere, gar einzelne Tatbestände.
In "Fenster zum Hof" gibt es einen oft unbemerkt gebliebenen Sachverhalt, der diesen Unterschied zwischen dem Betrachter des Films und dem Betrachter im Film bestätigt. Wir sehen so gut wie nie das Haus, von dem aus James Stewart beobachtet, von außen. Es ist zumeist, als bestünde es nur aus einer einzigen Wohnung, als hätte der berühmteste Innenhof der Filmgeschichte nur drei Seiten. Für die Handlung ist das ebenso unplausibel wie entscheidend: daß niemand außer James Stewart sieht, was sich gegenüber an Merkwürdigem zuträgt, daß nur einer freies Blickfeld aufs Schreckliche hat. Mit anderen Worten: Es war vom Betrachter des Films der Gedanke daran fernzuhalten, daß auch der Betrachter im Film nicht allein sein kann, wenn er in einem Haus mit mehreren Geschossen wohnt. Es war ihm aus dem Sinn zu bringen, daß es keine einzelnen Betrachter gibt. Allein um zu sehen, wie Hitchcock dies macht, lohnt sich ein erneuter Gang in diesen Film.
JÜRGEN KAUBE
Heute abend, 21 Uhr, Open air im Waschhaus Potsdam, Schiffbauergasse 1. Der Film ist außerdem in den Kinos Balazs (Karl-Liebknecht-Straße 9, um 22.00 Uhr) und im Klick (Windscheidstraße 19, 22.30 Uhr) zu sehen.
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