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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2000

Unten in der kühlen Gosse
Verkappte Gefühle: Romy Schneider im Duell mit Michel Piccoli

Als Romy Schneider, damals gerade einunddreißig Jahre alt, in Frankreich für die Rolle der Dirne in Claude Sautets unterkühltem Krimi "Max et les ferrailleurs" gefeiert wurde, spöttelte sie mit Hinblick auf mögliche Reaktionen in Deutschland: "Das war natürlich eine Herausforderung. Ich hörte die Leute schon sagen: Ah, die kleine Schneider will jetzt eine Prostituierte spielen! Nun, ich hab's getan."

Doch das Echo war diesseits und jenseits des Rheins gleichermaßen euphorisch. Mit diesem Film gelang es Romy Schneider, auch die letzten Zweifler in Deutschland von ihrem Talent zu überzeugen und das ihr zur Last gewordene "Sissy"-Syndrom endgültig zu überwinden. Eine der trefflichsten Rezensionen erschien im Mai 1971 in der Münchner "Abendzeitung": "Romy Schneiders Nutte Lily ist ein Bravourstück schauspielerischer Disziplin: Balanceakt zwischen angetünchter Gossenkühle und verkapptem Gefühl."

Die Story, eine mörderische Geschichte um Verführung und Verführbarkeit, wurde von dem französischen Regisseur Claude Sautet auf seine Lieblingsprotagonistin zugeschnitten: Lily, die sich mit dem Polizisten Max (Michel Piccoli) auf ein Duell des wechselseitigen Umwerbens und Verstoßens einlässt, ist eine ebenso schillernde wie befremdliche Figur, jedenfalls sehr weit entfernt von allen Klischees einer "Hure mit Herz". Denn sie ist eine berechnende Händlerin der körperlichen Lust. Der Konflikt entbrennt, als sie durch die Begegnung mit Max, dessen Situation der ihren spiegelbildlich entspricht, nicht mehr in der Lage ist, die Seele aus dem Geschäft herauszuhalten.

Mit atemberaubender Offenheit ließ sich Romy Schneider auf eine geradezu pornographische Affäre mit der Kamera ein. Nichts wird da hinter Masken oder Gesten versteckt; Jeder unausgesprochene Gedanke Lilys ist in den Augen sichtbar, zwischen den Dialogzeilen zu hören.

Viele Kritiker ließen sich, vor allem nach dem tragischen Tod der damals erst 43-Jährigen im Mai 1982, dazu hinreißen, ihre darstellerische Tiefe mit den Leiden ihres Lebens zu erklären. Das ist nicht nur Unsinn, es schmälert auch die Leistung der Schauspielerin. Romy Schneider war eine überaus sensitive Persönlichkeit, die sich das Handwerk ihrer Kunst im Lauf der Jahre bis zur Perfektion erobert hatte, die genau um ihre Wirkungsmöglichkeiten wusste und die ihre Rollen mit Gefühl und Geist durchdrang.

Michel Piccoli während der Dreharbeiten über seine Kollegin: "Romy ist die intelligenteste und arbeitswütigste Schauspielerin, die ich kenne. Sie begann als ,Star' und hat erreicht, was sonst nur beim Theater möglich ist: sich eine völlig neue Form und Gestalt zu schaffen . . ."

PETER CLAUS.

"Das Mädchen und der Kommissar", heute Abend 22.30 Uhr im Berliner Kinomuseum, Großbeerenstr. 57, Kreuzberg

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