Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.09.2013Denis Dercourts Filmdrama "Zum Geburtstag"
Teufelspakte haben die Eigenschaft, eine der beiden Seiten für eine befristete Zeit sehr glücklich zu machen. Danach die Sintflut. Oder besser: ebender Teufel. Denn der bildet immer die andere Seite. Und so ist es kein Wunder, dass mit diabolischer Zuverlässigkeit lange Jahre nach einem solchen Abkommen Georg ins Leben von Paul zurückkehrt. Denn Pauls Frist ist abgelaufen.
Alles begann in der späten DDR, als die beiden Klassenkameraden siebzehn waren. Da bekam Paul zum Geburtstag die schöne Anna von deren bisherigem Freund Georg abgetreten - unter der Bedingung, sie später einmal wieder zurückzubekommen, und zwar unverändert. Damit lässt sich Georg Zeit. Pauls und Annas Leben ist perfekt: Nach dem Mauerfall wird er Abteilungsleiter in einer Bank und sie Biologie-Professorin, man hat ein Haus und zwei Kinder, eine Tochter, einen Sohn. Doch dann bekommt Paul einen neuen Vorgesetzten, und niemand, der Teufelspakte kennt, wird überrascht sein, wer es ist. Auch Paul ist es nicht wirklich, denn er hat die Abmachung vor runden zwanzig Jahren nie vergessen. Zumal er ein gerüttelt Maß Schuld daran trug, dass Georg Anna aufgab. Auch er war ein Teufel, ein "grünäugiger", wie Shakespeare die Eifersucht nennt. Davon aber hat er seiner Frau nie erzählt, und nun droht all das auf den Tisch zu kommen. Dass allerdings noch viel mehr auf den Tisch kommt, ist der besondere Kniff von Denis Dercourts neuem Film "Zum Geburtstag".
Der 1964 geborene französische Regisseur hat zum ersten Mal in Deutschland mit deutschen Darstellern gedreht. Und mit was für welchen: Marie Bäumer als Anna, Sylvester Groth als Georg, Mark Waschke als Paul. Und als wäre das nicht schon ein teuflisch gutes Trio, kommt noch Sophie Rois dazu. Damit fangen die Probleme an.
Nicht, weil Sophie Rois nicht gut wäre; sie ist die Beste im Film. Leider aber auch das Beste. Denn mit ihrer Rolle wird das Kernproblem auf vier Personen erweitert. Ihre Yvonne war jenes Mädchen, das Paul an dem Tag, als Georg sich von Anna trennte, für den Freund aussuchte. Da Georg der Sohn eines hohen Tiers bei der Stasi war, wusste er, wie man sich Zuneigung erpresst. So wurde damals nicht nur eine unschuldige Frau in den Teufelspakt hineingezogen, sondern zwei. Und auch Yvonne ist immer noch mit Georg liiert. Wie sich erweist, passen beide wunderbar zusammen.
Diese Erweiterung des altbekannten und dank Goethe urdeutschen Topos vom Teufelspakt könnte man Dercourt, der auch das Drehbuch schrieb, hoch anrechnen. Doch dass er das Ganze noch ein Stück weiterdreht, ahnt man spätestens in der ersten Szene von Sophie Rois, die mit großer Lust am Spiel alles preisgibt, was ihre Figur ausmacht. Fortan könnte es für den Zuschauer ein neues Psychodrama nach Hitchcocks Prämisse werden, dass man als Wissender umso mehr mitbangt. Doch das reicht Dercourt nicht. Er dreht die Schraube weiter, viel zu weit für achtzig Minuten. Dazu hat irgendwer sein Drehbuch in ein Deutsch übertragen, das selbst diese guten Schauspieler nicht anders aufsagen können, als ob sie es auf einen Verfremdungseffekt anlegten. Teuflisch.
ANDREAS PLATTHAUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Teufelspakte haben die Eigenschaft, eine der beiden Seiten für eine befristete Zeit sehr glücklich zu machen. Danach die Sintflut. Oder besser: ebender Teufel. Denn der bildet immer die andere Seite. Und so ist es kein Wunder, dass mit diabolischer Zuverlässigkeit lange Jahre nach einem solchen Abkommen Georg ins Leben von Paul zurückkehrt. Denn Pauls Frist ist abgelaufen.
Alles begann in der späten DDR, als die beiden Klassenkameraden siebzehn waren. Da bekam Paul zum Geburtstag die schöne Anna von deren bisherigem Freund Georg abgetreten - unter der Bedingung, sie später einmal wieder zurückzubekommen, und zwar unverändert. Damit lässt sich Georg Zeit. Pauls und Annas Leben ist perfekt: Nach dem Mauerfall wird er Abteilungsleiter in einer Bank und sie Biologie-Professorin, man hat ein Haus und zwei Kinder, eine Tochter, einen Sohn. Doch dann bekommt Paul einen neuen Vorgesetzten, und niemand, der Teufelspakte kennt, wird überrascht sein, wer es ist. Auch Paul ist es nicht wirklich, denn er hat die Abmachung vor runden zwanzig Jahren nie vergessen. Zumal er ein gerüttelt Maß Schuld daran trug, dass Georg Anna aufgab. Auch er war ein Teufel, ein "grünäugiger", wie Shakespeare die Eifersucht nennt. Davon aber hat er seiner Frau nie erzählt, und nun droht all das auf den Tisch zu kommen. Dass allerdings noch viel mehr auf den Tisch kommt, ist der besondere Kniff von Denis Dercourts neuem Film "Zum Geburtstag".
Der 1964 geborene französische Regisseur hat zum ersten Mal in Deutschland mit deutschen Darstellern gedreht. Und mit was für welchen: Marie Bäumer als Anna, Sylvester Groth als Georg, Mark Waschke als Paul. Und als wäre das nicht schon ein teuflisch gutes Trio, kommt noch Sophie Rois dazu. Damit fangen die Probleme an.
Nicht, weil Sophie Rois nicht gut wäre; sie ist die Beste im Film. Leider aber auch das Beste. Denn mit ihrer Rolle wird das Kernproblem auf vier Personen erweitert. Ihre Yvonne war jenes Mädchen, das Paul an dem Tag, als Georg sich von Anna trennte, für den Freund aussuchte. Da Georg der Sohn eines hohen Tiers bei der Stasi war, wusste er, wie man sich Zuneigung erpresst. So wurde damals nicht nur eine unschuldige Frau in den Teufelspakt hineingezogen, sondern zwei. Und auch Yvonne ist immer noch mit Georg liiert. Wie sich erweist, passen beide wunderbar zusammen.
Diese Erweiterung des altbekannten und dank Goethe urdeutschen Topos vom Teufelspakt könnte man Dercourt, der auch das Drehbuch schrieb, hoch anrechnen. Doch dass er das Ganze noch ein Stück weiterdreht, ahnt man spätestens in der ersten Szene von Sophie Rois, die mit großer Lust am Spiel alles preisgibt, was ihre Figur ausmacht. Fortan könnte es für den Zuschauer ein neues Psychodrama nach Hitchcocks Prämisse werden, dass man als Wissender umso mehr mitbangt. Doch das reicht Dercourt nicht. Er dreht die Schraube weiter, viel zu weit für achtzig Minuten. Dazu hat irgendwer sein Drehbuch in ein Deutsch übertragen, das selbst diese guten Schauspieler nicht anders aufsagen können, als ob sie es auf einen Verfremdungseffekt anlegten. Teuflisch.
ANDREAS PLATTHAUS
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