Der Universitätsprofessor Coleman Silk steht vor dem Nichts. Ein einziges unbedachtes, angeblich rassistisches Wort genügte, um sein Leben zu zerstören. Sein glänzender Ruf ist verloren, seine lange Karriere beendet und seine Frau stirbt, da sie die Anfeindungen und den Druck ihrer Umwelt nicht mehr erträgt.
Was niemand weiß, Silk hat einen dunklen Fleck auf seiner blütenweißen Weste. Am Anfang seiner Laufbahn hatte er beschlossen, seine wahre familiäre Abstammung hinter einer erfundenen Lebensgeschichte zu verstecken. Doch diese Fassade bröckelt immer mehr, und Silk begreift, dass er sich seiner Lebenslüge stellen muss.
Ein neues und intensives Verhältnis zur Hausmeisterin seines Campus bestärkt ihn dabei. Zwischen Faunia Farley und Silk entwickelt sich trotz aller Unterschiede eine tiefe Beziehung. Doch auch Faunia wird von ihrer Vergangenheit und ihrem ganz privaten Drama eingeholt. Der Kampf um ihre Liebe wird für Coleman und Faunia zum Kampf auf Leben und Tod.
Was niemand weiß, Silk hat einen dunklen Fleck auf seiner blütenweißen Weste. Am Anfang seiner Laufbahn hatte er beschlossen, seine wahre familiäre Abstammung hinter einer erfundenen Lebensgeschichte zu verstecken. Doch diese Fassade bröckelt immer mehr, und Silk begreift, dass er sich seiner Lebenslüge stellen muss.
Ein neues und intensives Verhältnis zur Hausmeisterin seines Campus bestärkt ihn dabei. Zwischen Faunia Farley und Silk entwickelt sich trotz aller Unterschiede eine tiefe Beziehung. Doch auch Faunia wird von ihrer Vergangenheit und ihrem ganz privaten Drama eingeholt. Der Kampf um ihre Liebe wird für Coleman und Faunia zum Kampf auf Leben und Tod.
Bonusmaterial
- Interviews - Behind the Scenes - B-Roll - Cast & Crew InfosFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.12.2003Weißer Streber, schwarzes Herz
"Der menschliche Makel": Philip Roth' Roman als netter Neuenglandfilm
Der Mann, der Coleman Silk sein wollte, hatte gelernt zu boxen wie ein Champion, er hatte sich mit seinem Vater zerstritten und mit einem blonden Mädchen geschlafen, er hatte sich mit einem einfachen Kreuz auf einem Blatt Papier seiner Hautfarbe entledigt und damit gleich auch seiner Familie, er hatte sich arrogant durchs Leben gelogen, hatte von seinen Studenten stets Klarheit und Präzision gefordert und war am Ende an der gesellschaftlichen Falschheit gescheitert. Dann schaute er in den Spiegel, und alles, was er sah, war ein kartoffeliger Waliser, dem langsam die Haare ausgehen.
Aber so ist das mit Leuten wie Anthony Hopkins, Bäckersohn und geadeltes Gesicht. Im einen Jahr spielt er eben einen blutrünstigen Psychopathen, der anderen Menschen die Zunge abbeißt, und im nächsten einen englischen Melancholiker, der seine Tweed-Sakkos spazierenführt; er spielt Nixon, Picasso und Zorro, er spielt John Quincy Adams und Titus Andronicus, er spielt noch zweimal Hannibal Lecter und dann eben diesen Coleman Silk, Professor, Witwer und Liebhaber, Schwarzer, Jude und von Philip Roth erfunden. Ist halt die nächste bedeutende Rolle in diesem bedeutenden Schauspielerleben. Eine unsinkbare Sache, große Romanvorlage, große Besetzung.
Und dann machen sie doch bloß einen netten Neuenglandfilm daraus, wo es am Anfang im Schnee knirscht und auch am Ende und wir zwischendurch zwei Strebern der Schauspielkunst dabei zusehen dürfen, wie sie sich kunstvoll durchs Skript nuscheln. Nicole Kidman ist die zweite spektakuläre Fehlbesetzung in Robert Bentons behäbiger und selbstgefälliger Verfilmung von "Der menschliche Makel". Sie ist Faunia Farley, Putzfrau, Kuhmelkerin und Opfer der Männer, die sie schlugen. Sie hat ihre Kinder verloren, aber nicht ihren Stolz; jetzt sitzt sie in Coleman Silks altem Volvo, raucht Zigarette um Zigarette, ihre braunen, fettigen Haare hängen ihr bezaubernd ins Gesicht, die Kapuzenjacke rutscht ihr von der nackten Schulter, die Lippen sind dünn und auch die Stimme und natürlich vor allem ihre Arme und Beine, wie sie dann durch die Wohnung und das Leben von Coleman Silk streicht. Nicole Kidmans Makel ist ihre Schönheit.
Auch sie hat sich ja in den letzten Jahren durch einige Rollen gespielt, aus der Frau von Tom Cruise wurde die begnadete Schauspielerin, die die todkranke Kurtisane in "Moulin Rouge" ebenso sein konnte wie die geisterhafte Mutter in "The Others", die in "The Hours" eine falsche Nase trug und in "Dogville" ein schweres Schicksal. Faunia Farley ist sie nicht. In "Der menschliche Makel" hat sie eine Dauerwelle und schmutzige Fingernägel, sie gibt sich alle Mühe, diese Frau zu sein, die wie ein heißes Bügeleisen durchs Leben geht, verfolgt von ihrem Ex-Mann, selbstzerstörerisch aus Not - und zu schön, um kaputt zu sein.
"Ich sehe dich, Coleman", sagt sie einmal, "und wenn ich dich sehe, sehe ich alles." In Roth' Roman ist das eines der Hauptmotive: Was sehe ich, wenn ich einen Menschen sehe? Der Roman, der so viele Gesichter entwirft, wie er Leser hat, tut sich da naturgemäß leichter als der Film - hier sehe ich eben vor allem Hopkins und Kidman oder die beiden anderen Hauptfiguren, Gary Sinise als Nathan Zuckerman, den ziemlich jung und langweilig geratenen Erzähler der Geschichte, und den immer Dennis-Hopper-hafteren Ed Harris als Faunias Ex-Mann, den Zerstörer der Geschichte. Der Film scheitert damit als Film, an seinen eigenen Mitteln, an seinen Bildern.
Roth schaffte es in seinem ambivalenten Meisterwerk, ein Porträt der Clinton-Ära zu zeichnen und dabei zwischen Political Correctness und Viagra die Gegenwart fast enzyklopädisch aufzufalten - wenn er Coleman Silk ins Gesicht schaut, dann schaut er eher Amerika ins Gesicht. Roth hat den Roman als Geschichtspanorama begriffen; Robert Benton drängt die geschichtlichen Widersprüche an den Rand und macht aus dem Stoff die Liebesgeschichte zweier verschneiter Seelen. Es ist der Unterschied zwischen zwei Stunden Film und siebzig Jahren erzählten Lebens.
Was durch die Reduktion auf die beiden aus der Gesellschaft verstoßenen Liebenden aus dem Blick gerät, ist die Gesellschaft, die sie verstoßen hat. Roth nimmt die zwei, die sich aneinander klammern, als sei es das letzte Mal, und bringt vor dem Hintergrund ihres gewaltsamen Unfalltodes eine Welt zum Reden. Er erzählt von den amerikanischen Universitäten der späten neunziger Jahre, die von akademischen Moden und Eitelkeiten geprägt sind, von einer Postmoderne, die sich in überkorrekte Spießigkeit verabschiedet hat, von einem Präsidenten, der seine sexuelle Energie nicht zügeln kann, von einem Land, das über nichts anderes diskutiert als den Spermafleck auf Monica Lewinskys Kleid - und damit, den kommenden Krieg vor Augen, die tägliche Wiederkehr des vergangenen Krieges ausblendet: in der beklemmenden Erinnerung der Vietnam-Veteranen, wie Faunias Ex-Mann einer ist, fast die bewegendsten Stellen des Romans, die der Film ganz wegläßt.
Roth hält die Figuren untereinander auf gleicher Distanz, was seinem Roman eine moralische Dimension gibt, die dem Film fehlt. Die Schuld, die hier verhandelt wird, ist eine eindimensionale. Wo Benton nur auf die Haut schaut, schaut Roth ins Herz. Die Haut ist scheinbar hell; das Herz ist in jedem Fall dunkel. Wegen eines falschen Wortes verliert Coleman Silk erst seinen Job, dann seine Frau - er hatte eine schwarze Studentin mit dem rassistisch konnotierten "spooks" belegt. Um seine Lebenslüge zu decken, schweigt Silk über seine Herkunft. "Deine Haut ist weiß wie Schnee", sagt seine schwarze Mutter einmal zu ihm, "aber du denkst wie ein Sklave."
Und so scheitert der Mann, der Coleman Silk sein wollte, an sich selbst. Als seine erste Freundin, die blonde Steena, ihn verläßt, weil sie die Lüge am Grund dieses Lebens nicht ertragen kann (oder weil sie einfach keinen schwarzen Mann lieben kann), steigt Coleman in den Boxring und verprügelt seinen schwarzen Gegner aufs übelste. Jeder Schlag, den er im Gesicht des anderen landet, ist ein Schlag ins eigene Gesicht. Der Mann, der Coleman Silk sein wollte, kämpft lebenslang nur gegen sein Bild im Spiegel.
GEORG DIEZ
"Der menschliche Makel". Ab Donnerstag im Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Der menschliche Makel": Philip Roth' Roman als netter Neuenglandfilm
Der Mann, der Coleman Silk sein wollte, hatte gelernt zu boxen wie ein Champion, er hatte sich mit seinem Vater zerstritten und mit einem blonden Mädchen geschlafen, er hatte sich mit einem einfachen Kreuz auf einem Blatt Papier seiner Hautfarbe entledigt und damit gleich auch seiner Familie, er hatte sich arrogant durchs Leben gelogen, hatte von seinen Studenten stets Klarheit und Präzision gefordert und war am Ende an der gesellschaftlichen Falschheit gescheitert. Dann schaute er in den Spiegel, und alles, was er sah, war ein kartoffeliger Waliser, dem langsam die Haare ausgehen.
Aber so ist das mit Leuten wie Anthony Hopkins, Bäckersohn und geadeltes Gesicht. Im einen Jahr spielt er eben einen blutrünstigen Psychopathen, der anderen Menschen die Zunge abbeißt, und im nächsten einen englischen Melancholiker, der seine Tweed-Sakkos spazierenführt; er spielt Nixon, Picasso und Zorro, er spielt John Quincy Adams und Titus Andronicus, er spielt noch zweimal Hannibal Lecter und dann eben diesen Coleman Silk, Professor, Witwer und Liebhaber, Schwarzer, Jude und von Philip Roth erfunden. Ist halt die nächste bedeutende Rolle in diesem bedeutenden Schauspielerleben. Eine unsinkbare Sache, große Romanvorlage, große Besetzung.
Und dann machen sie doch bloß einen netten Neuenglandfilm daraus, wo es am Anfang im Schnee knirscht und auch am Ende und wir zwischendurch zwei Strebern der Schauspielkunst dabei zusehen dürfen, wie sie sich kunstvoll durchs Skript nuscheln. Nicole Kidman ist die zweite spektakuläre Fehlbesetzung in Robert Bentons behäbiger und selbstgefälliger Verfilmung von "Der menschliche Makel". Sie ist Faunia Farley, Putzfrau, Kuhmelkerin und Opfer der Männer, die sie schlugen. Sie hat ihre Kinder verloren, aber nicht ihren Stolz; jetzt sitzt sie in Coleman Silks altem Volvo, raucht Zigarette um Zigarette, ihre braunen, fettigen Haare hängen ihr bezaubernd ins Gesicht, die Kapuzenjacke rutscht ihr von der nackten Schulter, die Lippen sind dünn und auch die Stimme und natürlich vor allem ihre Arme und Beine, wie sie dann durch die Wohnung und das Leben von Coleman Silk streicht. Nicole Kidmans Makel ist ihre Schönheit.
Auch sie hat sich ja in den letzten Jahren durch einige Rollen gespielt, aus der Frau von Tom Cruise wurde die begnadete Schauspielerin, die die todkranke Kurtisane in "Moulin Rouge" ebenso sein konnte wie die geisterhafte Mutter in "The Others", die in "The Hours" eine falsche Nase trug und in "Dogville" ein schweres Schicksal. Faunia Farley ist sie nicht. In "Der menschliche Makel" hat sie eine Dauerwelle und schmutzige Fingernägel, sie gibt sich alle Mühe, diese Frau zu sein, die wie ein heißes Bügeleisen durchs Leben geht, verfolgt von ihrem Ex-Mann, selbstzerstörerisch aus Not - und zu schön, um kaputt zu sein.
"Ich sehe dich, Coleman", sagt sie einmal, "und wenn ich dich sehe, sehe ich alles." In Roth' Roman ist das eines der Hauptmotive: Was sehe ich, wenn ich einen Menschen sehe? Der Roman, der so viele Gesichter entwirft, wie er Leser hat, tut sich da naturgemäß leichter als der Film - hier sehe ich eben vor allem Hopkins und Kidman oder die beiden anderen Hauptfiguren, Gary Sinise als Nathan Zuckerman, den ziemlich jung und langweilig geratenen Erzähler der Geschichte, und den immer Dennis-Hopper-hafteren Ed Harris als Faunias Ex-Mann, den Zerstörer der Geschichte. Der Film scheitert damit als Film, an seinen eigenen Mitteln, an seinen Bildern.
Roth schaffte es in seinem ambivalenten Meisterwerk, ein Porträt der Clinton-Ära zu zeichnen und dabei zwischen Political Correctness und Viagra die Gegenwart fast enzyklopädisch aufzufalten - wenn er Coleman Silk ins Gesicht schaut, dann schaut er eher Amerika ins Gesicht. Roth hat den Roman als Geschichtspanorama begriffen; Robert Benton drängt die geschichtlichen Widersprüche an den Rand und macht aus dem Stoff die Liebesgeschichte zweier verschneiter Seelen. Es ist der Unterschied zwischen zwei Stunden Film und siebzig Jahren erzählten Lebens.
Was durch die Reduktion auf die beiden aus der Gesellschaft verstoßenen Liebenden aus dem Blick gerät, ist die Gesellschaft, die sie verstoßen hat. Roth nimmt die zwei, die sich aneinander klammern, als sei es das letzte Mal, und bringt vor dem Hintergrund ihres gewaltsamen Unfalltodes eine Welt zum Reden. Er erzählt von den amerikanischen Universitäten der späten neunziger Jahre, die von akademischen Moden und Eitelkeiten geprägt sind, von einer Postmoderne, die sich in überkorrekte Spießigkeit verabschiedet hat, von einem Präsidenten, der seine sexuelle Energie nicht zügeln kann, von einem Land, das über nichts anderes diskutiert als den Spermafleck auf Monica Lewinskys Kleid - und damit, den kommenden Krieg vor Augen, die tägliche Wiederkehr des vergangenen Krieges ausblendet: in der beklemmenden Erinnerung der Vietnam-Veteranen, wie Faunias Ex-Mann einer ist, fast die bewegendsten Stellen des Romans, die der Film ganz wegläßt.
Roth hält die Figuren untereinander auf gleicher Distanz, was seinem Roman eine moralische Dimension gibt, die dem Film fehlt. Die Schuld, die hier verhandelt wird, ist eine eindimensionale. Wo Benton nur auf die Haut schaut, schaut Roth ins Herz. Die Haut ist scheinbar hell; das Herz ist in jedem Fall dunkel. Wegen eines falschen Wortes verliert Coleman Silk erst seinen Job, dann seine Frau - er hatte eine schwarze Studentin mit dem rassistisch konnotierten "spooks" belegt. Um seine Lebenslüge zu decken, schweigt Silk über seine Herkunft. "Deine Haut ist weiß wie Schnee", sagt seine schwarze Mutter einmal zu ihm, "aber du denkst wie ein Sklave."
Und so scheitert der Mann, der Coleman Silk sein wollte, an sich selbst. Als seine erste Freundin, die blonde Steena, ihn verläßt, weil sie die Lüge am Grund dieses Lebens nicht ertragen kann (oder weil sie einfach keinen schwarzen Mann lieben kann), steigt Coleman in den Boxring und verprügelt seinen schwarzen Gegner aufs übelste. Jeder Schlag, den er im Gesicht des anderen landet, ist ein Schlag ins eigene Gesicht. Der Mann, der Coleman Silk sein wollte, kämpft lebenslang nur gegen sein Bild im Spiegel.
GEORG DIEZ
"Der menschliche Makel". Ab Donnerstag im Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main