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William Blake macht sich auf in den Westen, um dort eine Stelle als Buchhalter anzutreten. Doch er wird von einer Kugel getroffen. Aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände sieht sich William trotz seiner schweren Verletzung gezwungen, in die Wälder zu fliehen. Der Indianer "Nobody", der ihm dort begegnet, nimmt ihn unter seine Fittiche. Von eiskalten Kopfgeldjägern gejagt, wird William nun selbst zum Outlaw und gefürchteten Killer.
Bonusmaterial
Beil.: Booklet

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Produktbeschreibung
William Blake macht sich auf in den Westen, um dort eine Stelle als Buchhalter anzutreten. Doch er wird von einer Kugel getroffen. Aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände sieht sich William trotz seiner schweren Verletzung gezwungen, in die Wälder zu fliehen. Der Indianer "Nobody", der ihm dort begegnet, nimmt ihn unter seine Fittiche. Von eiskalten Kopfgeldjägern gejagt, wird William nun selbst zum Outlaw und gefürchteten Killer.

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Beil.: Booklet
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.06.2006

Der amerikanische Freund
Vom Wunsch, Indianer zu sein: Der kinematographische Bildungsweg des Regisseurs Jim Jarmusch, gespiegelt in seinen Filmen

Jim Jarmusch Collection.

Arthaus. Neun DVDs. Englisch, Deutsch, Untertitel. Formate 16:9 und 4:3, Extras: Dokumentation, Interviews, Musikvideos, Outtakes, Trailer u.a.

Jim Jarmuschs Geschichte der Welt beginnt mit einem Mann, der durch eine vermüllte Straße in downtown Manhattan geht, im Frühlicht, in der Stunde der Stille und des Erwachens. Die Art, wie er läuft, verbindet die Körperhaltung des Flaneurs von einst mit den Bewegungen des Drifters von heute, und als er seinen Blick an den Häuserwänden entlang nach oben wandern läßt, sieht er zwischen den Kreuzmustern der Fassaden den Himmel wie ein weißes Loch, das ihn einsaugen will. Er erinnere sich an die Leute, die er gekannt habe, wie an eine Folge von Räumen, wird der Mann später sagen. Umgekehrt wirken die Räume, durch die der Film ihn führt, wie eine Folge von Bekanntschaften, und als Aloysious alias Allie sich am Ende nach Paris einschifft, erzählt er davon wie von einer Frau. Die Stadt, die ihn umgibt, schillert im Glanz unerfüllter Möglichkeiten und Begegnungen, in einem Ferienlicht, das nicht mehr weggeht, sondern die Leere des Todes und den Taumel des Irreseins in sich aufgenommen hat. So heißt der Film auch: "Permanent Vacation", 1980.

Ewiger Auszug. Für immer Ferien. Dabei ist es geblieben. Bei Jarmusch gibt es keinen Alltag, es sei denn als Karikatur, wie das Mafia-Familienleben in "Ghost Dog" und die Hotel-Rituale in "Mystery Train". Wer sich hinsetzt, in L.A. oder New York, um coffee and cigarettes zu konsumieren, ist draußen aus der Welt, er tritt in einen Raum ein, der eigenen Gesetzen gehorcht, filmischen, poetischen, emotionalen. In der ersten Episode von "Coffee and Cigarettes" sitzen Zwillinge am Tisch, ein guter, ein böser, und alles, was der gute Zwilling (die Frau) genießt und lobt, macht der böse (der Mann) madig. So ist Jarmuschs Kino der gute Zwilling der Realität, es gewährt Leuten Schutz, die sonst keinen haben, und sammelt Erinnerungen ein, die das kollektive Gedächtnis des amerikanischen Films verdrängt.

In "Dead Man" zum Beispiel: wie der Ausflug in die Kinowelt des Westens zum Manifest des Antiwesterns, der Gegengeschichte wird. Der Film findet die kürzeste Verbindung von Kafkas "Amerika" zu Neil Youngs Gitarrenriffs, von einem Text, der den Westen als europäische Phantasmagorie entwirft, zu einer Musik, die alles Westernhafte hinter sich hat, die zurückwill zu den Klängen der Indianer, zum Anfang, der den Mythen und Märchen der Weißen voraus war. Dazwischen liegt das filmische Vokabular von Ford und Hawks, das Jarmusch konsequent gegen sich selbst kehrt. Nicht der Zug bewegt sich, der William Blake alias Johnny Depp in die Westernstadt Machine bringt, sondern die Landschaft selbst: Westernbilder aus der Laterna magica des Kinos.

So bewegt sich auch der Held - ein Buchhalter! - dieser Geschichte nie selbst, sondern er wird bewegt von den Kugeln, den Blicken, den Menschen, die ihn treffen und die er trifft. Die tödliche Wunde, die er empfängt, befreit ihn zu sich selbst, als Sterbender lernt er zu schießen, als Toter geht er ein in die Welt der Indianer, die Dunkelheit vor der Elektrifizierung. In Wahrheit gibt es kein einziges "authentisches" Detail in diesem Film, selbst der Name des Helden ist ein Zitat; und doch erfährt man mehr über den alten Westen als in "500 Nations" oder "Dances with Wolves". Denn es geht nicht um die Befreiung des Realen aus dem Klischee, sondern darum, die Klischees selbst zum Sprechen zu bringen. Das kann Jarmusch wie kein zweiter im amerikanischen Film.

Mit ihm ist das Independent-Kino erwachsen geworden. Und alt. In "Ghost Dog" (1999) gibt es eine Müdigkeit, ja eine Verzweiflung, die sich in lauter falschen Tönen niederschlagen. Es ist, als wäre Jarmusch selbst der Samurai, der alle seine Feindbilder niederknallt, die Mafiosi der Filmindustrie, die Feiglinge aus dem eigenen Viertel. Aber es hilft nichts, er wird das amerikanische Publikum, das er mit "Down by Law" um den Finger wickelte, nicht zurückgewinnen, dazu ist sein Kino bei aller Ironie zu bitter, zu unzeitgemäß. In "Broken Flowers", seinem ersten Alterswerk, fährt Bill Murrays Don Juan im Leihwagen durch Amerika, auf der Suche nach seinen verflossenen Lieben, und findet vier Unbekannte und eine Tote. Keine hat auf ihn gewartet. Am Ende sinkt er weinend unter einem Baum zusammen, und wenn jetzt ein Indianer käme wie Xebeche (alias Nobody) aus "Dead Man", ginge er wohl mit.

Wenn man "Broken Flowers" (der leider in der Jarmusch-Collection bei Arthaus noch nicht enthalten ist) mit Wim Wenders' "Paris, Texas" vergleicht, einem anderen Film, der von verlorener Liebe, einem vergessenen Sohn und dem Sichwiederfinden in der Welt handelt, wird klar, warum Jarmusch, anders als sein Vorbild Wenders, nie auf die eigene Legende hereingefallen ist. Dazu nimmt er sich nicht wichtig genug. Wo Wenders im Kino immer auf dem Weg ist zu sich selbst, ist Jarmusch mit dem Kino unterwegs zu dem, was ihn interessiert, zu Lautréamont (den er in "Stranger than Paradise" zitiert) und Dante ("Night on Earth"), zu Henry Purcell und Gustav Mahler und zu den Hiphop-Klängen von RZA. Es ist der frei flottierende Literatur- und Musikgeschmack eines Amateurs, aber gerade darin liegt die Chance von Jarmuschs Filmen: daß sie Dinge miteinander in Kontakt bringen, die sonst nie zusammengekommen wären. In "Mystery Train": Elvis und Japan, Graceland, Ozu und Mizoguchi. In "Night on Earth": Cassavetes und Kaurismäki, Gena Rowlands und Matti Pellonpää. In "Down by Law": die Welt Fellinis und der weiße Blues, Benigni und Tom Waits, aufgehoben in einer Geschichte. Bei den Dreharbeiten, erzählt Jarmusch, habe er Waits und John Lurie, Zack und Jack, vorsätzlich im unklaren über ihre Charaktere gelassen, damit sie sich vor der Kamera nicht zu sehr voneinander abzugrenzen versuchten. Der gute und der böse Zwilling, ununterscheidbar, auch hier.

In einem langen Interview im Bonusmaterial zu "Down by Law" erzählt Robby Müller, der auch "Ghost Dog" und "Dead Man" fotografiert hat, das Team sei so klein gewesen, daß Jarmusch, wenn er am nächsten Morgen um acht Uhr mit dem Drehen weitermachen wollte, einfach gerufen habe: "Morgen um acht machen wir weiter." Kein Papierkram, keine Umstände, sagt Müller, und sein Gesicht strahlt. Da hat man das ganze Independent-Kino in einer Fußnote. Es funktioniert auf Zuruf, es ist der direkteste Weg vom Auge über die Kamera in die filmische Schrift, ins Zelluloid. Die andere Seite der Medaille ist die Vermarktung, die Frage der Rechte, und auch da hat Jarmusch die Nase vorn: Er besitzt die Originalnegative aller seiner Filme. Es gibt also keine Jarmusch-Collection ohne Jarmusch, und vielleicht liegt darin sein größter, sein seltsamster Triumph: daß er, der Schwärmer, der Sampler und Eklektizist, dem die großen Meister ebenso wichtig sind wie Grandmaster Flash, am Ende doch so etwas wie ein Werk geschaffen hat.

In "Permanent Vacation" hat Jarmusch auch gelernt, wie er das Kino auf seine spezifische Weise zum Laufen bringt. Für Dolly und Schienen war kein Geld da, also setzte er die Kamera in ein Auto und ließ sie im Schrittempo neben seinem Hauptdarsteller Chris Parker herfahren. Dieses Tempo hat Jim Jarmusch beibehalten, und vielleicht kann man nichts Schöneres über seine Filme sagen, als daß sie unser Schauen für eineinhalb oder zwei Stunden so verlangsamen, daß wir Dinge sehen und spüren, deren Zauber uns sonst entgeht. Die Stille im Bayou. Die Straßen von New York im Winter, in "Stranger than Paradise". Die Dächer New Jerseys. Die Augen von Winona Ryder. Die Leere von Memphis, Tennessee. Und kein Ende in Sicht, zum Glück. Der Drifter ist immer noch unterwegs.

ANDREAS KILB

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