"Departed" spielt in South Boston, wo die Polizei dem organisierten Verbrechen den Krieg erklärt. Der junge Undercover-Cop Billy Costigan (DiCaprio) ist in diesem Viertel aufgewachsen. Er bekommt den Auftrag, sich in das Syndikat des Unterweltbosses Costello (Nicholson) einzuschleusen. Während Billy schnell Costellos Vertrauen gewinnt, hat sich der hartgesottene junge Kriminelle Colin Sullivan (Damon), der ebenfalls aus South Boston stammt, seinerseits bei der Polizei eingeschleust, um für Costello zu spionieren. Er erarbeitet sich in der Ermittlungsspezialeinheit eine Machtposition und gehört zu der Hand voll Elite-Cops, die Costello dingfest machen sollen. Natürlich wissen Colins Vorgesetzte nicht, dass er für Costello arbeitet - der Unterweltboss ist der Polizei immer einen Schritt voraus. Beiden Männern steigt dieses Doppelleben zu Kopf: Sie sammeln Informationen über die Pläne und strategischen Reaktionen der Systeme, in die sie eingedrungen sind. Doch sowohl die Gangster als auch die Cops merken, dass in ihren Reihen ein Maulwurf tätig ist, und plötzlich laufen Billy und Colin Gefahr, entdeckt und gefasst zu werden - hektisch versuchen beide, den anderen zu enttarnen, um selbst unerkannt zu bleiben.
Bonusmaterial
- 2 Original-Dokumentationen: - Stranger Than Fiction: Die Geschichte von Whitey Bulger, der als Inspiration für Jack Nicholsons Rolle diente - Crossing Criminal Cultures: Wie Gewalt und Verbrechen in Little Italy Scorseses Filme beeinflussen - Nicht verwendete Szenen: 9 zusätzliche Szenen mit Einführungen von Regisseur Martin Scorsese - US-KinotrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2006Schwarze Seele, heißes Herz
Martin Scorsese verneigt sich vor seinen Nachahmern: "The Departed - Unter Feinden"
Das Bild am Anfang ist grobkörnig und verwischt, die Stimme, die aus dem Off zu uns spricht, bedrohlich ruhig. Wir sehen Fetzen von Straßenkämpfen, Prügeleien, und wir hören Sätze wie diesen: "Ich will nicht Produkt meiner Umgebung sein, ich will, daß die Umgebung mein Produkt ist. Früher hatten wir die Kirche, was eine Art ist zu sagen, wir hatten einander. Zwanzig Jahre nachdem ein Ire hier keinen verdammten Job kriegen konnte, hatten wir die Präsidentschaft. Das ist's, was die Nigger nicht begreifen. Wenn es was gibt, das ich gegen die schwarzen Säcke habe, dann dies - niemand gibt dir irgendwas. Du mußt es dir nehmen." Dann schwingt die Kamera in einer atemraubenden Volte in einen Laden mit Diner, Mick Jagger faucht "Gimme Shelter", die dunkle Stimme spricht weiter ihre mobphilosophische Liturgie, während der Schatten des Sprechers von einer Seite zur anderen wandert. Und bevor wir sehen, wie aus diesem Schatten Jack Nicholson als Mafiaboß Frank Costello ins Licht tritt, wissen wir: Um diesen Scorsese-Film müssen wir uns keine Sorgen machen.
Martin Scorsese ist wieder, wo er, wie alle Welt denkt, hingehört, im Kosmos der Mafia, und er hat den richtigen Soundtrack parat (von den Stones bis Donizetti) und den richtigen Kameramann (zum siebten Mal für Scorsese: Michael Ballhaus), der den Rhythmus aufnimmt und für mal diffuses, mal stechend klares Licht sorgt, und die Frau im Schneideraum (wie immer: Thelma Schoonmaker), die den Fluß der Bilder, die harschen Brüche und schnellen Blick- und Schußwechsel mit so traumhafter Leichtigkeit montiert, daß wir keinen Absturz fürchten müssen. Kurz: Seit langen Jahren hat Martin Scorsese mit "The Departed - Unter Feinden" wieder einen Film gedreht, der alles hat, was wir an ihm lieben - nur eine große Seele wurde von einigen amerikanischen Kritikern vermißt, aber schließlich handelt es sich um einen Film über die Mafia, und wo säße da die Seele? Vielleicht meinten sie den religiösen Subtext, die katholischen Vergebungsdeals und Auferstehungsträume, die Scorsese, anders als früher, hier links liegenläßt. Er bleibt im Genre, in dem es keine Rettung gibt.
Natürlich nähren sich Scorseses Phantasie und Genie gar nicht von der Welt der Mafia, sondern von der Geschichte des Kinos und seiner Genres. Nur alle anderthalb Jahrzehnte dreht er einen Mafia-Film, und immer, wenn es soweit ist, heißt es, weil er sich so selbstverständlich und entspannt durch diese Welt bewegt: Hier ist er zu Hause. Das war bei "Mean Streets" 1973 so, bei "GoodFellas" 1990, und jetzt bei "The Departed" ist es das gleiche. Dabei lebt Scorseses Legende längst in allen Genres (außer vielleicht der Komödie), und in vielen Ländern ist um ihn für seine Art der Unbedingtheit im Filmemachen eine Aura tiefer Verehrung gewachsen. Auch zum Beispiel in Hongkong. Dessen im Westen berühmteste Filmemacher, von John Woo über Wong Kar-wei zu Andrew Lau, haben in ihren Filmen gezeigt, was sie von ihm gelernt haben. Jetzt geht Scorsese den umgekehrten Weg und verbeugt sich seinerseits. Als Vorlage für seinen neuen Film nimmt er Andrew Laus "Infernal Affairs", der vor einigen Jahren das Genre des Hongkong-Thrillers krönte, mit einem tieftraurigen Tony Leung und einem smarten, gefährlichen Andie Lau in den Hauptrollen und einem Licht, dem Laus Kameramann Christopher Doyle einen Grünstich gibt, als wären alle, denen wir beim Verrat, beim Töten und beim Sterben zusehen, schon lange tot. "The Departed" (Die Verblichenen) ist ein großartiger Titel für einen Film, der diese Geschichte noch einmal erzählt.
Der Drehbuchautor William Monahan hat sich nah an die chinesische Vorlage gehalten. Die entscheidende Veränderung ist der Schauplatz - Boston statt Hongkong. Das gibt der Geschichte eine ethnische Spannung, hier sind die Iren, was früher bei Scorsese die Italiener in New York waren: eine Gruppe von Einwanderern, die rechtlos kamen und von denen sich einige über die Jahrzehnte nahmen, was sie kriegen konnten, den Rauschgiftmarkt, den Waffenhandel, die Verschiebebahnhöfe für militärtaugliche Elektronik. Es geht um doppelte Identitäten, um Verräter im Dienst der Polizei und um Verräter im Dienst des Mafiafürsten Costello, um Ratten, Maulwürfe, Wühltiere von niederster Art und höchstem Raffinement, Unerschrockenheit und bruchfester Loyalität.
Das könnte man schon eine Seele nennen, eine schwarze allerdings. Ein Herz hat der Film allemal. Überraschenderweise ist das Leonardo Di Caprio. Die Rolle des Polizeikadetten Billy, der seine Identität ablegt und undercover zur Truppe von Costello stößt, spielt er mit Härte und gleichzeitig einer kreatürlichen Verwundbarkeit, die einem die Kehle zuschnürt. Billy ist ein guter Kerl aus schäbigen Verhältnissen, mit einem Dealer als Cousin und ansonsten so einsam, daß er sich wie kein anderer dazu eignet, sein beziehungsloses Leben als Polizist statt in der Polizei bei den Verbrechern zu verbringen. Billy ist hart im Nehmen und Austeilen, gewalttätig aus Not, nicht erkannt werden zu dürfen. Aber er zeigt nichts von der Anziehungskraft des Bösen, in der etwa Crockett und Tubbs in Michael Manns "Miami Vice" so schillerten und die auch uns Zuschauer in die verführerische Dynamik des Gesetzlosen hineinzog. Billy hat Angst. Und Di Caprio sieht zum ersten Mal in seiner Karriere so aus wie ein Mann, dem wir das glauben, den wir dafür nicht verachten und der dennoch auch die wenigen romantischen Momente vollkommen ausfüllt. Nicht Jack Nicholson, der in gewohnt übersteigerter Manier den unberechenbaren Schurken gibt, ist die Sensation hier, sondern Di Caprio.
Ihm gegenüber steht Matt Damon als Costellos Zögling Colin, der als Mobster eine glänzende Karriere bei der Polizei hinlegt und jede Bewegung seiner Kollegen an den Mafiaboß weitergibt. Er hat für lange Zeit das bessere Ende des Verratsspiels für sich. Während Billy allein im Diner ißt, sitzt er mit seiner Freundin im französischen Restaurant, er bezieht ein weitläufiges Appartement, trägt gutgeschnittene Anzüge. Er bewegt uns weniger, aber er fasziniert uns mit seiner Fähigkeit zum absoluten Bösen. Um beide herum agiert ein Ensemble großartiger Nebendarsteller - Mark Wahlberg, Martin Sheen, Alec Baldwin, Ray Winstone und in der einzigen Frauenrolle Vera Farmiga. Sie haben immense Textmengen in großem Tempo auszustoßen, insgesamt 237 Mal das Wort "fuck" zu sagen, und dabei gleichzeitig alles unter der Decke zu halten - atemlos, die beste Haltung für einen Thriller.
Scorsese hat, wie jeder weiß, immer noch keinen Oscar. Bevor er alt genug ist für den Ehren-Oscar, hätte die Academy jetzt wieder die Chance, bisher Versäumtes wettzumachen. Doch wenn man sich daran erinnert, daß Scorseses letztes Mafiameisterwerk "GoodFellas" in der Oscar-Nacht hinter "Der mit dem Wolf tanzt" zurückstehen mußte, kann man verstehen, daß Scorsese heute sagt, ihn kümmert's nicht mehr.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Martin Scorsese verneigt sich vor seinen Nachahmern: "The Departed - Unter Feinden"
Das Bild am Anfang ist grobkörnig und verwischt, die Stimme, die aus dem Off zu uns spricht, bedrohlich ruhig. Wir sehen Fetzen von Straßenkämpfen, Prügeleien, und wir hören Sätze wie diesen: "Ich will nicht Produkt meiner Umgebung sein, ich will, daß die Umgebung mein Produkt ist. Früher hatten wir die Kirche, was eine Art ist zu sagen, wir hatten einander. Zwanzig Jahre nachdem ein Ire hier keinen verdammten Job kriegen konnte, hatten wir die Präsidentschaft. Das ist's, was die Nigger nicht begreifen. Wenn es was gibt, das ich gegen die schwarzen Säcke habe, dann dies - niemand gibt dir irgendwas. Du mußt es dir nehmen." Dann schwingt die Kamera in einer atemraubenden Volte in einen Laden mit Diner, Mick Jagger faucht "Gimme Shelter", die dunkle Stimme spricht weiter ihre mobphilosophische Liturgie, während der Schatten des Sprechers von einer Seite zur anderen wandert. Und bevor wir sehen, wie aus diesem Schatten Jack Nicholson als Mafiaboß Frank Costello ins Licht tritt, wissen wir: Um diesen Scorsese-Film müssen wir uns keine Sorgen machen.
Martin Scorsese ist wieder, wo er, wie alle Welt denkt, hingehört, im Kosmos der Mafia, und er hat den richtigen Soundtrack parat (von den Stones bis Donizetti) und den richtigen Kameramann (zum siebten Mal für Scorsese: Michael Ballhaus), der den Rhythmus aufnimmt und für mal diffuses, mal stechend klares Licht sorgt, und die Frau im Schneideraum (wie immer: Thelma Schoonmaker), die den Fluß der Bilder, die harschen Brüche und schnellen Blick- und Schußwechsel mit so traumhafter Leichtigkeit montiert, daß wir keinen Absturz fürchten müssen. Kurz: Seit langen Jahren hat Martin Scorsese mit "The Departed - Unter Feinden" wieder einen Film gedreht, der alles hat, was wir an ihm lieben - nur eine große Seele wurde von einigen amerikanischen Kritikern vermißt, aber schließlich handelt es sich um einen Film über die Mafia, und wo säße da die Seele? Vielleicht meinten sie den religiösen Subtext, die katholischen Vergebungsdeals und Auferstehungsträume, die Scorsese, anders als früher, hier links liegenläßt. Er bleibt im Genre, in dem es keine Rettung gibt.
Natürlich nähren sich Scorseses Phantasie und Genie gar nicht von der Welt der Mafia, sondern von der Geschichte des Kinos und seiner Genres. Nur alle anderthalb Jahrzehnte dreht er einen Mafia-Film, und immer, wenn es soweit ist, heißt es, weil er sich so selbstverständlich und entspannt durch diese Welt bewegt: Hier ist er zu Hause. Das war bei "Mean Streets" 1973 so, bei "GoodFellas" 1990, und jetzt bei "The Departed" ist es das gleiche. Dabei lebt Scorseses Legende längst in allen Genres (außer vielleicht der Komödie), und in vielen Ländern ist um ihn für seine Art der Unbedingtheit im Filmemachen eine Aura tiefer Verehrung gewachsen. Auch zum Beispiel in Hongkong. Dessen im Westen berühmteste Filmemacher, von John Woo über Wong Kar-wei zu Andrew Lau, haben in ihren Filmen gezeigt, was sie von ihm gelernt haben. Jetzt geht Scorsese den umgekehrten Weg und verbeugt sich seinerseits. Als Vorlage für seinen neuen Film nimmt er Andrew Laus "Infernal Affairs", der vor einigen Jahren das Genre des Hongkong-Thrillers krönte, mit einem tieftraurigen Tony Leung und einem smarten, gefährlichen Andie Lau in den Hauptrollen und einem Licht, dem Laus Kameramann Christopher Doyle einen Grünstich gibt, als wären alle, denen wir beim Verrat, beim Töten und beim Sterben zusehen, schon lange tot. "The Departed" (Die Verblichenen) ist ein großartiger Titel für einen Film, der diese Geschichte noch einmal erzählt.
Der Drehbuchautor William Monahan hat sich nah an die chinesische Vorlage gehalten. Die entscheidende Veränderung ist der Schauplatz - Boston statt Hongkong. Das gibt der Geschichte eine ethnische Spannung, hier sind die Iren, was früher bei Scorsese die Italiener in New York waren: eine Gruppe von Einwanderern, die rechtlos kamen und von denen sich einige über die Jahrzehnte nahmen, was sie kriegen konnten, den Rauschgiftmarkt, den Waffenhandel, die Verschiebebahnhöfe für militärtaugliche Elektronik. Es geht um doppelte Identitäten, um Verräter im Dienst der Polizei und um Verräter im Dienst des Mafiafürsten Costello, um Ratten, Maulwürfe, Wühltiere von niederster Art und höchstem Raffinement, Unerschrockenheit und bruchfester Loyalität.
Das könnte man schon eine Seele nennen, eine schwarze allerdings. Ein Herz hat der Film allemal. Überraschenderweise ist das Leonardo Di Caprio. Die Rolle des Polizeikadetten Billy, der seine Identität ablegt und undercover zur Truppe von Costello stößt, spielt er mit Härte und gleichzeitig einer kreatürlichen Verwundbarkeit, die einem die Kehle zuschnürt. Billy ist ein guter Kerl aus schäbigen Verhältnissen, mit einem Dealer als Cousin und ansonsten so einsam, daß er sich wie kein anderer dazu eignet, sein beziehungsloses Leben als Polizist statt in der Polizei bei den Verbrechern zu verbringen. Billy ist hart im Nehmen und Austeilen, gewalttätig aus Not, nicht erkannt werden zu dürfen. Aber er zeigt nichts von der Anziehungskraft des Bösen, in der etwa Crockett und Tubbs in Michael Manns "Miami Vice" so schillerten und die auch uns Zuschauer in die verführerische Dynamik des Gesetzlosen hineinzog. Billy hat Angst. Und Di Caprio sieht zum ersten Mal in seiner Karriere so aus wie ein Mann, dem wir das glauben, den wir dafür nicht verachten und der dennoch auch die wenigen romantischen Momente vollkommen ausfüllt. Nicht Jack Nicholson, der in gewohnt übersteigerter Manier den unberechenbaren Schurken gibt, ist die Sensation hier, sondern Di Caprio.
Ihm gegenüber steht Matt Damon als Costellos Zögling Colin, der als Mobster eine glänzende Karriere bei der Polizei hinlegt und jede Bewegung seiner Kollegen an den Mafiaboß weitergibt. Er hat für lange Zeit das bessere Ende des Verratsspiels für sich. Während Billy allein im Diner ißt, sitzt er mit seiner Freundin im französischen Restaurant, er bezieht ein weitläufiges Appartement, trägt gutgeschnittene Anzüge. Er bewegt uns weniger, aber er fasziniert uns mit seiner Fähigkeit zum absoluten Bösen. Um beide herum agiert ein Ensemble großartiger Nebendarsteller - Mark Wahlberg, Martin Sheen, Alec Baldwin, Ray Winstone und in der einzigen Frauenrolle Vera Farmiga. Sie haben immense Textmengen in großem Tempo auszustoßen, insgesamt 237 Mal das Wort "fuck" zu sagen, und dabei gleichzeitig alles unter der Decke zu halten - atemlos, die beste Haltung für einen Thriller.
Scorsese hat, wie jeder weiß, immer noch keinen Oscar. Bevor er alt genug ist für den Ehren-Oscar, hätte die Academy jetzt wieder die Chance, bisher Versäumtes wettzumachen. Doch wenn man sich daran erinnert, daß Scorseses letztes Mafiameisterwerk "GoodFellas" in der Oscar-Nacht hinter "Der mit dem Wolf tanzt" zurückstehen mußte, kann man verstehen, daß Scorsese heute sagt, ihn kümmert's nicht mehr.
VERENA LUEKEN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main