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Der Exilrusse Hermann (Dirk Bogarde) befindet sich in der Midlife-Crisis. Seine Frau (Andréa Ferréol), hat sich einen Liebhaber (Volker Spengler) genommen, seine Schokoladenfabrik steht vor dem Bankrott, und der Nationalsozialismus ist im Vormarsch. Eine Veränderung muss zwingend her. Hermanns zündende Idee: eine fremde Identität annehmen. Er überredet den Landstreicher Felix (Klaus Löwitsch) sein Leben mit ihm zu tauschen und hofft, dass die Ähnlichkeit zwischen ihnen so groß ist, dass der Betrug nicht auffliegt. Um seine Existenz gänzlich auszulöschen, erschießt Hermann "sich" in Gestalt des…mehr

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Produktbeschreibung
Der Exilrusse Hermann (Dirk Bogarde) befindet sich in der Midlife-Crisis. Seine Frau (Andréa Ferréol), hat sich einen Liebhaber (Volker Spengler) genommen, seine Schokoladenfabrik steht vor dem Bankrott, und der Nationalsozialismus ist im Vormarsch. Eine Veränderung muss zwingend her. Hermanns zündende Idee: eine fremde Identität annehmen. Er überredet den Landstreicher Felix (Klaus Löwitsch) sein Leben mit ihm zu tauschen und hofft, dass die Ähnlichkeit zwischen ihnen so groß ist, dass der Betrug nicht auffliegt. Um seine Existenz gänzlich auszulöschen, erschießt Hermann "sich" in Gestalt des anderen, um in der Rolle des Vagabunden neu anzufangen. Bis ins kleinste Detail hat er sein perfektes Verbrechen geplant - seine Neugeburt, seine Reise ins Licht.

Bonusmaterial

- Das Kino und sein Double: Erinnerungen an Rainer Werner Fassbinder's "Despair" - Ein Film von Robert Fischer
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.09.2011

Spieglein, Spieglein, Mörderhand
Wie sich Rainer Werner Fassbinder die Weimarer Republik vorstellte: "Despair"

Fassbinders "Despair - Eine Reise ins Licht" ist berühmt geworden als der Film, durch den Fassbinder nicht berühmt wurde. Dabei hatte vor der Premiere im Mai 1978 in Cannes alles nach einem Triumph ausgesehen: Nach zweiunddreißig Filmen in zehn Jahren sollte dieser dreiunddreißigste, für sechs Millionen Mark in den Ateliers der Bavaria gedreht und mit Andréa Ferréol und Dirk Bogarde prominent besetzt, seinem Regisseur endlich den internationalen Durchbruch bringen. Aber dann gab es nach der Vorführung Pfiffe und schütteren Applaus, die Pressekonferenz, bei der Fassbinder mit Verspätung erschien und wie abwesend wirkte, geriet zum Desaster, und am nächsten Morgen wurde der Film in den französischen Zeitungen als erlesenes, aber steriles Kunststück beiseitegewischt.

Fassbinder, der die Pleite gerochen hatte, reagierte blitzschnell, indem er aus München eine Kopie seines gerade fertiggestellten neuen Projekts "Die Ehe der Maria Braun" kommen und in einer jener halbgeheimen Vorführungen zeigen ließ, die auf Kritiker wie Verleiher schon damals eine magische Anziehungskraft ausübten. Das Ergebnis ist Geschichte: "Maria Braun" wurde entdeckt, gefeiert, in alle Länder verkauft und so zu ebendem Welterfolg, für den "Despair" nicht das Format hatte. Aber warum?

In den vergangenen drei Jahrzehnten ließ sich diese Frage kaum aus eigener Anschauung beantworten, denn "Despair" war nach seiner kurzen Kinoauswertung von der Bildfläche verschwunden, selbst bei Retrospektiven wurde der Film nur selten gezeigt. Die aufwendig restaurierte DVD-Fassung von Euro Video füllt also eine Lücke, die nur deshalb von vielen nicht als besonders schmerzlich empfunden wurde, weil das Misslungene in der öffentliche Rede über Fassbinder mit schöner Regelmäßigkeit ausgeblendet wird, so als hätte er in der begnadeten Raserei seines Schaffens alles zu Gold gemacht, was er berührte. Und es stimmt ja, mit "Maria Braun" begann Fassbinders größte Zeit, binnen vier Jahren entstanden "In einem Jahr mit 13 Monden", "Die dritte Generation", "Berlin Alexanderplatz", "Lola" und "Die Sehnsucht der Veronika Voss" - aber eben auch die Ausstattungsorgie "Lili Marleen", die mit "Despair" einiges gemeinsam hat, obwohl der spätere Film viele der Fallstricke vermeidet, in denen sich der frühere verfangen hatte.

Das beginnt mit der Vorlage. Nabokovs Roman von 1934 passt mit seiner Doppelgänger- und Inzestmotivik scheinbar ideal in Fassbinders Kosmos, in dem sich fast alles um Identitätsfragen - soziale, sexuelle, politische - und familiäre Abgründe dreht. Und die elegant-verspielten Dialoge, die der englische Dramatiker Tom Stoppard für Fassbinder und seine beiden Kinostars geschrieben hat, sind dem feingestrickten Briten Bogarde wie auf den Leib geschrieben - aber eben nur ihm. Schon bei Andréa Ferréol, die in "Despair" eine Art zweiten Aufguss ihres barbusigen Walkürenritts aus Marco Ferreris "Großem Fressen" veranstaltet, wirkt die ganze Eleganz wie ein falscher Pelz, und im Mund des Fassbinder-Veteranen Volker Spengler, der einen hysterischen und notgeilen Bohème-Maler spielt, gehen Stoppards Pointen endgültig vor die Hunde.

Die zweite fatale Entscheidung des Films ist die Besetzung des Doppelgängers. In Nabokovs Geschichte eines bankrotten Schokoladenfabrikanten, der einen Versicherungsbetrug inszeniert, indem er ein von ihm bezahltes Double erschießt, um als Toter ein neues Leben in der Schweiz anfangen zu können, spielt Homosexualität keine Rolle. Fassbinder aber stellt dem dekadenten, impotenten und schon durch seinen Doppelnamen gebrandmarkten Hermann Hermann (Bogarde) den Kraftkerl Klaus Löwitsch an die Seite, der nicht nur seinem Alter Ego kein bisschen ähnlich sieht, sondern auch in einer langen nächtlichen Sequenz zu dessen heimlichem Liebesobjekt aufgebaut wird. In "Berlin Alexanderplatz" ist diese dramaturgische Figur in der Beziehung zwischen Reinhold und Franz Biberkopf bis zur letzten Konsequenz durchgespielt, aber hier hängt sie in der Luft, und das geflüsterte "Danke", mit dem Löwitsch den Todesschuss empfängt, hat keinen Resonanzboden in der Geschichte - die beiden Männer, Großbürger und Prolet, haben nichts miteinander gemein als ihre erzwungene Anwesenheit in diesem Film.

Vor allem aber will Fassbinder mit "Despair" beweisen, dass er ein teures, komplexes Kostümdrama von Visconti-Ausmaßen mühelos im Griff hat, und deshalb klotzt er, wo er kann. Die Kulissen, die ihm Rolf Zehetbauer in die Studiohallen am Geiselgasteig hineingestellt hat, strotzen vor Spiegeln und verspiegelten Fenstern, den ästhetischen Markenzeichen des Fassbinder-Kinos, und in der Außenkulisse "Weimarer Republik um 1931" rollt alle fünf Sekunden ein Oldtimer vorbei, während SA-Horden eine jüdische Metzgerei mit Steinen bewerfen. Die Spiegel-Sperenzchen zumal haben es den späteren Fassbinder-Exegeten angetan, sie lesen aus ihnen wahre Wunderdinge heraus - von der "Reflexion einer zerbrochenen Identität" bis zur Warnung vor dem "moralischen Exhibitionismus" (Thomas Elsaesser) und der Denunziationskultur des heraufziehenden braunen Terrorstaats.

Aber man kann aus den spiegelnden und blendenden Oberflächen des Films auch etwas anderes, Banaleres herauslesen: Rainer Werner Fassbinders Angst davor, sich einzugestehen, dass er mit "Despair" aufs falsche Pferd gesetzt hatte. In Robert Fischers ausführlicher Dokumentation "Das Kino und sein Double", die der DVD als Bonustrack dient, darf Dirk Bogardes Neffe und Nachlassverwalter sich über die enge Beziehung zwischen seinem Onkel und dem deutschen Regisseur sowie über den Briefwechsel verbreiten, der sich nach den Dreharbeiten zwischen den beiden entspann und in dem Fassbinder der klagende und depressive, Bogarde der tröstende und väterliche Teil war. Aber in den Bildern des Films spürt man nichts von dieser Nähe; der Blick der Kamera bleibt kalt, die Darsteller agieren selbst dort wie hinter Glas, wo Michael Ballhaus keine Fenster und durchsichtigen Türen zwischen sein Objektiv und die Figuren der Geschichte geschoben hat.

Ballhaus übrigens, Fassbinders treuer und genialer Kameramann, suchte nach den Dreharbeiten zur "Ehe der Maria Braun" in Zorn und Trauer das Weite. Im Vergleich zur Entstehungsgeschichte dieses Erfolgsfilms, bei dem sich fast alle Beteiligten irgendwann an die Gurgel gingen, muss die Arbeit an "Despair" der reinste Spaziergang gewesen sein. Doch "Maria Braun" hat etwas, das der Nabokov-Verfilmung fehlt: Stimmigkeit. Auch hier gibt es einen Hermann, auch hier wird ein Mann durch einen anderen ersetzt, auch hier bildet die Zeitgeschichte den Hintergrund eines Firmen- und Ehedramas. Aber Fassbinder versucht nicht mehr, mit dem internationalen Produzentenkino anzubandeln. Darum wirken seine Filmbilder über ihre Intention hinaus lebendig und wahr. Statt fruchtlos Visconti nachzueifern, hat Fassbinder von da an seinen eigenen Stoffen den Atem des Epischen eingehaucht. Deshalb bildet "Despair" in Fassbinders Werk eine Zäsur. Es ist der Film, der ihn auf sich selbst zurückgeworfen hat.

ANDREAS KILB

Rainer Werner Fassbinder: "Despair - Eine Reise ins Licht"

Euro Video, 112 Minuten. Deutsch, Englisch. Extras: Dokumentation "Das Kino und sein Double".

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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