Es ist der 20. Juli 1944. Als Hitlers Kammerdiener ihm das Frühstück bringt, ahnt er nicht, dass es der bedeutsamste Tag im 2. Weltkrieg werden würde.11:45 Hitler bekommt seine tägliche Dosis Morphium. Bei einem Treffen mit seinen Generälen wird die Unterbringung von Mussolini an diesem Nachmittag besprochen. Die Generäle verlangen, die immer schwächer werdende Front im Osten zu verstärken. Unbemerkt von allen plant Oberst Claus Stauffenberg während dem Treffen, Hitler mit einer Bombe, die er in seiner Aktentasche versteckt, zu töten...
Bonusmaterial
- SlideshowFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2009Das wahre Spiel vom 20. Juli
"Operation Walküre", ein großes Fernsehstück von 1971
Franz Peter Wirth: "Operation Walküre".
EuroVideo. 210 Minuten. 4:3 Vollbild. Ton: Mono. Keine Extras.
Mittlerweile gibt es mehr als ein Dutzend Fernsehfilme, Dokumentationen und Miniserien über das Attentat vom 20. Juli 1944, von diversen thematischen Ablegern (etwa über "Die Frauen des 20. Juli") ganz abgesehen. Anfang der siebziger Jahre war das noch anders. Damals gab es nur zwei deutsche Spielfilme, der eine von Georg Wilhelm Pabst ("Es geschah am 20. Juli"), der andere von Falk Harnack ("Der 20. Juli"), beide aus dem Jahr 1955, beide vom Publikum und von der Kritik teils höhnisch, teils bedauernd abgelehnt. Das deutsche Fernsehen hatte also etwas nachzuholen.
Diese Aufgabe haben Franz Peter Wirth und Helmut Pigge mit "Operation Walküre" glänzend gelöst. Schon der Anfang ihres zweiteiligen Dokumentarspiels ist ein Ereignis: eine fiktive Wochenschau von Ende Juli 1944, in der das Attentat und der Staatsstreich als geglückt vorausgesetzt und die ersten Maßnahmen des neuen Regimes geschildert werden. Aus großenteils authentischem, nur neu arrangiertem Material entsteht eine faszinierende Gegengeschichte: Liberale Minister werden vereidigt, Nazigrößen verhaftet, die Friedensproduktion läuft an, und an den Fronten erfahren die Soldaten endlich die Wahrheit über die desolate Kriegslage.
Dann, mit einem Schnitt ins Fernsehstudio, tritt jene Person ins Bild, die den Film über drei Stunden hin mehr als jeder seiner Darsteller und Zeitzeugen prägen wird: Joachim Fest. Fest, der später jahrzehntelang Herausgeber dieser Zeitung war, wird im Abspann von "Operation Walküre" nur als Interviewer geführt, aber natürlich ist er viel mehr: Moderator, Conférencier, Berater, all das, was man heute mit dem Begriff "Anchorman" verbindet. Fest führt durch die Schauplätze und interviewt die Überlebenden des Staatsstreichs, Widerständler wie Regimetreue, und er wahrt dabei die kalte Contenance eines Mannes, dem die historische Aufklärung über jede Äußerung persönlicher Betroffenheit geht. Heutige Fernsehhistoriker können von Fest manches lernen.
Bevor die geschichtliche Rekonstruktion beginnt, dokumentiert "Operation Walküre" den Kenntnisstand der frühen siebziger Jahre. Passanten werden auf der Straße nach dem 20. Juli gefragt; die meisten wissen gar nichts, einige mutmaßen "etwas Politisches", ein junger Mann mit Pilzkopf und Peter-Handke-Brille erinnert sich an den Namen Stauffenberg, und ein Älterer erklärt, er sehe die Ereignisse von damals "nicht positiv". Nur die Hälfte aller Bundesbürger weiß laut einer Allensbach-Umfrage von 1970 über den deutschen Widerstand Bescheid, und ein knappes Fünftel hält die Männer um Stauffenberg immer noch für Verräter. Diese Misere wollen Pigge und Wirth mit ihrem Film beenden.
Dabei gehen sie überaus methodisch vor. Die Figur Stauffenbergs wird durch einen Blick in die Garderobe des Schauspielers Joachim Hansen eingeführt, der sich mit Augenklappe und Lederhandschuh für seinen Auftritt fertig macht; der Darsteller des Otto Ernst Remer, Karl-Heinz von Hassel, fragt den echten Remer, wie er im Krieg gegrüßt habe, "zackig" oder "leger". Die Spielhandlung setzt am 15. Juli 1944 ein: Stauffenberg und Fromm (Harry Kalenberg) treffen aus Berlin in Rastenburg ein. Aber noch bevor sie in den Besprechungsraum gehen, sehen wir Joachim Fest im Gespräch mit Walter Warlimont, der damals mit Hitler am Kartentisch stand. In der "Wolfsschanze", erklärt Warlimont, gab es keine Waffenkontrollen. Nicht nur das zeigt Bryan Singers "Walküre"-Version anders.
Dann blendet der Film zurück in die Vorgeschichte des Attentatsversuchs, zu Goerdeler, Beck und Gisevius (der zugleich als Zeitzeuge interviewt wird) und in Rommels Hauptquartier in La Roche Guyon, das die zweite Basis der Widerstandsbewegung ist. Gersdorff, Kleist-Schmenzin, Albert Speer und der durch Stauffenbergs Bombe verletzte Alfred Heusinger sagen aus, Rommels Adjutant in Frankreich schildert den Unfall, bei dem sein Dienstherr am 17. Juli schwer verletzt wurde, und auch der entsetzliche Remer wird befragt, der eigentliche Retter von Hitlers Regime, der am 20. Juli bei Goebbels die Stimme des "Führers" im Telefon vernahm und mit seinem Wachregiment den Umsturz daraufhin abwürgte.
"Operation Walküre" ist filmische Aufklärung im besten Sinn: Jede Phase des Geschehens wird nachgestellt und zugleich rückschauend kommentiert. Wer verstehen will, warum Hitler das Attentat vom 20. Juli überlebte, ist bei Bryan Singer auf Vermutungen angewiesen; bei Pigge und Wirth bekommt er an einem detailgenauen Modell der "Wolfsschanze" gezeigt, wie sich die Explosion in der Besprechungsbaracke ausgewirkt hat. Auch die innere Ursache für das Scheitern des Staatsstreichs wird bestürzend deutlich: "Wir waren Offiziere, keine Revolutionäre", sagt Ludwig von Hammerstein, damals einer der jüngeren Akteure im Bendlerblock. Das fatale Zögern Friedrich Olbrichts, den "Walküre"-Plan auszulösen, das in der Kinoversion dramatisch überzeichnet wird, hat hier seinen Ursprung.
Natürlich sieht man in jeder Szene, dass dies ein Fernsehfilm von 1971 ist. Die Uniformen wirken künstlich, die Gesichter maskenhaft, und manche Darsteller, etwa Wolfgang Engels als Feldmarschall Kluge, spielen so übertrieben steif und zackig, dass ihre Figuren beinahe zu Karikaturen werden. Die Kamera stolpert dem Geschehen hinterher, und die nachgebauten Räume sind derart eng, dass sie, anders als in Singers Film, ständig überfüllt wirken. Aber alle diese Mängel werden durch die überwältigende Qualität der Originalinterviews aufgewogen. Wenn Bolko von der Heyde, damals Ia in Olbrichts Stab, erklärt, das Attentat hätte im Fall des Gelingens "den Feindmächten einen ungeheuren Auftrieb gegeben", blickt man tief in die deutsche Durchhaltementalität und den Kadavergehorsam der letzten Kriegsmonate. Inzwischen sind fast alle Zeitzeugen tot, so dass der Film selbst den Rang eines historischen Dokuments bekommen hat. Schon deshalb ist er die richtige und notwendige Ergänzung zu Bryan Singers "Valkyrie" wie zu Guido Knopps Geschichtsfernsehen.
Was aber hat Stauffenberg gesagt, als er vor dem Erschießungskommando stand? Sein Fahrer, den Joachim Fest für "Operation Walküre" interviewte, hat "Es lebe das heilige Deutschland!" gehört. Andere, viele andere, hörten "das geheime Deutschland", und so hat es Fest in seinem "Staatsstreich"-Buch von 1994 auch überliefert. Die Stimme, die aus dem Brunnen der Geschichte zu uns dringt, bleibt dunkel, ihre Botschaft ein Rätsel.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Operation Walküre", ein großes Fernsehstück von 1971
Franz Peter Wirth: "Operation Walküre".
EuroVideo. 210 Minuten. 4:3 Vollbild. Ton: Mono. Keine Extras.
Mittlerweile gibt es mehr als ein Dutzend Fernsehfilme, Dokumentationen und Miniserien über das Attentat vom 20. Juli 1944, von diversen thematischen Ablegern (etwa über "Die Frauen des 20. Juli") ganz abgesehen. Anfang der siebziger Jahre war das noch anders. Damals gab es nur zwei deutsche Spielfilme, der eine von Georg Wilhelm Pabst ("Es geschah am 20. Juli"), der andere von Falk Harnack ("Der 20. Juli"), beide aus dem Jahr 1955, beide vom Publikum und von der Kritik teils höhnisch, teils bedauernd abgelehnt. Das deutsche Fernsehen hatte also etwas nachzuholen.
Diese Aufgabe haben Franz Peter Wirth und Helmut Pigge mit "Operation Walküre" glänzend gelöst. Schon der Anfang ihres zweiteiligen Dokumentarspiels ist ein Ereignis: eine fiktive Wochenschau von Ende Juli 1944, in der das Attentat und der Staatsstreich als geglückt vorausgesetzt und die ersten Maßnahmen des neuen Regimes geschildert werden. Aus großenteils authentischem, nur neu arrangiertem Material entsteht eine faszinierende Gegengeschichte: Liberale Minister werden vereidigt, Nazigrößen verhaftet, die Friedensproduktion läuft an, und an den Fronten erfahren die Soldaten endlich die Wahrheit über die desolate Kriegslage.
Dann, mit einem Schnitt ins Fernsehstudio, tritt jene Person ins Bild, die den Film über drei Stunden hin mehr als jeder seiner Darsteller und Zeitzeugen prägen wird: Joachim Fest. Fest, der später jahrzehntelang Herausgeber dieser Zeitung war, wird im Abspann von "Operation Walküre" nur als Interviewer geführt, aber natürlich ist er viel mehr: Moderator, Conférencier, Berater, all das, was man heute mit dem Begriff "Anchorman" verbindet. Fest führt durch die Schauplätze und interviewt die Überlebenden des Staatsstreichs, Widerständler wie Regimetreue, und er wahrt dabei die kalte Contenance eines Mannes, dem die historische Aufklärung über jede Äußerung persönlicher Betroffenheit geht. Heutige Fernsehhistoriker können von Fest manches lernen.
Bevor die geschichtliche Rekonstruktion beginnt, dokumentiert "Operation Walküre" den Kenntnisstand der frühen siebziger Jahre. Passanten werden auf der Straße nach dem 20. Juli gefragt; die meisten wissen gar nichts, einige mutmaßen "etwas Politisches", ein junger Mann mit Pilzkopf und Peter-Handke-Brille erinnert sich an den Namen Stauffenberg, und ein Älterer erklärt, er sehe die Ereignisse von damals "nicht positiv". Nur die Hälfte aller Bundesbürger weiß laut einer Allensbach-Umfrage von 1970 über den deutschen Widerstand Bescheid, und ein knappes Fünftel hält die Männer um Stauffenberg immer noch für Verräter. Diese Misere wollen Pigge und Wirth mit ihrem Film beenden.
Dabei gehen sie überaus methodisch vor. Die Figur Stauffenbergs wird durch einen Blick in die Garderobe des Schauspielers Joachim Hansen eingeführt, der sich mit Augenklappe und Lederhandschuh für seinen Auftritt fertig macht; der Darsteller des Otto Ernst Remer, Karl-Heinz von Hassel, fragt den echten Remer, wie er im Krieg gegrüßt habe, "zackig" oder "leger". Die Spielhandlung setzt am 15. Juli 1944 ein: Stauffenberg und Fromm (Harry Kalenberg) treffen aus Berlin in Rastenburg ein. Aber noch bevor sie in den Besprechungsraum gehen, sehen wir Joachim Fest im Gespräch mit Walter Warlimont, der damals mit Hitler am Kartentisch stand. In der "Wolfsschanze", erklärt Warlimont, gab es keine Waffenkontrollen. Nicht nur das zeigt Bryan Singers "Walküre"-Version anders.
Dann blendet der Film zurück in die Vorgeschichte des Attentatsversuchs, zu Goerdeler, Beck und Gisevius (der zugleich als Zeitzeuge interviewt wird) und in Rommels Hauptquartier in La Roche Guyon, das die zweite Basis der Widerstandsbewegung ist. Gersdorff, Kleist-Schmenzin, Albert Speer und der durch Stauffenbergs Bombe verletzte Alfred Heusinger sagen aus, Rommels Adjutant in Frankreich schildert den Unfall, bei dem sein Dienstherr am 17. Juli schwer verletzt wurde, und auch der entsetzliche Remer wird befragt, der eigentliche Retter von Hitlers Regime, der am 20. Juli bei Goebbels die Stimme des "Führers" im Telefon vernahm und mit seinem Wachregiment den Umsturz daraufhin abwürgte.
"Operation Walküre" ist filmische Aufklärung im besten Sinn: Jede Phase des Geschehens wird nachgestellt und zugleich rückschauend kommentiert. Wer verstehen will, warum Hitler das Attentat vom 20. Juli überlebte, ist bei Bryan Singer auf Vermutungen angewiesen; bei Pigge und Wirth bekommt er an einem detailgenauen Modell der "Wolfsschanze" gezeigt, wie sich die Explosion in der Besprechungsbaracke ausgewirkt hat. Auch die innere Ursache für das Scheitern des Staatsstreichs wird bestürzend deutlich: "Wir waren Offiziere, keine Revolutionäre", sagt Ludwig von Hammerstein, damals einer der jüngeren Akteure im Bendlerblock. Das fatale Zögern Friedrich Olbrichts, den "Walküre"-Plan auszulösen, das in der Kinoversion dramatisch überzeichnet wird, hat hier seinen Ursprung.
Natürlich sieht man in jeder Szene, dass dies ein Fernsehfilm von 1971 ist. Die Uniformen wirken künstlich, die Gesichter maskenhaft, und manche Darsteller, etwa Wolfgang Engels als Feldmarschall Kluge, spielen so übertrieben steif und zackig, dass ihre Figuren beinahe zu Karikaturen werden. Die Kamera stolpert dem Geschehen hinterher, und die nachgebauten Räume sind derart eng, dass sie, anders als in Singers Film, ständig überfüllt wirken. Aber alle diese Mängel werden durch die überwältigende Qualität der Originalinterviews aufgewogen. Wenn Bolko von der Heyde, damals Ia in Olbrichts Stab, erklärt, das Attentat hätte im Fall des Gelingens "den Feindmächten einen ungeheuren Auftrieb gegeben", blickt man tief in die deutsche Durchhaltementalität und den Kadavergehorsam der letzten Kriegsmonate. Inzwischen sind fast alle Zeitzeugen tot, so dass der Film selbst den Rang eines historischen Dokuments bekommen hat. Schon deshalb ist er die richtige und notwendige Ergänzung zu Bryan Singers "Valkyrie" wie zu Guido Knopps Geschichtsfernsehen.
Was aber hat Stauffenberg gesagt, als er vor dem Erschießungskommando stand? Sein Fahrer, den Joachim Fest für "Operation Walküre" interviewte, hat "Es lebe das heilige Deutschland!" gehört. Andere, viele andere, hörten "das geheime Deutschland", und so hat es Fest in seinem "Staatsstreich"-Buch von 1994 auch überliefert. Die Stimme, die aus dem Brunnen der Geschichte zu uns dringt, bleibt dunkel, ihre Botschaft ein Rätsel.
ANDREAS KILB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main