Katrin Engelhardt, Mitte 30, arbeitet im Architekturbüro von Jürgen Benthagen. Mit ihrem verheirateten Arbeitgeber verbindet sie seit längerem auch ein privates Verhältnis. Während eines Aufenthalts auf Korsika erfährt sie von Jürgen, dass seine Ehefrau im vierten Monat schwanger ist. All ihre Hoffnungen auf ein gemeinsames Leben sind dahin. Sie trennt sich von Jürgen und kündigt auch ihren Job. Ein paar Tage bleiben ihr noch bis zum Rückflug. Durch Zufall lernt sie den 17-jährigen Malte kennen.
Seine bedingungslose Zuneigung zieht Katrin aus dem Sumpf. Doch Malte ist vorbestraft. Katrin ist mit Malte und seiner exzessiven Lebensgier überfordert. Sie verlässt ihn und kehrt in den Küstenort zurück. Dort trifft sie auf die Trümmer ihrer Geschichte: Malte wird von der Polizei gesucht, Jürgen liegt im Koma, und Katrins Leben ist zu einem Drahtseilakt geworden.
Seine bedingungslose Zuneigung zieht Katrin aus dem Sumpf. Doch Malte ist vorbestraft. Katrin ist mit Malte und seiner exzessiven Lebensgier überfordert. Sie verlässt ihn und kehrt in den Küstenort zurück. Dort trifft sie auf die Trümmer ihrer Geschichte: Malte wird von der Polizei gesucht, Jürgen liegt im Koma, und Katrins Leben ist zu einem Drahtseilakt geworden.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Biographien Crew - Kapitel- / Szenenanwahl - Filmographien - Stab und Besetzungsliste - Interview mit Dominik GrafFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2002Korsika kann sehr kalt sein
Die Ferienabenteuer einer Frau unter Einfluß: Dominik Grafs Film "Der Felsen"
Warum ein Regisseur für seinen Film ein bestimmtes ästhetisches Konzept gewählt hat, braucht den Zuschauer im Grunde nicht zu kümmern. Entscheidend ist, ob das Konzept überzeugt. Es spielt also keine Rolle, ob es künstlerische Erwägungen oder finanzielle Nöte waren, die Dominik Graf und seinen Kameramann Benedikt Neuenfels bewogen haben, den Film "Der Felsen" in digitaler Videotechnik zu drehen und die Bilder damit aufs erste flüchtige Hinsehen jenen ungeformten Impressionen anzunähern, die man gemeinhin aus dem Urlaub mitbringt. Wesentlich jedoch ist, wie Graf seine Momentaufnahmen aus einem so karstigen wie garstigen Korsika zum Lebensbild einer Frau von gut dreißig Jahren fügt, die den Boden unter ihren Füßen zu verlieren droht und trotzdem in letzter Konsequenz die Kühnheit scheut, sich fallenzulassen.
Aus dieser fortdauernden Irritation beziehen der Film und seine Hauptfigur ihre immense Spannung: daß da jemand sich selbst zu entkommen sucht und sich doch immer wieder einfangen muß; daß die eigene Fühllosigkeit suggeriert werden soll und das Empfinden doch nicht bezwungen werden kann. Diese Katrin, wie Karoline Eichhorn sie verkörpert, bei ihren fahrigen Reißausversuchen ins Unbestimmte zu verfolgen gehört zum Aufregendsten, was das deutsche Kino momentan zu bieten hat. Eine Frau sieht sich aufs höchste herausgefordert - und der Zuschauer ist es mit ihr.
Eigentlich scheint die Geschichte ganz einfach. Ein verheirateter Mann verbringt mit seiner Geliebten, die obendrein seine Angestellte ist, ein paar Urlaubstage auf Korsika, die unversehens auf Abschied gestimmt sind. Weil seine Frau schwanger sei, gibt der Mann vor, zu ihr zurückfinden und sich von der Geliebten abkehren zu wollen. In Wahrheit wird er auf Korsika bleiben und sich in ein neues amouröses Abenteuer stürzen - aber das ist für den Augenblick gleichgültig, mit dem der Film seinen Anfang nimmt. Wichtiger ist die Reaktion der Verlassenen, die erstaunlich stoisch wirkt und verstört zugleich, die eine Chance sieht, sich treiben zu lassen, und dennoch nicht aus dem Blick verliert, daß ihren kleinen Fluchten das Ende gewiß ist.
Wäre Katrin ehrlich mit sich selbst, müßte sie zugeben, wie verletzt sie über den Treuebruch ist, der seinerseits auf einen Treuebruch gründete. Aber Ehrlichkeit vor sich selbst ist das letzte, was Katrin in ihrer Gefühlslage brauchen kann. Lieber taumelt sie für eine Nacht in ein sexuelles Durcheinander mit zwei Fremdenlegionären. Lieber läßt sie sich, mit Abwehrgesten, die sie selbst nicht glaubt, auf die Nachstellungen Maltes ein, eines Sechzehnjährigen, der einem Umerziehungscamp für straffällig gewordene Jugendliche auf Korsika entlaufen ist und sich mit so feuriger Wut in die Unbedingtheit seiner Liebe stürzt, daß Katrin nicht unversengt bleiben kann.
Dieser Widerspruch im Verhalten seiner Hauptfigur ist der zentrale Punkt des Films "Der Felsen": daß da eine Frau unentwegt lockende Signale aussendet, während sie sich unnahbar gibt; daß sie die Vernunft in den Abgrund schleudert, während sie sich einredet, der Unvernunft niemals nachgeben zu wollen. Aber Graf, gemeinsam mit Markus Busch auch fürs Drehbuch verantwortlich, reiht um dieses Zentrum eine Fülle von Assoziationen, die der Geschichte gleichfalls dienen könnten - doch nur, wenn der Zuschauer es so sehen will.
Es ist wie mit dem afrikanischen Straßenhändler, der gleich am Anfang ins Spiel kommt, ein paar willkürlich zusammengesuchte Gegenstände auf seinem Teppich ausbreitet und fordert, sie zu einer sinnfälligen Ordnung zu verbinden, womöglich gar zu einer Geschichte auf Leben und Tod. Nach demselben System entfalten bei Graf plötzlich ein zufällig entwendeter Korallenring, ein auf der Ablage hinter dem Rückfenster eines Autos vergessener Bikini und ein Flugschein, der zu verfallen droht, ein erstaunliches Eigenleben. Und ebenso geschieht es dem Meer um Korsika und den schrundigen Bergen, einem Gewitterguß und der sonst vom Himmel brennenden Sonne, die Karoline Eichhorns blondes Haar glimmen und ihre Haut regelrecht aufglühen läßt. Er habe, bekannte der Regisseur, bei dieser Arbeit stets das Gefühl gehabt, daß über dem, was erzählt wird, noch eine andere Schicht liege: so, als würde man über eine Landkarte eine Folie mit anderen Linien legen.
Diese Linien mit der eigenen Phantasie nachzufahren ist eine unwiderstehliche Einladung an den Zuschauer. Vielleicht mögen die Kommentare aus dem Off, die sich auf die Bilder einen Reim zu machen suchen oder ihnen ein unvermutet anderes Bild entgegensetzen, mitunter zu nachdrücklich mit Bedeutung aufgeladen sein. Vielleicht investiert Dominik Graf am, versteht sich, tödlichen Ende, wenn die Liebenden gejagt werden wie Schwerverbrecher, weil Malte ins Camp zurückgezwungen werden soll, zuviel gängige Thrillerspannung in ein Geschehen, das sich doch aller Konvention entzieht. Vielleicht gibt der Regisseur seiner Lust am Symbolischen auch mehr Auslauf, als angemessen wäre. Aber wie er der Abbildung im planen Realismus entgeht und trotzdem nichts anderes als erlebtes Leben ausbreitet, wie er die Muster des Melodrams aufbricht und psychologisch verdichtet, ohne ein fuchtelndes Lars-von-Trier-Dogma daraus zu machen, wie er schließlich die stets außerordentliche Schauspielerin Karoline Eichhorn verführen kann, aus sich herauszugehen wie selten zuvor - das ist ein Kinoereignis ersten Ranges.
Gleichsam improvisiert scheint dieser Film mit seinen verwaschenen, manchmal wie versehentlich übereinandergeschobenen Bildern. Ganz selbstverständlich und spontan wirken Körpersprache und Stimmlagen Katrins in angespannter wie gelöster Stimmung. Und doch ist das alles Ausdruck einer Kunst, die erst in dem Bewußtsein, daß im Möglichen immer das Unmögliche mitschwingt, ihre Wahrhaftigkeit findet.
HANS-DIETER SEIDEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Ferienabenteuer einer Frau unter Einfluß: Dominik Grafs Film "Der Felsen"
Warum ein Regisseur für seinen Film ein bestimmtes ästhetisches Konzept gewählt hat, braucht den Zuschauer im Grunde nicht zu kümmern. Entscheidend ist, ob das Konzept überzeugt. Es spielt also keine Rolle, ob es künstlerische Erwägungen oder finanzielle Nöte waren, die Dominik Graf und seinen Kameramann Benedikt Neuenfels bewogen haben, den Film "Der Felsen" in digitaler Videotechnik zu drehen und die Bilder damit aufs erste flüchtige Hinsehen jenen ungeformten Impressionen anzunähern, die man gemeinhin aus dem Urlaub mitbringt. Wesentlich jedoch ist, wie Graf seine Momentaufnahmen aus einem so karstigen wie garstigen Korsika zum Lebensbild einer Frau von gut dreißig Jahren fügt, die den Boden unter ihren Füßen zu verlieren droht und trotzdem in letzter Konsequenz die Kühnheit scheut, sich fallenzulassen.
Aus dieser fortdauernden Irritation beziehen der Film und seine Hauptfigur ihre immense Spannung: daß da jemand sich selbst zu entkommen sucht und sich doch immer wieder einfangen muß; daß die eigene Fühllosigkeit suggeriert werden soll und das Empfinden doch nicht bezwungen werden kann. Diese Katrin, wie Karoline Eichhorn sie verkörpert, bei ihren fahrigen Reißausversuchen ins Unbestimmte zu verfolgen gehört zum Aufregendsten, was das deutsche Kino momentan zu bieten hat. Eine Frau sieht sich aufs höchste herausgefordert - und der Zuschauer ist es mit ihr.
Eigentlich scheint die Geschichte ganz einfach. Ein verheirateter Mann verbringt mit seiner Geliebten, die obendrein seine Angestellte ist, ein paar Urlaubstage auf Korsika, die unversehens auf Abschied gestimmt sind. Weil seine Frau schwanger sei, gibt der Mann vor, zu ihr zurückfinden und sich von der Geliebten abkehren zu wollen. In Wahrheit wird er auf Korsika bleiben und sich in ein neues amouröses Abenteuer stürzen - aber das ist für den Augenblick gleichgültig, mit dem der Film seinen Anfang nimmt. Wichtiger ist die Reaktion der Verlassenen, die erstaunlich stoisch wirkt und verstört zugleich, die eine Chance sieht, sich treiben zu lassen, und dennoch nicht aus dem Blick verliert, daß ihren kleinen Fluchten das Ende gewiß ist.
Wäre Katrin ehrlich mit sich selbst, müßte sie zugeben, wie verletzt sie über den Treuebruch ist, der seinerseits auf einen Treuebruch gründete. Aber Ehrlichkeit vor sich selbst ist das letzte, was Katrin in ihrer Gefühlslage brauchen kann. Lieber taumelt sie für eine Nacht in ein sexuelles Durcheinander mit zwei Fremdenlegionären. Lieber läßt sie sich, mit Abwehrgesten, die sie selbst nicht glaubt, auf die Nachstellungen Maltes ein, eines Sechzehnjährigen, der einem Umerziehungscamp für straffällig gewordene Jugendliche auf Korsika entlaufen ist und sich mit so feuriger Wut in die Unbedingtheit seiner Liebe stürzt, daß Katrin nicht unversengt bleiben kann.
Dieser Widerspruch im Verhalten seiner Hauptfigur ist der zentrale Punkt des Films "Der Felsen": daß da eine Frau unentwegt lockende Signale aussendet, während sie sich unnahbar gibt; daß sie die Vernunft in den Abgrund schleudert, während sie sich einredet, der Unvernunft niemals nachgeben zu wollen. Aber Graf, gemeinsam mit Markus Busch auch fürs Drehbuch verantwortlich, reiht um dieses Zentrum eine Fülle von Assoziationen, die der Geschichte gleichfalls dienen könnten - doch nur, wenn der Zuschauer es so sehen will.
Es ist wie mit dem afrikanischen Straßenhändler, der gleich am Anfang ins Spiel kommt, ein paar willkürlich zusammengesuchte Gegenstände auf seinem Teppich ausbreitet und fordert, sie zu einer sinnfälligen Ordnung zu verbinden, womöglich gar zu einer Geschichte auf Leben und Tod. Nach demselben System entfalten bei Graf plötzlich ein zufällig entwendeter Korallenring, ein auf der Ablage hinter dem Rückfenster eines Autos vergessener Bikini und ein Flugschein, der zu verfallen droht, ein erstaunliches Eigenleben. Und ebenso geschieht es dem Meer um Korsika und den schrundigen Bergen, einem Gewitterguß und der sonst vom Himmel brennenden Sonne, die Karoline Eichhorns blondes Haar glimmen und ihre Haut regelrecht aufglühen läßt. Er habe, bekannte der Regisseur, bei dieser Arbeit stets das Gefühl gehabt, daß über dem, was erzählt wird, noch eine andere Schicht liege: so, als würde man über eine Landkarte eine Folie mit anderen Linien legen.
Diese Linien mit der eigenen Phantasie nachzufahren ist eine unwiderstehliche Einladung an den Zuschauer. Vielleicht mögen die Kommentare aus dem Off, die sich auf die Bilder einen Reim zu machen suchen oder ihnen ein unvermutet anderes Bild entgegensetzen, mitunter zu nachdrücklich mit Bedeutung aufgeladen sein. Vielleicht investiert Dominik Graf am, versteht sich, tödlichen Ende, wenn die Liebenden gejagt werden wie Schwerverbrecher, weil Malte ins Camp zurückgezwungen werden soll, zuviel gängige Thrillerspannung in ein Geschehen, das sich doch aller Konvention entzieht. Vielleicht gibt der Regisseur seiner Lust am Symbolischen auch mehr Auslauf, als angemessen wäre. Aber wie er der Abbildung im planen Realismus entgeht und trotzdem nichts anderes als erlebtes Leben ausbreitet, wie er die Muster des Melodrams aufbricht und psychologisch verdichtet, ohne ein fuchtelndes Lars-von-Trier-Dogma daraus zu machen, wie er schließlich die stets außerordentliche Schauspielerin Karoline Eichhorn verführen kann, aus sich herauszugehen wie selten zuvor - das ist ein Kinoereignis ersten Ranges.
Gleichsam improvisiert scheint dieser Film mit seinen verwaschenen, manchmal wie versehentlich übereinandergeschobenen Bildern. Ganz selbstverständlich und spontan wirken Körpersprache und Stimmlagen Katrins in angespannter wie gelöster Stimmung. Und doch ist das alles Ausdruck einer Kunst, die erst in dem Bewußtsein, daß im Möglichen immer das Unmögliche mitschwingt, ihre Wahrhaftigkeit findet.
HANS-DIETER SEIDEL
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