Südamerika in den achtziger Jahren. Der Polizist und ehemalige Anwalt, Oberst Agustin Rejas (Javier Bardem), erhält den kitzeligen Auftrag, die Guerilla-Anschläge zu untersuchen, die in letzter Zeit das Land in Atem halten. Drahtzieher dieser grausamen Attentate ist ein Mann, über den nur hinter vorgehaltener Hand gesprochen wird: Ezequiel. Für Rejas beginnt nun eine erbitterte und lebensgefährliche Jagd nach dem Top-Terroristen. Einziger Lichtblick ist Yolanda, die Ballettlehrerin seiner Tochter. Entgegen aller guten Vorsätze verliebt sich Rejas Hals über Kopf in die junge, attraktive Frau. Mitten im Chaos der Gefühle kommt er nun auch Ezequiel langsam auf die Spur. Und diese führt zu Yolandas Haus...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Interviews - B-RollFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2003Der Samurai des Südens
Nirgendwo ist Terrorland: John Malkovichs Regiedebüt "Der Obrist und die Tänzerin"
Wenn Schauspieler sich in Filmregisseure verwandeln, verwandeln sie sich niemals ganz. Auch in der neuen Rolle bleiben sie ihrem alten Metier treu. Nur daß sie die Liebe, die sie vorher für ihre eigene Figur hegten, nun auf die Figuren vor ihrer Kamera übertragen. Filme von Schauspielern sind Schauspielerfilme, kein Ideen- und Bilderkino. Der größte aller Spielfilme von Schauspielern, Charles Laughtons "Die Nacht des Jägers", ist vor allem eine Hommage an Robert Mitchum - und eher nebenbei auch noch ein Thriller aus der bigotten amerikanischen Provinz. So ist auch John Malkovichs Regiedebüt "Der Obrist und die Tänzerin" erst in zweiter Linie eine filmische Allegorie aus den Terrortagen Perus, mit deutlichen Anspielungen auf Abimael Guzmán, den ehemaligen Anführer des berüchtigten "Leuchtenden Pfads", und dessen Politik des Schreckens. In erster Linie ist "The Dancer Upstairs" (Originaltitel) ein Film für Javier Bardem.
Javier Bardem spielt Agustín Rejas, einen Polizeikommissar, der in einem nicht näher bezeichneten südamerikanischen Staat den Terroristenführer Ezequiel (Abel Folk) aufspüren soll, dessen Aktionen das herrschende Obristenregime beunruhigen. Und Bardem spielt diesen Mann so, daß man ihn ab sofort zu den großen Gesichtern des zeitgenössischen Kinos rechnen muß: Diese steinerne Ruhe, hinter der man immer wieder nervöse Sehnsucht aufblitzen sieht, diese mimischen Übergänge von Resignation zu Aggression, von Hohn zu Hilflosigkeit sind meisterhaft. Wenn man sich einen Schauspieler in der Mitte zwischen Lino Ventura und Robert Redford vorstellt, mit der melancholischen Schärfe des einen und der brüchigen Jungenhaftigkeit des anderen, bekommt man eine Ahnung von Bardems Spiel.
Der Film beginnt mit einer nächtlichen Autofahrt durch ein dunkles, leeres Land, in einem Klima allgegenwärtiger Bedrohung und endet nach zweieinhalb Stunden mit der Rückschau eines Mannes, der dies alles hinter sich gelassen hat, die Gefahr und den Ruhm, die Liebe wie die bürgerliche Langeweile. Dazwischen treten sich ein halbes Dutzend Geschichten gegenseitig auf die Füße. Die eine handelt von einer Mittelstandsehe, die andere von einem Land in den Fängen des Terrors und der Korruption, die dritte von einer leidenschaftlichen Affäre Rejas mit der Tanzlehrerin Yolanda (Laura Morante), die vierte von seiner Suche nach Ezequiel und so fort.
Der Film weiß nie ganz genau, was er eigentlich erzählen will; also erzählt er alles auf einmal. Er setzt an, springt zurück, beschleunigt und hält wieder inne, schweift ab und konzentriert sich von neuem und vergeudet so allmählich seine Kraft. Es ist, als hätte Nicholas Shakespeare, der Autor der Vorlage, sich nicht getraut, aus seinem Roman wirklich ein Drehbuch zu machen. Oder als hätte Malkovich, dem immer wieder eindrucksvolle Bilder des täglichen Ausnahmezustands gelingen, sich nicht gewagt, sein Material am Schneidetisch zu einem Spielfilm zusammenzukürzen.
So bleibt "Der Obrist und die Tänzerin" das Fragment einer großen Idee: der Idee, einen politischen Film ohne den Costa-Gavras-Effekt zu machen, ohne das immer gleiche Amalgam aus Großaufnahmen von Hollywoodstars und Totalen des Elends der Dritten Welt. Am meisten erstaunt an Malkovichs Film, daß er kein bißchen amerikanisch aussieht - er wirkt mit seinem englisch radebrechenden Cast aus spanischen, italienischen, portugiesischen und lateinamerikanischen Akteuren eher wie der zweite oder dritte Kinoversuch eines argentinischen Jungtalents, das sich langsam zum Mainstream vortastet.
Auch insofern ist "Der Obrist und die Tänzerin" der Film eines Schauspielers: Er übt mimetisch eine Rolle ein, die ihm am Ende nicht paßt. Wäre da nicht Bardem, gäbe es in dieser Geschichte nichts, das man glauben könnte. So gibt es wenigstens Rejas, den Samurai mit den Händen eines Tangospielers.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nirgendwo ist Terrorland: John Malkovichs Regiedebüt "Der Obrist und die Tänzerin"
Wenn Schauspieler sich in Filmregisseure verwandeln, verwandeln sie sich niemals ganz. Auch in der neuen Rolle bleiben sie ihrem alten Metier treu. Nur daß sie die Liebe, die sie vorher für ihre eigene Figur hegten, nun auf die Figuren vor ihrer Kamera übertragen. Filme von Schauspielern sind Schauspielerfilme, kein Ideen- und Bilderkino. Der größte aller Spielfilme von Schauspielern, Charles Laughtons "Die Nacht des Jägers", ist vor allem eine Hommage an Robert Mitchum - und eher nebenbei auch noch ein Thriller aus der bigotten amerikanischen Provinz. So ist auch John Malkovichs Regiedebüt "Der Obrist und die Tänzerin" erst in zweiter Linie eine filmische Allegorie aus den Terrortagen Perus, mit deutlichen Anspielungen auf Abimael Guzmán, den ehemaligen Anführer des berüchtigten "Leuchtenden Pfads", und dessen Politik des Schreckens. In erster Linie ist "The Dancer Upstairs" (Originaltitel) ein Film für Javier Bardem.
Javier Bardem spielt Agustín Rejas, einen Polizeikommissar, der in einem nicht näher bezeichneten südamerikanischen Staat den Terroristenführer Ezequiel (Abel Folk) aufspüren soll, dessen Aktionen das herrschende Obristenregime beunruhigen. Und Bardem spielt diesen Mann so, daß man ihn ab sofort zu den großen Gesichtern des zeitgenössischen Kinos rechnen muß: Diese steinerne Ruhe, hinter der man immer wieder nervöse Sehnsucht aufblitzen sieht, diese mimischen Übergänge von Resignation zu Aggression, von Hohn zu Hilflosigkeit sind meisterhaft. Wenn man sich einen Schauspieler in der Mitte zwischen Lino Ventura und Robert Redford vorstellt, mit der melancholischen Schärfe des einen und der brüchigen Jungenhaftigkeit des anderen, bekommt man eine Ahnung von Bardems Spiel.
Der Film beginnt mit einer nächtlichen Autofahrt durch ein dunkles, leeres Land, in einem Klima allgegenwärtiger Bedrohung und endet nach zweieinhalb Stunden mit der Rückschau eines Mannes, der dies alles hinter sich gelassen hat, die Gefahr und den Ruhm, die Liebe wie die bürgerliche Langeweile. Dazwischen treten sich ein halbes Dutzend Geschichten gegenseitig auf die Füße. Die eine handelt von einer Mittelstandsehe, die andere von einem Land in den Fängen des Terrors und der Korruption, die dritte von einer leidenschaftlichen Affäre Rejas mit der Tanzlehrerin Yolanda (Laura Morante), die vierte von seiner Suche nach Ezequiel und so fort.
Der Film weiß nie ganz genau, was er eigentlich erzählen will; also erzählt er alles auf einmal. Er setzt an, springt zurück, beschleunigt und hält wieder inne, schweift ab und konzentriert sich von neuem und vergeudet so allmählich seine Kraft. Es ist, als hätte Nicholas Shakespeare, der Autor der Vorlage, sich nicht getraut, aus seinem Roman wirklich ein Drehbuch zu machen. Oder als hätte Malkovich, dem immer wieder eindrucksvolle Bilder des täglichen Ausnahmezustands gelingen, sich nicht gewagt, sein Material am Schneidetisch zu einem Spielfilm zusammenzukürzen.
So bleibt "Der Obrist und die Tänzerin" das Fragment einer großen Idee: der Idee, einen politischen Film ohne den Costa-Gavras-Effekt zu machen, ohne das immer gleiche Amalgam aus Großaufnahmen von Hollywoodstars und Totalen des Elends der Dritten Welt. Am meisten erstaunt an Malkovichs Film, daß er kein bißchen amerikanisch aussieht - er wirkt mit seinem englisch radebrechenden Cast aus spanischen, italienischen, portugiesischen und lateinamerikanischen Akteuren eher wie der zweite oder dritte Kinoversuch eines argentinischen Jungtalents, das sich langsam zum Mainstream vortastet.
Auch insofern ist "Der Obrist und die Tänzerin" der Film eines Schauspielers: Er übt mimetisch eine Rolle ein, die ihm am Ende nicht paßt. Wäre da nicht Bardem, gäbe es in dieser Geschichte nichts, das man glauben könnte. So gibt es wenigstens Rejas, den Samurai mit den Händen eines Tangospielers.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main