Der Fischer Jafaar hat es nicht leicht: Statt großer Fische geht ihm bloß Unrat und plötzlich sogar ein Schwein ins Netz, das in der stürmischen letzten Nacht von einem Frachter gefallen war. Nun hat Jafaar ein gewaltiges Problem, denn Schweine gelten in Gaza als unreine Tiere und sind mehr als unerwünscht - darin sind sich die jüdische und die palästinensische Bevölkerung ausnahmsweise einig. Der Unglücksrabe Jafaar versucht alles, um das lästige Schwein schnellstmöglich los zu werden und beginnt dabei einen skurrilen aber nicht ungefährlichen Handel, der seine klägliche Existenz verbessern wird.
Bonusmaterial
- Making of - TrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.08.2012Der Fischer im Paradies
Sylvain Estibals Komödie "Das Schwein von Gaza"
"Das sind alles so Lügen, sagte der Bischof zum Schneider", heißt es in einem satirischen Gedicht von Brecht über die Unfähigkeit, an den menschlichen Fortschritt zu glauben. "Alles so Lügen" könnte man auch über die von Anfang bis Schluss flunkernde Geschichte sagen, die das französische Multitalent Sylvain Estibal (er ist Journalist, Schriftsteller, Fotograf und nun zum ersten Mal Regisseur) mit seiner frei über der Nahost-Wirklichkeit schwebenden Komödie "Das Schwein von Gaza" auftischt: Einem armen, verachteten Fischer aus dem Gazastreifen geht ein lebendiges Schwein ins Netz, und damit fangen Pech und Glück ohne Ende an. Das unreine Tier stört, bringt aber Geld ins Haus und Jafaar fast um sein bescheidenes Leben. Am Ende nimmt ein Eiland der Seligen den armen Fischer und seine Frau nebst Schwein auf. "Gemeinsam brechen wir einen neuen Himmel auf", singt die fröhliche jüdisch-arabische Gesellschaft im Land Utopia, wo Kriegsversehrte ihre Krücken wegwerfen, als hätte sie die Hand Jesu berührt.
Mit überbordender Erfindungslust mogelt sich der Film an der Realität vorbei. Er wäre unerträglich, würde nicht ein großartiger Schauspieler den Episodenkranz um Schwein und Schweinesperma, einen israelischen Wachtposten auf Jafaars Haus und Hamas-Leute nebenan mit seiner intensiven Verwandlungskunst zusammen binden: Sasson Gabay. In Ari Folmans "Made in Israel" betrat der im Irak geborene Mime mit den tief eingeschnittenen Längsfalten seines melancholischen Gesichts 2001 die israelische Filmszene, mit Evan Kolirins "Die Band von nebenan" gewann er den Europäischen Filmpreis, und jüngst sah man ihn beim Berliner Jüdischen Filmfestival als von Schulden und anderen Sorgen geplagten Werkstattbesitzer Fidelman in dem düsteren Tel-Aviv-Drama "Restoration" von Yossi Madmoni. Mit Gabay im Vorder- und Israels Mauer im Hintergrund gelingt es Estibal, der Legende vom kleinen Mann, der sein Schwein unter einem Schafsfell zu Markte trägt und dann einen Sprengstoffgürtel umschnallen muss, doch noch partielle Glaubwürdigkeit zu verleihen.
"Einen vom Lachen erstickten Wutschrei" nennt er seinen übermütigen Versuch. Es rührt, dass ein europäischer Regisseur (wo es den israelischen derzeit die Sprache verschlagen hat) die verfahrene Situation einmal satirisch nehmen will. Doch statt Freudenfunken bleiben am Ende nur Melancholie und Bestürzung zurück.
HANS-JÖRG ROTHER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sylvain Estibals Komödie "Das Schwein von Gaza"
"Das sind alles so Lügen, sagte der Bischof zum Schneider", heißt es in einem satirischen Gedicht von Brecht über die Unfähigkeit, an den menschlichen Fortschritt zu glauben. "Alles so Lügen" könnte man auch über die von Anfang bis Schluss flunkernde Geschichte sagen, die das französische Multitalent Sylvain Estibal (er ist Journalist, Schriftsteller, Fotograf und nun zum ersten Mal Regisseur) mit seiner frei über der Nahost-Wirklichkeit schwebenden Komödie "Das Schwein von Gaza" auftischt: Einem armen, verachteten Fischer aus dem Gazastreifen geht ein lebendiges Schwein ins Netz, und damit fangen Pech und Glück ohne Ende an. Das unreine Tier stört, bringt aber Geld ins Haus und Jafaar fast um sein bescheidenes Leben. Am Ende nimmt ein Eiland der Seligen den armen Fischer und seine Frau nebst Schwein auf. "Gemeinsam brechen wir einen neuen Himmel auf", singt die fröhliche jüdisch-arabische Gesellschaft im Land Utopia, wo Kriegsversehrte ihre Krücken wegwerfen, als hätte sie die Hand Jesu berührt.
Mit überbordender Erfindungslust mogelt sich der Film an der Realität vorbei. Er wäre unerträglich, würde nicht ein großartiger Schauspieler den Episodenkranz um Schwein und Schweinesperma, einen israelischen Wachtposten auf Jafaars Haus und Hamas-Leute nebenan mit seiner intensiven Verwandlungskunst zusammen binden: Sasson Gabay. In Ari Folmans "Made in Israel" betrat der im Irak geborene Mime mit den tief eingeschnittenen Längsfalten seines melancholischen Gesichts 2001 die israelische Filmszene, mit Evan Kolirins "Die Band von nebenan" gewann er den Europäischen Filmpreis, und jüngst sah man ihn beim Berliner Jüdischen Filmfestival als von Schulden und anderen Sorgen geplagten Werkstattbesitzer Fidelman in dem düsteren Tel-Aviv-Drama "Restoration" von Yossi Madmoni. Mit Gabay im Vorder- und Israels Mauer im Hintergrund gelingt es Estibal, der Legende vom kleinen Mann, der sein Schwein unter einem Schafsfell zu Markte trägt und dann einen Sprengstoffgürtel umschnallen muss, doch noch partielle Glaubwürdigkeit zu verleihen.
"Einen vom Lachen erstickten Wutschrei" nennt er seinen übermütigen Versuch. Es rührt, dass ein europäischer Regisseur (wo es den israelischen derzeit die Sprache verschlagen hat) die verfahrene Situation einmal satirisch nehmen will. Doch statt Freudenfunken bleiben am Ende nur Melancholie und Bestürzung zurück.
HANS-JÖRG ROTHER
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