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Nach einem Zusammenstoß in Wuhan mit einer rivalisierenden Bande, bei dem er einen Polizisten getötet hat, ist der Gangster Zhou Zenong auf der Flucht. Nicht nur die Gesetzeshüter ziehen das Netz enger, sondern auch seine ehemaligen Gangmitglieder wollen an ihn herankommen und senden dafür die Prostituierte Liu Aiai als Köder aus. Wird Zenong seinen Gegnern entfliehen können?
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- Trailer Marlina - Die Mörderin in vier Akten

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Produktbeschreibung
Nach einem Zusammenstoß in Wuhan mit einer rivalisierenden Bande, bei dem er einen Polizisten getötet hat, ist der Gangster Zhou Zenong auf der Flucht. Nicht nur die Gesetzeshüter ziehen das Netz enger, sondern auch seine ehemaligen Gangmitglieder wollen an ihn herankommen und senden dafür die Prostituierte Liu Aiai als Köder aus. Wird Zenong seinen Gegnern entfliehen können?

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2020

Irgendwie ist man immer im Exil

Ein deutscher Thriller ist möglich, ein Spanier spinnt raffiniert Buñuels Fäden weiter, ein chinesischer Gangster wird subversiv, und eine Dokumentation erinnert an einen, der uns sehr fehlt

Kroatisch oder Kosovarisch, das ist für die Kollegen von Xhafer, einem Pharmaingenieur irgendwo in Deutschland, nahezu einerlei. Sie hören eine Sprache, die nicht die Ihre ist, und rechnen mit einer Herkunft vom Balkan. Genauere Unterscheidungen wären etwas für Spezialisten. Xhafer aber ist ein Mann mit einer individuellen Geschichte, und die begann im Kosovo. Inzwischen gibt es für ihn eigentlich nicht mehr viele Gründe, das hervorzuheben. Er lebt mit einer deutschen Frau und drei Kindern in einem geräumigen Eigenheim, er hat einen interessanten Beruf mit einem großen Verantwortungsbereich. Er spricht auch ohne einen auffälligen Akzent Deutsch. Und dennoch ist da etwas, was sich nicht leicht benennen lässt; etwas, das genau auf der Grenze zwischen subjektiver Wahrnehmung und objektiven Tatsachen liegt. Man könnte auch sagen: zwischen Realismus und Einbildung.

Es ist genau diese Grenze, die Visar Morina mit seinem Film "Exil" zu seiner erzählerischen Richtschnur nimmt. In einem Exil ist man, wenn man nicht zu Hause ist - im Grunde ist man also das ganze Leben im Exil, sobald man die schützende Unmittelbarkeit der frühen Kindheit verlassen hat. Und Visar Morina, dessen Lebenslauf (geboren 1979 in Prishtina, seit vielen Jahren schon in Deutschland) mit dem von Xhafer wohl eine strukturelle Parallele aufweist, spielt bewusst mit den Facetten dieses Begriffs "Exil". Wenn es hart kommt, ist man für sich selbst vielleicht das letzte Exil, dann ist der Exodus nur noch möglich in die Einsamkeit der Individualität.

Für Xhafer kommt es tatsächlich hart. Es beginnt damit, dass er eines Tages eine tote Ratte an seiner Gartentür vorfindet. Jemand hat sie dort hinterlassen, als Zeichen für ihn. Auch als einen bewusst gesetzten Auslöser, denn Xhafer hat ein Problem mit Ratten, da weiß also jemand etwas sehr Persönliches von ihm. Dass ein Kollege namens Urs im Betrieb ein schäbiges Spiel mit ihm spielt, ist dann der nächste Schritt. Xhafer bekommt E-Mails mit wichtigen Informationen nicht, er stellt natürlich Zusammenhänge her. Der naheliegende Versuch, die Sache mit Urs bei einem Bier unter Männern zu klären, scheitert an der Unzugänglichkeit des offenkundig feindseligen Kollegen.

Es dauert keine zwanzig Minuten, und "Exil" zeigt alle Anzeichen eines brillanten Psychothrillers, der auf den Korridoren und in den Besprechungszimmern einer deutschen mittelständischen Firma seinen Schauplatz hat. Es bräuchte nicht unbedingt den Umstand, dass Xhafer im Kosovo geboren wurde. "Exil" wäre auch als konventioneller Mobbing-Thriller denkbar und sicher sehr spannend. Zu einem Schlüsselfilm für das heutige Deutschland wird er aber erst durch dem Umstand, dass Xhafer zwar in jeder Hinsicht gut "integriert" wirkt, dass es aber eine Differenz gibt, von der man sich sofort zu fragen beginnt, ob sie eher subjektiv oder objektiv besteht. Und diese Spannung arbeitet Morina mit einer herausragenden erzählerischen Sicherheit durch.

Auf den Unterschied zwischen Kroatisch und Kosovarisch werden die Kollegen zum Beispiel überhaupt erst aufmerksam, weil Xhafer mit einer Reinigungskraft in der gemeinsamem Muttersprache spricht. Diese Verbindung ist zugleich "Heimat", also eine Pause vom Exil, wird bald aber auch zu einer Erpressung. Eine Pointe bekommt die Verwechslung von Kroatisch und Kosovarisch noch dadurch, dass Misel Maticevic die Hauptrolle spielt: ein gebürtiger Berliner mit Herkunftsgeschichte aus Kroatien, bekannt durch die Rolle des Armeniers in "Babylon Berlin", sehr sehenswert aber zum Beispiel auch in "Im Schatten" (2010) von Thomas Arslan. Bis in kleinere Nebenrollen ist "Exil" exzellent besetzt (Rainer Bock als Urs ist hervorzuheben), aber Maticevic trägt den zweistündigen, psychologisch wie politisch wie kinotheoretisch ungeheuer spannenden und intelligent gestalteten Film nahezu im Alleingang. Im Exil eben, geführt von einem Regisseur, der nun zu den größten Hoffnungen des Kinos in Deutschland zählt und mit seinem Meisterwerk eine Gesellschaft, die gerade erst zu lernen beginnt, mit Differenz umzugehen, herausfordert.

Ins Exil kann man in einer modernen Welt in vielerlei Hinsicht gehen, das macht auch der spanische Film "Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden" von Aritz Moreno deutlich. Er weist eine Richtung: Heutzutage, in einer zusammengewachsenen und verwalteten Welt, führen die Wege der Flucht eher weiter nach innen, also in Bereiche, für die man keine Staatsgrenzen überschreiten muss, sondern eher Grenzen des Zumutbaren. Auch hier passt das Bild von einem Exil mehrfach. Wenn es einen Anker in dieser komplizierten Geschichte gibt, dann ist er bei einer Frau namens Helga, die ihren Mann, der sich als koprophil erwiesen hat und "aus dieser Versunkenheit nicht mehr erwacht", in einem Sanatorium abgegeben hat. Das Thema Exkremente oder Ausscheidungen zieht sich dann großmetaphorisch und zugleich sehr konkret (zum Glück gibt es hier kein Geruchskino) durch den Film. Helga trifft im Zug einen Psychiater, der ihr haarsträubende, verschachtelte Fallgeschichten erzählt - eine davon spielt im Kosovo und führt so ziemlich an die Grenze dessen, was man sich an menschlichen Übeltaten vorstellen kann.

Bei Aritz Moreno bekommt diese Grenze die Form verwaschener Videobilder, die oft nur unscharf im Bildhintergrund zu erkennen sind - anders würde man das Abscheuliche, das Abjekte nicht aushalten. Bei all dem Ungeheuerlichen aber ist "Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden" trotzdem so etwas wie eine Komödie, eine sehr abgründige, aber doch eine, die sich auf der Suche nach einem erlösenden Lachen immer tiefer in Müllberge, Hundehütten, Mordphantasien und merkwürdige Kabinette vergräbt. Obskur sind die Geschichten nicht zuletzt dadurch, dass man bald schon den Überblick zu verlieren droht, wer denn nun gerade in welcher Schizo-Paranoia welche Gegenwelt entwirft oder erzählt. Tatsächlich ist alles genauestens ineinander verknotet.

Aritz Moreno ging dabei von einem Roman von Antonio Orejudo aus. Früher hätte man bei so einem trügerischen Spiel mit Realitäten und Identitäten wohl von Postmoderne gesprochen. "Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden" reicht allerdings weiter zurück in der Tradition nicht zuletzt des Kinos. Es ist ein bisschen, als würde jemand den Faden am anderen Ausgang der Klomuscheln wieder aufnehmen, auf denen bei Buñuel die Bourgeoisie saß. Nach einem Film wie "Exil" wird man dieses spanische Labyrinth der Perversionen sowieso locker nehmen, und so wollen "Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden" auch genommen werden: ein heiteres, raffiniertes Spiel mit Tabus in einer Welt, in der es keine Tabus mehr gibt. Bei Morina ist die Grenze der Subjektivität eine Rasierklinge, bei Aritz Moreno ist sie eine Aussichtswarte ins Absurde.

In der Volksrepublik China bildet sich gerade eine Gesellschaft heraus, die man allenfalls noch nach außen, aber nicht mehr leicht nach innen verlassen kann. Man kann höchstens einmal das Telefon nicht bei sich tragen, auf dem die allwissenden Anwendungen sich befinden, aber die Überwachungskameras wissen dann auch, dass da jemand ohne Endgerät unterwegs ist. Den Film "Der See der wilden Gänse" von Yinan Diao kann man ohne weiteres als eine Phantasie über die letzten Freiräume sehen, die unter diesen Voraussetzungen noch bleiben. Zhou Zenong, die Hauptfigur, ist ein Gangster, der sich auf Motorraddiebstähle spezialisiert hat. Die Geschichte beginnt mit einer Großaufnahme seiner blutigen und tätowierten Faust, dann tritt eine junge Frau in einem roten Pulli und mit einem transparenten Regenschirm neben ihn und bestellt einen Gruß von seiner verschollenen Ehefrau. Es erweist sich, dass eine Belohnung von 300 000 Yuan auf Zenong ausgesetzt ist, und der Thrill der zwei Stunden des Films läuft darauf hinaus, wer sich dieses Geld holen kann.

"Der See der wilden Gänse" steht dabei für einen durchaus halb imaginären, halb den Genrekonventionen des Gangsterkinos entlehnten Ort, ein "uncharted territory", wie es einmal in den Untertiteln heißt. "Badende Schönheiten" bieten sich hier als Geheimprostituierte an, eigenartige Vergnügungen werden offeriert, und Yinan Diao erzählt aus dieser von den Behörden nicht vollständig erfassten Gegend auf eine Weise, die seine Bilder und Figuren immer wieder in eine Art von Ballett versetzt. Wenn Menschen mit Neonleuchtsohlen zu "Rasputin" von Boney M. tanzen, auf einem verwunschenen Flohmarkt irgendwo in China, dann öffnen sich plötzlich Räume, von denen keine Kontrollgesellschaft jemals etwas wissen wird. Und mit diesem zugleich populärkulturellen wie politisch subversiven Aspekt wird "Der See der wilden Gänse" zu mehr als nur einer sehr attraktiven Übung in Gangsterposen. Der Clou ist, dieser Gesellschaft nicht einfach zu entfliehen, sondern ihr sogar noch ein Schnippchen zu schlagen. Einer muss dabei allerdings draufzahlen. Einer bleibt immer unrettbar im Exil.

BERT REBHANDL.

Am Freitag ist es zehn Jahre her, dass Christoph Schlingensief an Krebs starb, im Alter von 49 Jahren. Die Regisseurin Bettina Böhler, die zwei von Schlingensiefs entscheidenden Spielfilmen, "Terror 2000" und "Die 120 Tage von Bottrop", geschnitten hat, montiert jetzt die Lebens- und Arbeitsgeschichte Schlingensiefs zu einer zweistündigen Dokumentation: "In das Schweigen hineinschreien" speist sich aus Interviews mit Schlingensief, und zwar nur mit ihm - und den Bildern, die er hinterlassen hat.

Von den frühesten Filmen, welche der Schüler mit der Kamera seines Vaters gedreht hatte ("Die Schulklasse" von 1969, "Das Totenhaus der Lady Florence" von 1974), über die ersten kürzeren, dann längeren Produktionen aus der Zeit, als er Assistent von Werner Nekes war und mit dem Schauspieler Alfred Edel zu arbeiten begann ("Tunguska", 1983, "Menu Total", 1986) - bis zu "Terror 2000" und "Das deutsche Kettensägenmassaker", von dort führte ihn sein Weg an die Berliner "Volksbühne", ins Fernsehen zu MTV, nach Bayreuth zu den Wagner-Festspielen, von Aktion zu Aktion. Die Eröffnung seines Pavillons auf der Biennale in Venedig 2011 hat Schlingensief dann nicht mehr erlebt.

So viel Material. So viel Materialien zu einer Kunst, die, über welchen Kanal sie sich dann auch immer verbreitete, von einer explosionsartigen Unmittelbarkeit lebte, deren Erzeuger, Medium und vor allem Interpret am Ende Schlingensief selbst blieb. Das, was er tat, so zeigen es diese zwei Stunden Bilder und Töne aus 49 Jahren noch einmal, war immer zugleich Schlingensief selbst - und, im gleichen Moment, die Auseinandersetzung damit. Daher das Gefühl, dass hier jemand permanent bis zum Zerreißen unter Hochspannung stand, daher die Anziehungskraft, weil man sich dieser Intensität kaum entziehen konnte, daher die Unersetzlichkeit Christoph Schlingensiefs. Dem es, wenn der Krach und die Bilder zur Ruhe kamen, immer um das nackte, pure Leben ging. Und der sein eigenes nacktes, pures Leben nutzte, um das zu zeigen.

Es war deswegen genauso einfühlsam wie klug von Bettina Böhler, nur Schlingensief selbst in eigener Sache zu Wort kommen zu lassen, quasi nonstop, unterbrochen allenfalls von der Stimme Alexander Kluges, der aus dem Off Stichwörter hineinruft ("1960!"), und den Reaktionen von Leuten, die Schlingensief mit in den Fokus seiner Kunst zog: seine Eltern, das Publikum, Passanten.

Zeitgleich mit diesem Film kommt auch ein Gesprächsbuch heraus ("Kein falsches Wort jetzt", Kiepenheuer & Witsch, 23 Euro), das Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz zusammengestellt hat. Auch ein Fundus, der aber nicht die gleiche Intensität erreicht - was am Papier, aber oft auch an Schlingensiefs Interviewern liegt, die, wo sie nicht versuchten mitzuhalten, den Gedankengang mit exakt jener kulturkritisch imprägnierten Überlegensheitscoolness stören ("Klingt ziemlich gaga", so etwa der "Spiegel" 1997), die Schlingensief fremd war. Er hat sich immer besonders gefreut, wenn man über seine Kunst gelacht hat. Und man lacht in Böhlers Dokumentation und spürt schmerzhaft das Loch, das Christoph Schlingensiefs Tod in die Welt gerissen hat. Und dann freut man sich, dass dessen alter Freund Helge Schneider die Musik zu diesem herrlichen Film gemacht hat.

TOBIAS RÜTHER

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