Ein entlegener Leuchtturm-Außenposten an der Küste Neuenglands wird zum Schauplatz eines archaischen Duells zweier dem Wahnsinn nahen Männer. Thomas Wake (Willem Dafoe) und Efraim Winslow (Robert Pattinson) werden auf eine einsame Insel gesandt, um eine marode Leuchtturmanlage zu warten und in Betrieb zu halten. Zur Zeit der Jahrhundertwende an der rauen Atlantikküste ist das eine wichtige Aufgabe, die sich mehr und mehr in einen Überlebenskampf verwandelt. Die zwei extrem unterschiedlichen Charaktere prallen ungebremst aufeinander und als ein nicht enden wollender Sturm über sie hinwegzieht, wird aus psychologischen Sticheleien schon bald ein brutaler Nervenkrieg.
Bonusmaterial
- Unveröffentlichte Szenen- Eine dunkle und stürmische Geschichte- Filmkommentar mit Co-Autor/Regisseur Robert EggersFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.11.2019Chaos und Körperkampf
Unterlegt mit Höllenlärm: "Der Leuchtturm" von Robert Eggers ist ein Horrorfilm zwischen Konzeptkunst und Trash.
Thomas Wake und Ephraim Winslow - das sind die Namen zweier Männer, die gemeinsam einen wichtigen Dienst versehen. Sie sind Wärter bei einem Leuchtturm im westlichen Atlantik, an einer Felsklippe an einem der Ausläufer von Nordamerika. Ihre Namen deuten schon an, dass sie einer anderen Zeit angehören, einer Zeit, die noch tief in altertümlichen Ordnungen verwurzelt war. Das 19. Jahrhundert, das Robert Eggers in seinem Film "Der Leuchtturm" aufruft, ist offenkundig biblisch grundiert und dabei so bewusst literarisch, dass man selbst hinter den beiden Namen der Hauptfiguren einen spielerischen Akzent vermuten könnte. Thomas, der ältere der beiden Männer, wäre dann eher das Neue Testament im Vergleich zu Ephraim, der nach einem der Söhne Jakobs benannt ist und der in dieser Schauergeschichte eindeutig der erlösungsbedürftigere ist.
Nicht, dass Eggers irgendetwas in diese allegorische Richtung auch wirklich ausbuchstabieren würde. Er entwirft eine Welt, die zugleich in einem elementaren Sinn konkret und in einem kulturellen Sinn höchst resonant ist. Eine Welt, durch die der Wind tost wie eine metaphysische Gewalt und in der Halt nur findet, wer sich von den trügerischen Erscheinungen zwischen Meeresspiegel und Himmelskörpern nicht verrückt machen lässt. Ephraim ist dabei deutlich stärker gefährdet, aber das hat wohl auch mit seiner Rolle zu tun. Er ist der Neuling, er soll dem alten Tom Wake zur Hand gehen, zuerst einmal kommt er aber über niedrige Dienste wie das Ausleeren der Nachttöpfe nicht hinaus, und auch das erweist sich als eine schwierige Aufgabe angesichts einer feindlichen Natur, die am liebsten alles zurückwirft, was man gern loswürde. Ephraim spürt auch die Einsamkeit. Sein Geschlechtstrieb macht ihm zu schaffen, und es ist nicht ganz klar, ob seine Phantasie die Meerjungfrau anlockt, die er manchmal zu sehen meint, oder die Vögel, die sich mit ihren Schnäbeln über alle Weichteile hermachen, die irgendwo anfallen.
Abends und nächtens und wenn das Wetter wieder einmal unmöglich ist, also häufig, sitzen Tom und Ephraim dann in der Stube und versuchen miteinander auszukommen. Robert Eggers hat die beiden Rollen pointiert besetzt, ein Gutteil der Energie des Films kommt schon allein aus der Paarung von Willem Dafoe und Robert Pattinson. Dafoe ergötzt sich geradezu an diesem Thomas Wake, den er mit Reibeisenstimme und flackernden Augen zu einer dubiosen Autorität macht - er hat vielleicht schon ein paarmal zu häufig direkt in das Licht des Scheinwerfers gestarrt, zu dem er Ephraim keinen Zugang erlaubt. Robert Pattinson dagegen hat sich nach seinem Durchbruch mit den "Twilight"-Filmen auf eine Odyssee durch das Autorenkino begeben, die ihn mit David Cronenberg, Claire Denis und James Gray zusammengebracht hat und nun eben in einen Horrorfilm, der aussieht wie eine Mischung aus Konzeptkunst und Trash: "Der Leuchtturm", gefilmt in künstlich gegerbtem Schwarzweiß und unterlegt von einem höchst artifiziellen Höllenlärm, steht auf einem Experimentierfeld, auf dem das älteste Kino (das Alte Testament nach Thomas Edison) auf das Neue Testament der digitalen Postproduktion trifft. Dafoe und Pattinson halten nach Kräften ihre Leiber dazwischen.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Unterlegt mit Höllenlärm: "Der Leuchtturm" von Robert Eggers ist ein Horrorfilm zwischen Konzeptkunst und Trash.
Thomas Wake und Ephraim Winslow - das sind die Namen zweier Männer, die gemeinsam einen wichtigen Dienst versehen. Sie sind Wärter bei einem Leuchtturm im westlichen Atlantik, an einer Felsklippe an einem der Ausläufer von Nordamerika. Ihre Namen deuten schon an, dass sie einer anderen Zeit angehören, einer Zeit, die noch tief in altertümlichen Ordnungen verwurzelt war. Das 19. Jahrhundert, das Robert Eggers in seinem Film "Der Leuchtturm" aufruft, ist offenkundig biblisch grundiert und dabei so bewusst literarisch, dass man selbst hinter den beiden Namen der Hauptfiguren einen spielerischen Akzent vermuten könnte. Thomas, der ältere der beiden Männer, wäre dann eher das Neue Testament im Vergleich zu Ephraim, der nach einem der Söhne Jakobs benannt ist und der in dieser Schauergeschichte eindeutig der erlösungsbedürftigere ist.
Nicht, dass Eggers irgendetwas in diese allegorische Richtung auch wirklich ausbuchstabieren würde. Er entwirft eine Welt, die zugleich in einem elementaren Sinn konkret und in einem kulturellen Sinn höchst resonant ist. Eine Welt, durch die der Wind tost wie eine metaphysische Gewalt und in der Halt nur findet, wer sich von den trügerischen Erscheinungen zwischen Meeresspiegel und Himmelskörpern nicht verrückt machen lässt. Ephraim ist dabei deutlich stärker gefährdet, aber das hat wohl auch mit seiner Rolle zu tun. Er ist der Neuling, er soll dem alten Tom Wake zur Hand gehen, zuerst einmal kommt er aber über niedrige Dienste wie das Ausleeren der Nachttöpfe nicht hinaus, und auch das erweist sich als eine schwierige Aufgabe angesichts einer feindlichen Natur, die am liebsten alles zurückwirft, was man gern loswürde. Ephraim spürt auch die Einsamkeit. Sein Geschlechtstrieb macht ihm zu schaffen, und es ist nicht ganz klar, ob seine Phantasie die Meerjungfrau anlockt, die er manchmal zu sehen meint, oder die Vögel, die sich mit ihren Schnäbeln über alle Weichteile hermachen, die irgendwo anfallen.
Abends und nächtens und wenn das Wetter wieder einmal unmöglich ist, also häufig, sitzen Tom und Ephraim dann in der Stube und versuchen miteinander auszukommen. Robert Eggers hat die beiden Rollen pointiert besetzt, ein Gutteil der Energie des Films kommt schon allein aus der Paarung von Willem Dafoe und Robert Pattinson. Dafoe ergötzt sich geradezu an diesem Thomas Wake, den er mit Reibeisenstimme und flackernden Augen zu einer dubiosen Autorität macht - er hat vielleicht schon ein paarmal zu häufig direkt in das Licht des Scheinwerfers gestarrt, zu dem er Ephraim keinen Zugang erlaubt. Robert Pattinson dagegen hat sich nach seinem Durchbruch mit den "Twilight"-Filmen auf eine Odyssee durch das Autorenkino begeben, die ihn mit David Cronenberg, Claire Denis und James Gray zusammengebracht hat und nun eben in einen Horrorfilm, der aussieht wie eine Mischung aus Konzeptkunst und Trash: "Der Leuchtturm", gefilmt in künstlich gegerbtem Schwarzweiß und unterlegt von einem höchst artifiziellen Höllenlärm, steht auf einem Experimentierfeld, auf dem das älteste Kino (das Alte Testament nach Thomas Edison) auf das Neue Testament der digitalen Postproduktion trifft. Dafoe und Pattinson halten nach Kräften ihre Leiber dazwischen.
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