Emma Harte, Chefin mehrerer milliardenschwerer englischer Unternehmen, erfährt in den USA, dass ihre beiden Söhne Kit und Robin versuchen, sie auszubooten. Mit ihrer Enkelin Paula fährt sie nach England zurück, um in das Geschehen einzugreifen. Anlässlich ihres Geburtstages erlebt sie in einer Rückschau nochmals ihr ganzes Leben: Als blutjunges Mädchen wird Emma vor dem Ersten Weltkrieg auf dem Gutshof der Fairleys in Mittelengland nur gedemütigt. Die Eltern und Brüder wohnen nicht weit entfernt in ärmlichen Verhältnissen. Als Emma von Edwin Fairley schwanger wird, aber nicht mit seiner Hilfe rechnen kann, geht sie nach Leeds und nimmt ihr Leben selbst in die Hand.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2015Wie wird man solch ein Mensch?
Vom Missbrauchsopfer zum Zuhälter und Karatelehrer: Rosa von Praunheims dokumentarische Fiktion "Härte" erzählt von Andreas Marquardt.
Andreas Marquardt wirkt auf den ersten Blick nicht wie jemand, dem man seine Kinder anvertrauen würde. Die harten Jahre im Rotlichtmilieu sieht man ihm noch immer an, aber heute geht die Aggression in den Sport. Er unterrichtet Karate und kann sich wahnsinnig freuen, wenn ein Schlag so richtig sitzt. In seinem früheren Leben hat er selbst häufig zugeschlagen. Er hat vor allem Frauen übel zugerichtet, sie auf den Strich geschickt, sich hörig gemacht und in jeder Hinsicht ausgebeutet. Wie wird jemand so ein Mensch?
In Rosa von Praunheims neuem Film "Härte" wird einmal mehr deutlich, dass Gewalt zumeist von Gewalt kommt. Andreas Marquardt hatte einen brutalen Vater und eine Mutter, die ihn sexuell missbrauchte, seit er sechs Jahre alt war. Dass eine Therapie helfen könnte, wurde ihm erst nach einigen Jahren Gefängnis klar, und auch dann waren die zuständigen Stellen damit noch überfordert.
So muss man es wohl als gelungenes Beispiel einer Therapie durch das Leben selbst sehen, was in "Härte" doch sehr deutlich von einem guten Ende her erzählt wird. Marquardt und seine Lebensgefährtin Marion Erdmann sind die Kronzeugen für einen Emanzipationsprozess von den eigenen Dämonen, den von Praunheim als Doku-Drama gestaltet hat, auf Grundlage des autobiographischen Buches mit dem Untertitel "Mein Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt". Die Erzählungen von Marquardt und der fast noch beeindruckenderen Marion Erdmann werden in schwarzweiß gehaltenen Spielszenen umgesetzt, die so richtig in die Spießerhölle versetzen, in der "Ändi" Marquardt aufwuchs.
Katy Karrenbauer spielt die Mutter, sie wird in der subjektiven Wahrnehmung des Jungen, wie sie die Kamera zu suggerieren versucht, zu einem raumgreifenden Machtwesen, das im Lauf der Jahre allerdings allmählich in sich zusammenfällt. Je stärker das Alter der Mutter zusetzt, desto härter wird Andy.
Rosa von Praunheim scheut nicht vor Szenen zurück, die direkt wie aus dem Giftschrank der "Lindenstraße" wirken: Andy und Marion zu Weihnachten, der Christbaum perfekt geschmückt, die Pakete liegen bereit, denn zumindest an diesem Abend könnte man doch einmal ein bisschen auf Beziehung machen. Denkt Marion, die dafür von Andy eine ordentliche Abreibung bekommt. Denn für ihn ist das "ein ganz normaler Arbeitstag", wobei es natürlich sie ist, die arbeitet.
Die ganze Bewegung des Films "Härte" wird durch diese Veranschaulichung ein bisschen zu linear; trotz des starken Spiels von Hanno Koffler und Luise Heyer bleibt die Anmutung einer schlimm missratenen Sitcom in einem Film, der vermutlich aufschlussreicher gewesen wäre, wenn er den beiden Protagonisten ausführlicher Raum zum Sprechen gegeben hätte. Denn das ist die eigentlich interessante Spannung in "Härte": Dass es Rosa von Praunheim gelungen ist, neben Andy Marquardt auch Marion Erdmann zu Stellungnahmen vor der Kamera zu bewegen. Der selbstgewisse Monolog des Mannes bekommt ein Echo von seinem wichtigsten Opfer.
Dass die beiden inzwischen ein positiveres Verhältnis zu sich selbst und zueinander gefunden haben, gehört selbst noch zu dieser Bewältigung. Doch durch die Form von "Härte" entsteht eine andere Suggestion: Die schwarzweißen Rückblenden stammen aus einem früheren Leben, das hier wie (ästhetisch und biographisch) abgespalten und eingekapselt wirkt.
Hätte Rosa von Praunheim sich dokumentarischer für Andy Marquardt interessiert, dann hätte er ihm genauer zuhören müssen. So aber nimmt er dessen Geschichte zum Anlass eines Experiments mit der dokudramatischen Form. Diese szenische Veranschaulichung ergibt vielleicht die kompaktere Erzählung, führt aber (gerade auch in einem therapeutischen, analytischen Sinn) häufig von der Wahrheit weg.
BERT REBHANDL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Vom Missbrauchsopfer zum Zuhälter und Karatelehrer: Rosa von Praunheims dokumentarische Fiktion "Härte" erzählt von Andreas Marquardt.
Andreas Marquardt wirkt auf den ersten Blick nicht wie jemand, dem man seine Kinder anvertrauen würde. Die harten Jahre im Rotlichtmilieu sieht man ihm noch immer an, aber heute geht die Aggression in den Sport. Er unterrichtet Karate und kann sich wahnsinnig freuen, wenn ein Schlag so richtig sitzt. In seinem früheren Leben hat er selbst häufig zugeschlagen. Er hat vor allem Frauen übel zugerichtet, sie auf den Strich geschickt, sich hörig gemacht und in jeder Hinsicht ausgebeutet. Wie wird jemand so ein Mensch?
In Rosa von Praunheims neuem Film "Härte" wird einmal mehr deutlich, dass Gewalt zumeist von Gewalt kommt. Andreas Marquardt hatte einen brutalen Vater und eine Mutter, die ihn sexuell missbrauchte, seit er sechs Jahre alt war. Dass eine Therapie helfen könnte, wurde ihm erst nach einigen Jahren Gefängnis klar, und auch dann waren die zuständigen Stellen damit noch überfordert.
So muss man es wohl als gelungenes Beispiel einer Therapie durch das Leben selbst sehen, was in "Härte" doch sehr deutlich von einem guten Ende her erzählt wird. Marquardt und seine Lebensgefährtin Marion Erdmann sind die Kronzeugen für einen Emanzipationsprozess von den eigenen Dämonen, den von Praunheim als Doku-Drama gestaltet hat, auf Grundlage des autobiographischen Buches mit dem Untertitel "Mein Weg aus dem Teufelskreis der Gewalt". Die Erzählungen von Marquardt und der fast noch beeindruckenderen Marion Erdmann werden in schwarzweiß gehaltenen Spielszenen umgesetzt, die so richtig in die Spießerhölle versetzen, in der "Ändi" Marquardt aufwuchs.
Katy Karrenbauer spielt die Mutter, sie wird in der subjektiven Wahrnehmung des Jungen, wie sie die Kamera zu suggerieren versucht, zu einem raumgreifenden Machtwesen, das im Lauf der Jahre allerdings allmählich in sich zusammenfällt. Je stärker das Alter der Mutter zusetzt, desto härter wird Andy.
Rosa von Praunheim scheut nicht vor Szenen zurück, die direkt wie aus dem Giftschrank der "Lindenstraße" wirken: Andy und Marion zu Weihnachten, der Christbaum perfekt geschmückt, die Pakete liegen bereit, denn zumindest an diesem Abend könnte man doch einmal ein bisschen auf Beziehung machen. Denkt Marion, die dafür von Andy eine ordentliche Abreibung bekommt. Denn für ihn ist das "ein ganz normaler Arbeitstag", wobei es natürlich sie ist, die arbeitet.
Die ganze Bewegung des Films "Härte" wird durch diese Veranschaulichung ein bisschen zu linear; trotz des starken Spiels von Hanno Koffler und Luise Heyer bleibt die Anmutung einer schlimm missratenen Sitcom in einem Film, der vermutlich aufschlussreicher gewesen wäre, wenn er den beiden Protagonisten ausführlicher Raum zum Sprechen gegeben hätte. Denn das ist die eigentlich interessante Spannung in "Härte": Dass es Rosa von Praunheim gelungen ist, neben Andy Marquardt auch Marion Erdmann zu Stellungnahmen vor der Kamera zu bewegen. Der selbstgewisse Monolog des Mannes bekommt ein Echo von seinem wichtigsten Opfer.
Dass die beiden inzwischen ein positiveres Verhältnis zu sich selbst und zueinander gefunden haben, gehört selbst noch zu dieser Bewältigung. Doch durch die Form von "Härte" entsteht eine andere Suggestion: Die schwarzweißen Rückblenden stammen aus einem früheren Leben, das hier wie (ästhetisch und biographisch) abgespalten und eingekapselt wirkt.
Hätte Rosa von Praunheim sich dokumentarischer für Andy Marquardt interessiert, dann hätte er ihm genauer zuhören müssen. So aber nimmt er dessen Geschichte zum Anlass eines Experiments mit der dokudramatischen Form. Diese szenische Veranschaulichung ergibt vielleicht die kompaktere Erzählung, führt aber (gerade auch in einem therapeutischen, analytischen Sinn) häufig von der Wahrheit weg.
BERT REBHANDL
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