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Was passiert, wenn ein eingefleischter Kapitalismusgegner buchstäblich an Säcke voller Kohle kommt, zeigt DER UNVERHOFFTE CHARME DES GELDES. Nach einigen anfänglichen, nicht ausschlagbaren Annehmlichkeiten stellt sich für den Protagonisten Pierre-Paul bald die Frage: Wohin mit dem vielen Geld? Denn nicht nur die Mafia und das Finanzamt, sondern auch zwei gewiefte Polizisten haben ein verdächtig großes Interesse an seinem neuen Reichtum. Doch mithilfe eines gerade erst aus dem Knast entlassenen Finanzgenies, eines Offshore-Bankers und einer neuen, teuren Freundin gelingt es ihm, ein System…mehr

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Produktbeschreibung
Was passiert, wenn ein eingefleischter Kapitalismusgegner buchstäblich an Säcke voller Kohle kommt, zeigt DER UNVERHOFFTE CHARME DES GELDES. Nach einigen anfänglichen, nicht ausschlagbaren Annehmlichkeiten stellt sich für den Protagonisten Pierre-Paul bald die Frage: Wohin mit dem vielen Geld? Denn nicht nur die Mafia und das Finanzamt, sondern auch zwei gewiefte Polizisten haben ein verdächtig großes Interesse an seinem neuen Reichtum. Doch mithilfe eines gerade erst aus dem Knast entlassenen Finanzgenies, eines Offshore-Bankers und einer neuen, teuren Freundin gelingt es ihm, ein System auszutricksen, in dem alles nur auf Erfolg und Geld ausgerichtet ist.

Bonusmaterial

Interview mit Denys Arcand Trailer Trailershow Wendecover
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.07.2019

Da hilft auch Aristoteles nicht
In Denys Arcands Film "Der unverhoffte Charme des Geldes" wird ein Paketbote reich

Der Paketfahrer Pierre-Paul Daoust hat eine Theorie: Intelligenz ist einem guten Leben abträglich. Wer zu klug ist, kommt nicht voran. Er ist selber das beste Beispiel. Er hängt in seinen Reflexionsschleifen fest, mit einem öden Job, einem mickrigen Einkommen und einer Freundin, einer Bankangestellten mit einem Kind, die ihn gerade verlässt. Einen größeren Verlierer als Pierre-Paul könnte man sich kaum denken, da hilft der ganze Aristoteles nichts, den er jederzeit parat hat. Zwei große Sporttaschen ändern das alles gründlich. Sie bleiben auf einem Parkplatz liegen, auf dem Pierre-Paul mit seinem Dienstfahrzeug gerade einen Stopp gemacht hat. Das organisierte Verbrechen von Montreal gruppiert sich in dieser Szene gerade blutig ein wenig um, in dem Chaos und Geballer fällt niemandem auf, dass die beiden Taschen den Weg in das Fahrzeug von Pierre-Paul finden und von dort in einen Lagerraum. Und dann ist guter Rat teuer. Denn was tut ein Paketfahrer mit ein paar Millionen Dollar? Mit sehr vielen Millionen Dollar, um es genauer zu nehmen. So vielen, dass Pierre-Paul sie nicht einmal zählen kann.

Die Prämisse von Denys Arcands Film "Der unverhoffte Charme des Geldes" gleicht in etwa der eines Lottogewinns unter erschwerten Bedingungen. Denn das Geld, das Pierre-Paul in die Hände fiel, ist heiß. Alle Gangster von Québec und natürlich auch die Polizei sind dahinter her. In so einer Situation macht es dann vielleicht doch einen Unterschied, in welchem Maß der Glückspilz intelligent ist. Denn jemand, der vielleicht ein bisschen weniger hell ist, würde vielleicht in so einem Moment zuerst einmal das teuerste Escort-Girl der Stadt buchen - und damit naturgemäß Argwohn erregen, denn selbstverständlich wird Pierre-Paul von der Polizei überwacht.

Das teuerste Escort-Mädchen von Montreal heißt Aspasia und ist für Pierre-Paul zuerst vor allem deswegen verführerisch, weil sie sich nach einer Frau aus dem Umfeld von Sokrates benannt hat. Die erotische Begegnung verläuft nicht ganz nach Drehbuch, und weil danach beide kompromittiert sind, bleibt nichts anderes übrig, als dass Pierre-Paul und Aspasia so tun, als wären sie wirklich befreundet. Die Polizei sieht zu, wie sie eine Nacht lang turteln, und zwar strikt diskursiv, wobei dieses Wort aus der französischen Philosophie gar nicht zu Pierre-Pauls Repertoire gehört. Er ist ein Mann der Klassiker, erlebt nach dem Prinzip von Marc Aurel: Ein Mann tut gut daran, sein Schicksal zu lieben. Ein bisschen gestalten kann er es auch, aber das lernt Pierre-Paul gerade erst.

Vor mehr als dreißig Jahren hat Denys Arcand einen Film mit dem Titel "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" herausgebracht, eine Geschichte über Sex in der Form einer großen Ensemblekonversation, eine Orgie mit Worten. "Die Invasion der Barbaren" konnte man 2003 als eine Art Fortsetzung begreifen, jedenfalls in der Hinsicht, dass Arcand - inzwischen als der wichtigste frankokanadische Filmemacher schon etabliert - sich nicht scheute, so etwas wie zivilisationsdiagnostische Großbefunde zu skizzieren. In diesem Fall ging es um den Zusammenhang von Krankheit und Kapitalismus, repräsentiert durch einen Universitätsprofessor und dessen Sohn. Der Professor stand gleichsam für das Gemeinwesen (mit einem erbärmlichen Gesundheitssystem), der Sohn für die Macht des Geldes und damit in der Logik von Arcand für die Barbarei.

Von einem vergleichbar pessimistischen Gesellschaftsbild ist nun auch "Der unverhoffte Charme des Geldes" geprägt. Der Titel der Originalfassung macht den Zusammenhang deutlicher: "La chute de l'empire américain". Arcand macht offensichtlich keinen großen Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada, selbst das idyllisch anmutende Montreal gehört zu diesem Zusammenhang, den zuletzt wohl die Generation der Protestanten gegen den Vietnamkrieg so unbeirrt als "imperial" bezeichnete. Das Schwarzgeld, das Pierre-Paul erbeutet hat, muss deswegen nicht nur vor den Gangstern (einem West-End-Syndikat mit Vertretern verschiedener ethnischer Kontexte) in Sicherheit gebracht werden, sondern eben auch vor einem Staat, der als nicht viel weniger korrupt eingeschätzt wird.

Die Pointe von Arcands Geschichte ist, dass Pierre-Paul gerade wegen seiner Weltfremdheit ein idealer Kandidat für ein perfektes krummes Ding ist. Er tapst in alle die richtigen Schritte, und bald hat er selbst ein kleines Syndikat um sich versammelt: Aspasia findet Geschmack an der Idee einer größeren Umverteilung (sie selbst hat nach einem geschickt eingefädelten Ehevertrag samt kurzer, allerdings harter Ehe längst ausgesorgt); dazu stößt ein ehemaliger Rocker, der vielleicht sogar noch intelligenter als Pierre-Paul ist, allerdings viel weniger in Schleifen denkt. Und schließlich bringt Aspasia auch noch einen Verbindungsmann in die Hochfinanz herbei: einen der größten Vermögensverwalter des Landes, mit entsprechenden Verbindungen an all die Orte, in die ständig das Geld der Reichen verschwindet.

Was folgt, ist der Versuch einer global organisierten Geldwäsche, die zugleich als Komödie und als Thriller angelegt ist. Arcand erzählt das mit einem guten Gespür für Orte und Milieus und einer guten Balance zwischen all den Themen, die er antippt. Eine schockierende Folterszene gehört ebenso dazu wie eine der unwahrscheinlichsten Romanzen, die man sich denken kann. Es passt in diesem Fall aber, und zwar mit einer Begründung, die es sich mit Wittgenstein vielleicht ein bisschen leichtmacht: Was man nicht (besser) erklären kann, davon muss man als Zuschauer (oder als Filmkritiker) eben schweigen.

Die Sache mit Pierre-Paul und Aspasia ist auch insofern die Achillesferse des Films, als der Hauptdarsteller es mit der Unbeholfenheit sehr ernst nimmt. Der kanadische Fernsehstar Alexandre Landry wächst nicht allmählich zu einem Gauner heran, der ein bisher übersehenes Naturtalent an sich entdeckt; er bleibt bis zum Ende ein Mann im falschen Genre. Damit zeigt sich "Der unverhoffte Charme des Geldes" sehr konsequent in einem Populismus, der zumindest an der zentralen Position sogar auf die Hollywood-Konvention verzichtet, dass es in Wahrheit eben doch immer ein Star sein muss, der den einfachen Mann von der Straße spielt. Landry wirkt tatsächlich oft so, als hätte der Film ihn erst am Rande des Raubüberfalls aufgelesen und müsste nun halt mit ihm weitermachen.

Auch mit dieser, man könnte sagen, egalitären Besetzung der Hauptrolle weist sich Arcand mit seinen noblen Intentionen aus, deren Deutlichkeit immer schon auch die Grenzen seiner Filme ausmachte: Wenn man ihn einer Partei in den gegenwärtigen Spektren zuordnen müsste, dann wäre er wohl Sozialdemokrat - mit einem Hang ins Karitative. Ein typischer Kanadier eben, würde Michael Moore sagen, der in dem nördlichen Nachbarn der Vereinigten Staaten tendenziell den Inbegriff eines Wohlfahrtssystems sieht.

Dabei steckt in "Der Untergang des amerikanischen Imperiums" (um einmal den Titel zu nennen, um den sich der deutsche Verleih drückt) doch eine deutlich radikalere Botschaft, als es den wohlmeinenden Bastlern am Sozialstaat angelegen sein kann: Der Systembegriff "Imperium" schien für Arcand immer ein wenig zu hoch zu hängen, doch dieses Mal trifft er tatsächlich ins Schwarze eines Geldsystems, von dem er deutlich macht, dass sich davon niemand ausnehmen sollte. Nicht der Radiologe, der eine bevorzugte Behandlung gegen Bares anbietet, oder die Kioskbesitzerin, die nur jeden zweiten Verkauf auch in der Registrierkasse verbucht. Nicht die Obdachlosen, die am Rande des Lebens das Kleingeld von Menschen erhoffen, die längst alles mit Karte zahlen. Sie alle sind Teil eines Systems, das Pierre-Paul mit dem Inhalt zweier Sporttaschen einmal so durch die Mangel dreht, dass am Ende alles nicht viel anders, aber doch einmal kategorisch verändert ist.

BERT REBHANDL

Ab Donnerstag im Kino

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