Im Herzen des tibetischen Hochlands begibt sich Natur- und Wildlife-Fotograf Vincent Munier zusammen mit dem Schriftsteller Sylvain Tesson auf die Suche nach dem Schneeleoparden. Nur noch wenige Exemplare der gefährdeten und scheuen Art sind in freier Wildbahn anzutreffen. Tagelang durchstreifen die beiden Männer das Gebirge, lesen Spuren, werden mit der Landschaft eins. Geduldig harren sie aus, beobachten und fotografieren. Ihre langsame Jagd nach dem Schneeleoparden entwickelt sich dabei zu einer inneren Reise, einem stillen Dialog über den Platz des Menschen in einer verschwindenden Welt. Herausgekommen ist ein Film von überwältigender Schönheit.
Bonusmaterial
Trailer TrailershowFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2022Die Schliche der Katzenkamera
Der Bildband "Der Schneeleopard" über ein selten fotografiertes Tier war ein Welterfolg. Ein Film zeigt nun, wie er entstand.
Zwei Männer gehen auf die Jagd. Sie wollen kein Tier töten, sie haben nur eine Trophäe im Sinn. Sie wollen ein Bild erbeuten von einem seltenen Exemplar: einem Schneeleoparden.
Die Männer sind aus Frankreich, sie sprechen von einem "panthère". In einer nahezu menschenleeren Gegend in Tibet sitzen sie tagelang in eisiger Kälte still, nur um einen Blick zu erhaschen auf ein Tier, das sich gern rar macht. So richtig radikal wäre es, wenn sie es bei diesem Blick belassen würden, wenn sie ihn in ihr Bewusstsein einlassen, und ihn dann dem geheimnisvollen Wirken des Gedächtnisses überlassen würden.
Bei Sylvain Tesson ist das im Grunde auch so, er ist Schriftsteller, er kann wohl davon erzählen, was ihm der Anblick des "panthère" bedeutet, aber er kann das Bild nur mit den Mitteln der Sprache beschwören. Es ist sein Filmpartner Vincent Munier, der auch die Geräte dabei hat, den Blick zu dokumentieren. Er ist Fotograf, und zwar einer der bekanntesten in dem Metier derer, die Bilder von Tieren und von der Natur suchen. In dem Film "Der Schneeleopard" sind Tesson und Munier die Protagonisten, sie sind aber auch so etwas wie eine Vorhut, denn überall, wo sie hingehen, in sturmumtoste Höhen und einsame Schluchten, ist auch noch Marie Amiguet dabei, die Regisseurin.
Sie ist so etwas wie die dritte Instanz, die Beobachtung der Beobachtung, in gewisser Weise auch das Making-of der Expedition von Tesson und Munier, die ihre Erlebnisse auch jeweils in ihren eigenen Formen ausgewertet haben.
"Der Schneeleopard" war schon ein enormer Erfolg als Buch, und natürlich sind Muniers Bilder auch um die Welt gegangen. Nun können wir dabei zuschauen, wie sie entstanden sind.
Und wir hören Sylvain Tesson dabei zu , wie er gleichsam den Text improvisiert, der als Buch aber schon vorliegt. Er tut also so, als wären ihm alle die kostbaren Formulierungen von Angesicht zu Angesicht mit der kalten Natur von Tibet eingefallen.
Das Prinzip der Suche nach dem Schneeleoparden ist aus einschlägigen Dokumentationen geläufig. In einer besonderen Landschaft wird eine Spezies ausgemacht, auf die es besonders ankommt. Auf dem Weg zur der erhofften Begegnung tauchen zuerst einmal allerlei andere Tiere auf, die es nicht so schwer machen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Die Fauna von Tibet gibt auch so schon allerlei her, von flinken Gazellen bis zu den majestästischen Yaks. Bei den Letzteren schlägt Tesson einen großen Bogen zu den Anfängen der Welt: "Die Vorgeschichte weint, und jede ihrer Tränen ist ein Yak." Das klingt ziemlich gut, ist aber doch auch ein ziemlicher Blödsinn. Aber so ist sein Sound. Tesson betreibt in Tibet vor allem Zivilisationskritik, ihm fällt in seiner exponierten Position ein, dass er auch in Paris mal wieder genau auf alles hinsehen sollte, was sich im Alltag so zeigt. Aufmerksamkeit oder Achtsamkeit ist ja nicht nur ein buddhistisches Prinzip, sondern ein allgemein menschliches.
Interessanterweise erhalten die Menschen, die man sich als Helfer des Films wohl dazudenken muss, relativ wenig von dieser Aufmerksamkeit. Die lokalen Bewohner tauchen zwar ab und zu im Bild auf, und Kinder haben auch einmal eine längere Szene, aber im Kern geht es Amiguet, Munier und Tesson doch um eine Suggestion von Menschenleere, um eine direkte Begegnung mit der Wildnis, verkörpert in einem eleganten und, wie sich schließlich erweist, gar nicht besonders großen Tier. Der Tiger von Eschnapur war sicher bedrohlicher.
"Der Schneeleopard" besteht eigentlich aus zwei Filmen: dem einen, der über die Leinwand läuft und der den Ertrag der Reise festhält, und dem anderen, den man sich dazudenken muss, in dem es um all das geht, was so ein Dokumentarfilm aus seinem Bildraum ausschließen muss, um das Erlebnis nicht zu gefährden. Das Erlebnis teilt man mit den beiden Männern, die so tun, als wären sie zumindest beinahe so natürlich unterwegs wie der Schneeleopard selbst. Dabei ist an dem Film doch nicht minder faszinierend, ihn sich als höchst technisches Artefakt zu vergegenwärtigen. Muniers Kameras sind extrem avancierte Apparate, die große Distanzen überbrücken können und weit höher "auflösen" als das menschliche Auge.
Die Filmkamera kommt da an Datenreichtum kaum hinterher, dazu kommt noch eine feinst ausgepegelte digitale Postproduktion der Tonebene und schließlich ein Soundtrack von Warren Ellis, der in einem Song von Nick Cave gipfelt. An einer wichtigen Stelle bleibt die Technik dann sogar mit sich allein: Munier stellt eine "Kamerafalle", arbeitet also mit einem automatischen Auslöser und könnte somit die Nacht theoretisch am warmen Ofen verbringen, er bekäme doch ein Bild.
Faszinierend bleibt "Der Schneeleopard" dabei auch als Film jederzeit, auch wenn der Off-Kommentar von Tesson nicht nur an der erwähnten Stelle stark in den Kitsch schillert, an den auch hochreflektierte Subjekte bei Begegnungen mit etwas ganz Anderem gern einmal anstreifen. Man kann sich den Eindrücken aus Tibet unmittelbar hingeben, mindestens so spannend ist es aber, sich dabei auch die Vermittlungsschritte zu vergegenwärtigen und über eine Technik zu staunen, die bei ihren ganz Anderen, nämlich bei einem interesselosen Blick, bei einem ehrfürchtigen Staunen, dann doch nie ganz ankommt. BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Bildband "Der Schneeleopard" über ein selten fotografiertes Tier war ein Welterfolg. Ein Film zeigt nun, wie er entstand.
Zwei Männer gehen auf die Jagd. Sie wollen kein Tier töten, sie haben nur eine Trophäe im Sinn. Sie wollen ein Bild erbeuten von einem seltenen Exemplar: einem Schneeleoparden.
Die Männer sind aus Frankreich, sie sprechen von einem "panthère". In einer nahezu menschenleeren Gegend in Tibet sitzen sie tagelang in eisiger Kälte still, nur um einen Blick zu erhaschen auf ein Tier, das sich gern rar macht. So richtig radikal wäre es, wenn sie es bei diesem Blick belassen würden, wenn sie ihn in ihr Bewusstsein einlassen, und ihn dann dem geheimnisvollen Wirken des Gedächtnisses überlassen würden.
Bei Sylvain Tesson ist das im Grunde auch so, er ist Schriftsteller, er kann wohl davon erzählen, was ihm der Anblick des "panthère" bedeutet, aber er kann das Bild nur mit den Mitteln der Sprache beschwören. Es ist sein Filmpartner Vincent Munier, der auch die Geräte dabei hat, den Blick zu dokumentieren. Er ist Fotograf, und zwar einer der bekanntesten in dem Metier derer, die Bilder von Tieren und von der Natur suchen. In dem Film "Der Schneeleopard" sind Tesson und Munier die Protagonisten, sie sind aber auch so etwas wie eine Vorhut, denn überall, wo sie hingehen, in sturmumtoste Höhen und einsame Schluchten, ist auch noch Marie Amiguet dabei, die Regisseurin.
Sie ist so etwas wie die dritte Instanz, die Beobachtung der Beobachtung, in gewisser Weise auch das Making-of der Expedition von Tesson und Munier, die ihre Erlebnisse auch jeweils in ihren eigenen Formen ausgewertet haben.
"Der Schneeleopard" war schon ein enormer Erfolg als Buch, und natürlich sind Muniers Bilder auch um die Welt gegangen. Nun können wir dabei zuschauen, wie sie entstanden sind.
Und wir hören Sylvain Tesson dabei zu , wie er gleichsam den Text improvisiert, der als Buch aber schon vorliegt. Er tut also so, als wären ihm alle die kostbaren Formulierungen von Angesicht zu Angesicht mit der kalten Natur von Tibet eingefallen.
Das Prinzip der Suche nach dem Schneeleoparden ist aus einschlägigen Dokumentationen geläufig. In einer besonderen Landschaft wird eine Spezies ausgemacht, auf die es besonders ankommt. Auf dem Weg zur der erhofften Begegnung tauchen zuerst einmal allerlei andere Tiere auf, die es nicht so schwer machen, mit ihnen in Kontakt zu treten. Die Fauna von Tibet gibt auch so schon allerlei her, von flinken Gazellen bis zu den majestästischen Yaks. Bei den Letzteren schlägt Tesson einen großen Bogen zu den Anfängen der Welt: "Die Vorgeschichte weint, und jede ihrer Tränen ist ein Yak." Das klingt ziemlich gut, ist aber doch auch ein ziemlicher Blödsinn. Aber so ist sein Sound. Tesson betreibt in Tibet vor allem Zivilisationskritik, ihm fällt in seiner exponierten Position ein, dass er auch in Paris mal wieder genau auf alles hinsehen sollte, was sich im Alltag so zeigt. Aufmerksamkeit oder Achtsamkeit ist ja nicht nur ein buddhistisches Prinzip, sondern ein allgemein menschliches.
Interessanterweise erhalten die Menschen, die man sich als Helfer des Films wohl dazudenken muss, relativ wenig von dieser Aufmerksamkeit. Die lokalen Bewohner tauchen zwar ab und zu im Bild auf, und Kinder haben auch einmal eine längere Szene, aber im Kern geht es Amiguet, Munier und Tesson doch um eine Suggestion von Menschenleere, um eine direkte Begegnung mit der Wildnis, verkörpert in einem eleganten und, wie sich schließlich erweist, gar nicht besonders großen Tier. Der Tiger von Eschnapur war sicher bedrohlicher.
"Der Schneeleopard" besteht eigentlich aus zwei Filmen: dem einen, der über die Leinwand läuft und der den Ertrag der Reise festhält, und dem anderen, den man sich dazudenken muss, in dem es um all das geht, was so ein Dokumentarfilm aus seinem Bildraum ausschließen muss, um das Erlebnis nicht zu gefährden. Das Erlebnis teilt man mit den beiden Männern, die so tun, als wären sie zumindest beinahe so natürlich unterwegs wie der Schneeleopard selbst. Dabei ist an dem Film doch nicht minder faszinierend, ihn sich als höchst technisches Artefakt zu vergegenwärtigen. Muniers Kameras sind extrem avancierte Apparate, die große Distanzen überbrücken können und weit höher "auflösen" als das menschliche Auge.
Die Filmkamera kommt da an Datenreichtum kaum hinterher, dazu kommt noch eine feinst ausgepegelte digitale Postproduktion der Tonebene und schließlich ein Soundtrack von Warren Ellis, der in einem Song von Nick Cave gipfelt. An einer wichtigen Stelle bleibt die Technik dann sogar mit sich allein: Munier stellt eine "Kamerafalle", arbeitet also mit einem automatischen Auslöser und könnte somit die Nacht theoretisch am warmen Ofen verbringen, er bekäme doch ein Bild.
Faszinierend bleibt "Der Schneeleopard" dabei auch als Film jederzeit, auch wenn der Off-Kommentar von Tesson nicht nur an der erwähnten Stelle stark in den Kitsch schillert, an den auch hochreflektierte Subjekte bei Begegnungen mit etwas ganz Anderem gern einmal anstreifen. Man kann sich den Eindrücken aus Tibet unmittelbar hingeben, mindestens so spannend ist es aber, sich dabei auch die Vermittlungsschritte zu vergegenwärtigen und über eine Technik zu staunen, die bei ihren ganz Anderen, nämlich bei einem interesselosen Blick, bei einem ehrfürchtigen Staunen, dann doch nie ganz ankommt. BERT REBHANDL
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