Produktdetails
- Hersteller: Peter Jackson
- FSK: ohne Alterseinschränkung gemäß §14 JuSchG
- EAN: 4012878119285
- Artikelnr.: 28098954
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.02.2012Sattelfester Regisseur
Was das Pferd Spielbergs Film "Gefährten" verdankt
Die südwestenglische Landschaft von Devon hat alles, was es zu einem neuen Arkadien braucht: sanfte Hügel, kuschelige Hecken, schirmende Bäume und von ferne den Geruch des Meeres. Wären da bloß nicht diese Steine. Schwer und scheinbar unverrückbar liegen sie auf den Hainen, und wenn ein Bauer da mit dem Pflug vorankommen wollte, brauchte er ein Lasttier wohl von der Größe zweier Elefanten. Doch Ted Narracott hat ein schönes Tier gekauft, ein Pferd, auf dem man durch die Flure galoppieren möchte, keinesfalls aber es ins Geschirr legen. Es äußert sich etwas nobel Störrisches in diesem Kauf, und dem Sohn Albert obliegt es nun, aus dem Pferd Joey einen Aristokraten unter den Ackergäulen zu machen. Denn gepflügt muss werden, andernfalls fällt das Land zurück an den Pachtherrn und die Narracotts müssten wohl Devon den Rücken kehren und sich den elenden Massen in London anschließen.
Doch dann kommt alles ganz anders, und auch dieser lange Prolog zu Steven Spielbergs neuem Film "Gefährten" ("War Horse") bekommt nun erst so richtig seinen Sinn. Der Pflug, den Joey mit einer Kraft zieht, die sogar den schweren Stein zerbrechen lässt, muss dem Schwerte weichen. Der Erste Weltkrieg bricht aus, in England wird bis in die hintersten Winkel des Landes rekrutiert und requiriert, und so ist es Joey, der die Scholle hinter sich lassen und in den Krieg ziehen muss. Sein treuer Flüsterer Albert ist anfangs noch zu jung, doch er wird alles tun, um bald selbst irgendwo zwischen Somme und Verdun nach Joey Ausschau halten zu können.
Es ist aber das Tier, dessen Odyssee durch den Krieg in "Gefährten" erzählt wird. Da sich der Erste Weltkrieg für das pikareske Genre nicht sonderlich eignet, ist es im Wesentlichen ein Epos der geschundenen Kreatur, das Spielberg hier erzählt. Im Umgang mit den Tieren verdichtet sich der Widersinn des Kriegs, denn sie wissen nichts von Kaisern und Königen, Nationen und Traditionen. Sie tun das, wozu man sie einspannt - bis es Joey in dem einzigen wirklich großen Moment dieses Films zu viel wird und er einfach ausbricht. Mit der ganzen Kraft, mit der er zuvor den Pflug und später die Artilleriewagen gezogen hat, läuft er los und endet jämmerlich in einem Stacheldraht. Wie Spielberg das löst, das ist so etwas wie der Inbegriff seiner sentimentalen Ökumene, ein Moment, in dem die üblichen Dramen suspendiert sind und es einzig darum geht, einem schutzbefohlenen Wesen die Schmerzen zu lindern, gleich, welche Uniform man trägt oder welcher patriotischen Verblendung man unterliegt. Es ist eine dieser typischen Spielberg-Szenen, in denen Rührung alle anderen Impulse überlagert. Und es ist zugleich eine neue Qualität, denn die Logik der Stellvertretung, die sein Werk so intensiv prägt (tausend Schindlerjuden für sechs Millionen Opfer der Schoa, ein geretteter Gefreiter für Millionen gefallener G.I.s, ein Extraterrestrischer für alle verlassenen Kinder dieser Welt), weitet sich hier nun über die Gattungsgrenze hinaus und appelliert noch stärker an jene konditionierten Reflexe, die schon immer sein Spezialgebiet waren.
Dem steht wie immer ein Interesse an der virtuosen Ausgestaltung der einen oder anderen großen Aktionsszene gegenüber. Was "Saving Private Ryan" mit der Landung in der Normandie für den Zweiten Weltkrieg bedeutete, das leistet nun "Gefährten" für den Ersten Weltkrieg: ein Schlachtengemälde, das Lewis Milestones berühmte Verfilmung von "Im Westen nichts Neues" in Rente schickt. Doch sind diese Szenen, in denen Spielberg wie immer dem Darstellungsrealismus seines Mediums das höchste Vertrauen entgegenbringt, nur die Rahmenbedingung für das in "Gefährten" mit großem Pathos inszenierte Ideal: dass nämlich die glückliche Einheit von Mensch und Haus und Hof, von Landwirt und Nutztier, von Mutterland und Mutterbrust nicht einmal der größte Krieg verwüsten kann.
Damit betreibt "Gefährten" - auf der Grundlage des Romans "War Horse" von Michael Morpurgo - pure Mythologie, Homer gekreuzt mit "Lassie", und entsprechend sieht auch das Devon aus, mit dem alles beginnt und in das alles zurückführt. Nur Ted Narracott, der aus dem Burenkrieg als vielfach versehrter Mann zurückgekommen ist und seinen Schmerz nun bärbeißig in sich hineintrinkt, verweist darauf, dass von den Eindrücken der Schlacht so etwas wie ein traumatischer Rest bleiben kann, den man in keine Pferdeflanke weinen kann.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was das Pferd Spielbergs Film "Gefährten" verdankt
Die südwestenglische Landschaft von Devon hat alles, was es zu einem neuen Arkadien braucht: sanfte Hügel, kuschelige Hecken, schirmende Bäume und von ferne den Geruch des Meeres. Wären da bloß nicht diese Steine. Schwer und scheinbar unverrückbar liegen sie auf den Hainen, und wenn ein Bauer da mit dem Pflug vorankommen wollte, brauchte er ein Lasttier wohl von der Größe zweier Elefanten. Doch Ted Narracott hat ein schönes Tier gekauft, ein Pferd, auf dem man durch die Flure galoppieren möchte, keinesfalls aber es ins Geschirr legen. Es äußert sich etwas nobel Störrisches in diesem Kauf, und dem Sohn Albert obliegt es nun, aus dem Pferd Joey einen Aristokraten unter den Ackergäulen zu machen. Denn gepflügt muss werden, andernfalls fällt das Land zurück an den Pachtherrn und die Narracotts müssten wohl Devon den Rücken kehren und sich den elenden Massen in London anschließen.
Doch dann kommt alles ganz anders, und auch dieser lange Prolog zu Steven Spielbergs neuem Film "Gefährten" ("War Horse") bekommt nun erst so richtig seinen Sinn. Der Pflug, den Joey mit einer Kraft zieht, die sogar den schweren Stein zerbrechen lässt, muss dem Schwerte weichen. Der Erste Weltkrieg bricht aus, in England wird bis in die hintersten Winkel des Landes rekrutiert und requiriert, und so ist es Joey, der die Scholle hinter sich lassen und in den Krieg ziehen muss. Sein treuer Flüsterer Albert ist anfangs noch zu jung, doch er wird alles tun, um bald selbst irgendwo zwischen Somme und Verdun nach Joey Ausschau halten zu können.
Es ist aber das Tier, dessen Odyssee durch den Krieg in "Gefährten" erzählt wird. Da sich der Erste Weltkrieg für das pikareske Genre nicht sonderlich eignet, ist es im Wesentlichen ein Epos der geschundenen Kreatur, das Spielberg hier erzählt. Im Umgang mit den Tieren verdichtet sich der Widersinn des Kriegs, denn sie wissen nichts von Kaisern und Königen, Nationen und Traditionen. Sie tun das, wozu man sie einspannt - bis es Joey in dem einzigen wirklich großen Moment dieses Films zu viel wird und er einfach ausbricht. Mit der ganzen Kraft, mit der er zuvor den Pflug und später die Artilleriewagen gezogen hat, läuft er los und endet jämmerlich in einem Stacheldraht. Wie Spielberg das löst, das ist so etwas wie der Inbegriff seiner sentimentalen Ökumene, ein Moment, in dem die üblichen Dramen suspendiert sind und es einzig darum geht, einem schutzbefohlenen Wesen die Schmerzen zu lindern, gleich, welche Uniform man trägt oder welcher patriotischen Verblendung man unterliegt. Es ist eine dieser typischen Spielberg-Szenen, in denen Rührung alle anderen Impulse überlagert. Und es ist zugleich eine neue Qualität, denn die Logik der Stellvertretung, die sein Werk so intensiv prägt (tausend Schindlerjuden für sechs Millionen Opfer der Schoa, ein geretteter Gefreiter für Millionen gefallener G.I.s, ein Extraterrestrischer für alle verlassenen Kinder dieser Welt), weitet sich hier nun über die Gattungsgrenze hinaus und appelliert noch stärker an jene konditionierten Reflexe, die schon immer sein Spezialgebiet waren.
Dem steht wie immer ein Interesse an der virtuosen Ausgestaltung der einen oder anderen großen Aktionsszene gegenüber. Was "Saving Private Ryan" mit der Landung in der Normandie für den Zweiten Weltkrieg bedeutete, das leistet nun "Gefährten" für den Ersten Weltkrieg: ein Schlachtengemälde, das Lewis Milestones berühmte Verfilmung von "Im Westen nichts Neues" in Rente schickt. Doch sind diese Szenen, in denen Spielberg wie immer dem Darstellungsrealismus seines Mediums das höchste Vertrauen entgegenbringt, nur die Rahmenbedingung für das in "Gefährten" mit großem Pathos inszenierte Ideal: dass nämlich die glückliche Einheit von Mensch und Haus und Hof, von Landwirt und Nutztier, von Mutterland und Mutterbrust nicht einmal der größte Krieg verwüsten kann.
Damit betreibt "Gefährten" - auf der Grundlage des Romans "War Horse" von Michael Morpurgo - pure Mythologie, Homer gekreuzt mit "Lassie", und entsprechend sieht auch das Devon aus, mit dem alles beginnt und in das alles zurückführt. Nur Ted Narracott, der aus dem Burenkrieg als vielfach versehrter Mann zurückgekommen ist und seinen Schmerz nun bärbeißig in sich hineintrinkt, verweist darauf, dass von den Eindrücken der Schlacht so etwas wie ein traumatischer Rest bleiben kann, den man in keine Pferdeflanke weinen kann.
BERT REBHANDL
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