Um das Leben seines zehnjährigen Sohnes zu retten, der dringend eine Knochenmarksspende benötigt, macht ein Chicagoer Polizist (Andy Garcia) in der Datenbank des FBI einen potentiellen Spender ausfindig. Dieser ist ein verurteilter Massenmörder (Michael Keaton), der nur einwilligt, um die Verlegung in ein Hospital zur Flucht zu benutzen. Dort geht dieser mit äußerster Brutalität vor, und der Polizist gerät in die widersprüchliche Situation, den Killer zu verfolgen und ihngleichzeitig vor dem tödlichen Zugriff seiner Kollegen zu retten.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.05.1998Todfeind als Lebensretter
Im Kino: Barbet Schroeders "Desperate Measures"
Es gehört zu den festen Gesetzen des amerikanischen Actionfilms, daß die Bösen nicht nur gejagt, sondern auch erlegt werden. Weil sie anderen Leid zugefügt haben, müssen sie mit dem Leben bezahlen. Manchmal ist ihre Schuld so groß, daß sie sogar mehrfach sterben müssen, um den fälligen Blutzoll zu entrichten und das Finale zu verlängern. In dem Thriller "Desperate Measures" folgt der FBI-Agent Frank Connor (Andy Garcia) der Blutspur des Serienmörders Peter McCabe (Michael Keaton) durch ein Krankenhaus. Mit jedem Meter wächst seine Verzweiflung, weil sein Gegenspieler immer mehr Lebenssaft verliert. Nur wenige Räume entfernt blutet zur gleichen Zeit ein kleiner Junge aus der Nase. Franks Sohn Matthew (Joseph Cross) leidet an Leukämie und kann nur durch eine Knochenmarktransplantation gerettet werden. Der einzig in Frage kommende Spender ist McCabe. Im Todfeind steckt ein Lebensretter.
Barbet Schroeders Inszenierung rückt gleich zu Beginn zwei gegensätzliche Welten, die des Gefängnisses und die des Krankenhauses, so dicht zusammen, daß sie Wand an Wand zu grenzen scheinen. Nachdem Connor im Hochsicherheitstrakt mit McCabe gesprochen und diesem für die Bereitschaft zur Spende Hafterleichterungen in Aussicht gestellt hat, besucht er seinen Sohn. Senkrechte Schatten fallen neben die Tür des Krankenzimmers und erscheinen wie Gitterstäbe: Auch Matthew befindet sich in einer Zelle, in der er kaum mehr tun kann, als auf den Tod zu warten. Tatsächlich ist dieses Hospital, in das McCabe überführt wird, um das Mark zu spenden, ein ehemaliges Gefängnis. Obwohl er es noch nie betreten hat, ist ihm dieses Terrain überaus vertraut.
Fast schwarzweiß wirken die Bilder des Kameramannes Luciano Tovoli oft. Im Angesicht des Todes scheinen sich lebhafte Farben zu verbieten. Doch dann, als die Geschichte in Gang kommt, bestimmen zunehmend das Grün der Ärztekittel, das Gelb einer Notbeleuchtung, das Blaulicht der Polizei und das Rot des Blutes die Szenerie. Durch einen raffinierten Trick entkommt McCabe und bahnt sich einen Weg durch das Gebäude. Connor gerät zwischen die Fronten, weil er McCabe jagen und beschützen muß, denn das Knochenmark eines Toten wäre für seinen Sohn nutzlos. Um Matthew zu retten, nimmt er in Kauf, daß Unschuldige sterben, und so wird er wie der Killer bald von den eigenen Kollegen verfolgt.
Wenn Schroeder zu Beginn in einer minutenlangen, überaus fesselnden Sequenz nur Großaufnahmen seiner hervorragenden Hauptdarsteller Garcia und Keaton gegeneinanderschneidet, beweist er, daß man moralische Konflikte im Film unter Umständen am besten auf engsten Raum behandelt. Später hat es den Anschein, als würde "Desperate Measures" den Schauplatz Krankenhaus nicht wieder verlassen. Doch man merkt dem Drehbuch von David Klass die Schwierigkeiten an, das Dilemma des Helden in Handlung zu übersetzen. Immer wieder gerät Connor in ähnliche, leicht variierte Situationen. Als deren dramatisches Potential aufgebraucht scheint, bricht der Film gewaltsam aus und zettelt sinnlos eine Autoverfolgungsjagd an. Soll er Aktion zeigen, um den vermeintlichen Ansprüchen des Genres zu genügen, auch wenn das Thema vielleicht mehr Reflexion verlangt? "Desperate Measures" ist wie sein Held hin- und hergerissen, aber genau darin liegt der Reiz des Films. LARS-OLAV BEIER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Kino: Barbet Schroeders "Desperate Measures"
Es gehört zu den festen Gesetzen des amerikanischen Actionfilms, daß die Bösen nicht nur gejagt, sondern auch erlegt werden. Weil sie anderen Leid zugefügt haben, müssen sie mit dem Leben bezahlen. Manchmal ist ihre Schuld so groß, daß sie sogar mehrfach sterben müssen, um den fälligen Blutzoll zu entrichten und das Finale zu verlängern. In dem Thriller "Desperate Measures" folgt der FBI-Agent Frank Connor (Andy Garcia) der Blutspur des Serienmörders Peter McCabe (Michael Keaton) durch ein Krankenhaus. Mit jedem Meter wächst seine Verzweiflung, weil sein Gegenspieler immer mehr Lebenssaft verliert. Nur wenige Räume entfernt blutet zur gleichen Zeit ein kleiner Junge aus der Nase. Franks Sohn Matthew (Joseph Cross) leidet an Leukämie und kann nur durch eine Knochenmarktransplantation gerettet werden. Der einzig in Frage kommende Spender ist McCabe. Im Todfeind steckt ein Lebensretter.
Barbet Schroeders Inszenierung rückt gleich zu Beginn zwei gegensätzliche Welten, die des Gefängnisses und die des Krankenhauses, so dicht zusammen, daß sie Wand an Wand zu grenzen scheinen. Nachdem Connor im Hochsicherheitstrakt mit McCabe gesprochen und diesem für die Bereitschaft zur Spende Hafterleichterungen in Aussicht gestellt hat, besucht er seinen Sohn. Senkrechte Schatten fallen neben die Tür des Krankenzimmers und erscheinen wie Gitterstäbe: Auch Matthew befindet sich in einer Zelle, in der er kaum mehr tun kann, als auf den Tod zu warten. Tatsächlich ist dieses Hospital, in das McCabe überführt wird, um das Mark zu spenden, ein ehemaliges Gefängnis. Obwohl er es noch nie betreten hat, ist ihm dieses Terrain überaus vertraut.
Fast schwarzweiß wirken die Bilder des Kameramannes Luciano Tovoli oft. Im Angesicht des Todes scheinen sich lebhafte Farben zu verbieten. Doch dann, als die Geschichte in Gang kommt, bestimmen zunehmend das Grün der Ärztekittel, das Gelb einer Notbeleuchtung, das Blaulicht der Polizei und das Rot des Blutes die Szenerie. Durch einen raffinierten Trick entkommt McCabe und bahnt sich einen Weg durch das Gebäude. Connor gerät zwischen die Fronten, weil er McCabe jagen und beschützen muß, denn das Knochenmark eines Toten wäre für seinen Sohn nutzlos. Um Matthew zu retten, nimmt er in Kauf, daß Unschuldige sterben, und so wird er wie der Killer bald von den eigenen Kollegen verfolgt.
Wenn Schroeder zu Beginn in einer minutenlangen, überaus fesselnden Sequenz nur Großaufnahmen seiner hervorragenden Hauptdarsteller Garcia und Keaton gegeneinanderschneidet, beweist er, daß man moralische Konflikte im Film unter Umständen am besten auf engsten Raum behandelt. Später hat es den Anschein, als würde "Desperate Measures" den Schauplatz Krankenhaus nicht wieder verlassen. Doch man merkt dem Drehbuch von David Klass die Schwierigkeiten an, das Dilemma des Helden in Handlung zu übersetzen. Immer wieder gerät Connor in ähnliche, leicht variierte Situationen. Als deren dramatisches Potential aufgebraucht scheint, bricht der Film gewaltsam aus und zettelt sinnlos eine Autoverfolgungsjagd an. Soll er Aktion zeigen, um den vermeintlichen Ansprüchen des Genres zu genügen, auch wenn das Thema vielleicht mehr Reflexion verlangt? "Desperate Measures" ist wie sein Held hin- und hergerissen, aber genau darin liegt der Reiz des Films. LARS-OLAV BEIER
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