Marktplatzangebote
4 Angebote ab € 3,90 €
  • DVD

Bildformat: 1.66:1 (16:9 anamorph) Sprache / Tonformat: Deutsch (DTS/Dolby Digital 5.1/2.0), Französisch ( Dolby Digital 5.1/2.0) Ländercode: 2 Extras: Dokumentation 'Die Welt des Claude Chabrol'
Die Familie Charpin-Vasseur, drei Generationen einer Familie, die auf eine merkwürdige Weise miteinander verflochten sind: Die alte Micheline Charpin, genannt Tante Line, immer freundlich, offen und fröhlich, ihre Nichte Anne, eine engagierte Lokalpolitikerin, die für das Amt des Bürgermeisters kandidiert, deren Mann Gérard, ein angesehener Apotheker, und die beiden erwachsenen Kinder François und…mehr

  • Anzahl: 1 DVD
Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
Bildformat: 1.66:1 (16:9 anamorph)
Sprache / Tonformat: Deutsch (DTS/Dolby Digital 5.1/2.0), Französisch ( Dolby Digital 5.1/2.0)
Ländercode: 2
Extras: Dokumentation 'Die Welt des Claude Chabrol'
Die Familie Charpin-Vasseur, drei Generationen einer Familie, die auf eine merkwürdige Weise miteinander verflochten sind: Die alte Micheline Charpin, genannt Tante Line, immer freundlich, offen und fröhlich, ihre Nichte Anne, eine engagierte Lokalpolitikerin, die für das Amt des Bürgermeisters kandidiert, deren Mann Gérard, ein angesehener Apotheker, und die beiden erwachsenen Kinder François und Michèle, die aus Annes und Gérards jeweils ersten Ehen stammen. In einer Kleinstadt nahe Bordeaux leben sie nach François Rückkehr aus den USA wieder vereint unter dem Dach des herrschaftlichen Familienanwesens.

In dieser scheinbare idyllischen Fassade sind aber erste Risse erkennbar: Gérard ist über das politische Engagement seiner Frau alles andere als erfreut und zeigt offenkundiges Interesse an jüngeren Frauen. Auch sein Verhältnis zu François ist alles andere als herzlich. Umso inniger und leidenschaftlicher ist die Beziehung zwischen den beiden Stiefgeschwistern, die sich schon als kleine Kinder ineinander verliebt hatten. Lediglich Tante Line wird von allen geliebt und ist stets für die Sorgen und Nöte aller da.

Der Wahlkampf ist in vollem Gange, Anne ist mit ihrem ständigen "Schatten", dem ebenso ehrgeizigen wie servilen Parteifreund Matthieu unterwegs auf Wählerfang, als ein anonymes Flugblatt in der Stadt verteilt wird, das ungeheuerliche Verdächtigungen gegen die Familie Charpin-Vasseur erhebt. Annes Großvater hätte als Kollaborateur der Nazis nicht einmal davor zurückgeschreckt, seinen eigenen Sohn, den Bruder Tante Lines, ermorden lassen, als sich dieser der Résistance anschließen wollte. An dem gewaltsamen Tod des Großvaters sei Line nicht unschuldig, obwohl ihr umgekehrt auch nie nachgewiesen werden konnte, dass sie ihren Vater tatsächlich umgebracht hätte. Und auch ein dritter, bisher ungeklärter Todesfall sei keineswegs so zufällig gewesen: der Autounfall, bei dem Gérards erste Frau und Annes erster Mann gleichzeitig umgekommen sind.

Wer steckt hinter diesem anonymen Pamphlet? Ist es ein politischer Gegner von Anne, der mit allen Mitteln verhindern möchte, dass sie Bürgermeisterin wird? Oder gar Gérard, der von Anfang an gegen Annes Kandidatur war? Sind die Anschuldigungen wahr? Welches düstere Geheimnis trägt Tante Line seit vielen Jahrzehnten mit sich?

Bonusmaterial

DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Trailer von anderen Filmen - Kapitel- / Szenenanwahl - Dokumentation "Die Welt des Claude Chabrol" (ca. 30 Minuten)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.07.2003

Eine Frage des Arrangements
Claude Chabrols neuer Film "Die Blume des Bösen" blickt wieder ins Herz des Bürgertums

So fängt es an: Die Kamera gleitet durch einen Garten zum Eingang eines ländlichen Herrenhauses, durchquert die Vorhalle, saugt sich am Treppengeländer hinauf in den ersten Stock, fährt in einen dunklen Gang und blickt in das erste Zimmer auf der rechten Seite. Darin sitzt eine junge Frau auf dem Boden mit angezogenen Knien. Ein Grammophon spielt ein altes Chanson: "Un souvenir, c'est l'image d'un rêve, / une heure trop brève qui ne veut pas finir ..." Im nächsten Zimmer liegt die Leiche des Hausherrn. Seine linke Hand ist in die Tagesdecke des Ehebetts gekrallt, an seiner Schläfe glänzt ein blutiges Einschußloch - Frankreich im Jahr 1944.

Und so hört es auf: Zwei Frauen, eine alte und eine junge, schleppen den Leichnam des Hausherrn die Treppenstufen des Hauses hinauf. Ein Telefon klingelt. Die ältere Frau läßt die Leiche los, und der Tote rutscht ein paar Stufen zurück nach unten. Die Frauen lachen. Dann tragen sie den Hausherrn in sein Schlafzimmer. Ein Blutfaden läuft aus seinem Mund. Die Greisin verkrallt seine Hände in die Tagesdecke des Bettes. Die junge Frau setzt sich im Nebenzimmer auf den Boden und zieht die Knie an - Frankreich im Jahr 2002.

Wenn man alt wird, entdeckt man, daß die Dinge des Lebens sich wiederholen. Claude Chabrol ist dreiundsiebzig. Die Zahl der Filme, die er in den vergangenen viereinhalb Jahrzehnten gedreht hat, läßt sich nur annähernd bestimmen. Zählt man die Kurzfilme "Die Habsucht" (aus dem Episodenfilm "Die sieben Todsünden") und "Die Stumme" sowie den Dokumentarfilm "Das Auge von Vichy" mit, sind es dreiundfünfzig. Das ist mehr als ein Werk. Es ist ein Gebäude, eine Kinokathedrale. Und so wie eine Kathedrale auf ihren Pfeilern ruht, ruhen auch Chabrols Filme auf wenigen Motiven, die in immer neuen Verwandlungen wiederkehren. Habsucht. Lüge. Eifersucht. Wollust. Neid. Die sieben Todsünden eben. Und weil die Sünde allgegenwärtig ist, spielen Chabrols Geschichten überall in Frankreich, bevorzugt aber im Bürgertum und auf dem Land. Schon sein Kinodebüt "Le Beau Serge" von 1958 ist eine ländliche Familiengeschichte. "Die Enttäuschten" hieß der Film auf deutsch. So könnte auch Chabrols neuer Spielfilm heißen. Aber er heißt "Die Blume des Bösen". Wer ist die Blume?

Als François Vasseur (Benoît Magimel) nach vierjährigem Studienaufenthalt in Amerika in sein Elternhaus in einer Kleinstadt bei Bordeaux zurückkommt, erkennt er seine Stiefschwester Michèle Charpin (Melanie Doutey) nicht sofort. Michèle ist eine schöne und selbständige Frau geworden, während François trotz aller amerikanischen Erfahrungen der großbürgerliche Sohn des Hauses geblieben ist, grüblerisch wie Hamlet, ehrgeizig wie Rastignac. Sein Geschenk an sie: ein Baseballschläger. Ihr Geschenk an ihn: sie selbst. Michèle hat sich für François aufbewahrt, und kaum daß die Koffer ausgepackt, die Kleider verstaut, die Honneurs gemacht sind, fahren die beiden ins Sommerhaus der Familie am Atlantik, um ein Liebespaar zu werden.

Aber vorher gibt es, wie oft bei Chabrol, ein Essen. Zwischen Apéritif und Hauptgang wird der Rest der Familie vorgestellt: François' Vater Gérard (Bernard Le Coq), ein reicher Apotheker und zynischer Schürzenjäger, seine Stiefmutter Anne Charpin-Vasseur (Nathalie Baye), die für das Bürgermeisteramt kandidiert, und die Großtante Line (Suzanne Flon), die über den Haushalt wacht. Nicht sonderlich sympathische Leute, aber auch längst nicht die Atridenbrut, die man erwartet hätte. Und doch haben wir am Anfang einen Mord gesehen. Wo also steckt das Böse?

Die Meisterschaft eines Regisseurs erkennt man an den szenischen Lösungen, die er für sattsam bekannte Erzählmotive findet. Neunundneunzig von hundert Filmemachern hätten die Enthüllung des Familiengeheimnisses der Charpin-Vasseur am Eßtisch inszeniert. Chabrol verlegt sie in einen luxuriösen Wintergarten, zwischen üppige Palmen und Kakteen und die Gitterstäbe eines mannshohen Papageienkäfigs. Hier erscheint Annes Wahlhelfer Matthieu (Thomas Chabrol) mit einem anonymen Flugblatt, das eine furchtbare Räuberpistole über die familiären Verhältnisse der Kandidatin erzählt. Wie sich zeigt, ist kein Wort davon unwahr. Annes erster Ehemann ist tatsächlich bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben gekommen, zusammen mit der Frau seines Bruders Gérard, den Anne daraufhin heiratete; und auch ihre Eltern starben bei einem Unfall. Und ihr Großvater Pierre Charpin, ein hoher Funktionär des Vichy-Regimes, wurde, so munkelt man, von seiner eigenen Tochter erschossen, nachdem er seinen Sohn, einen Kämpfer der Résistance, an die Behörden verraten hatte. Die Tochter aber wurde vor Gericht freigesprochen. Es ist Tante Line.

In "Die Blume des Bösen" ist, wie in den Krimis von Simenon, an dessen Produktivität Chabrol nicht ganz heranreicht, alles eine Frage des Arrangements. Der Kamerablick durch den Papageienkäfig auf Michèle und ihre Tante ersetzt jeden kommentierenden Dialog. Und die kleine zauberische Einstellung von François und Michèle am Strand des Ferienhauses, die Chabrol mit "amerikanischer Nacht", also mit abgeblendetem Tageslicht, gedreht hat, erspart uns das Lakengewühl der Liebesnacht. So haben sich auch die Familien Charpin und Vasseur, die seit drei Generationen untereinander heiraten, mit den Unzulänglichkeiten der menschlichen Natur arrangiert. Sie sind absolute Routiniers im Vertuschen ihrer Skandale. Nur Tante Line, von Suzanne Flon mit graziöser Unerbittlichkeit verkörpert, hat sich nicht arrangiert. Am hellen Mittag, wenn die Vernunft schläft, hört sie die Stimmen der Vergangenheit. "Die Zeit existiert nicht", murmelt sie einmal vor sich hin. Das kann nur ein alter Mensch sagen, für den sich alles wiederholt. Es ist die tiefere Wahrheit dieses Films.

Es gibt eine dramaturgische Sicherheit, eine erzählerische Präzision in "Die Blume des Bösen", die beinahe zu selbstgewiß und altmeisterlich wirkt. Der Film beschreibt nicht nur familiäre Versteinerungen, er läßt sich auch von ihnen anstecken, und so wirken manche seiner Bosheiten harmloser, als es sonst bei Chabrol der Fall ist. Dazu kommt, daß die Geschichte kein eigentliches Zentrum hat, daß sie selbst nur ein Gitterwerk ist, in dem sich die Schicksale der Generationen verfangen. So können weder Nathalie Baye noch der quecksilbrige Benoît Magimel ihren Part ganz ausspielen, und auch Chabrols Neuentdeckung Mélanie Doutey läuft eher blühend als glühend durch diesen Film.

Aber solche Einwände spielen auf einem Niveau, das die Mehrzahl der europäischen Regisseure überhaupt erst erreichen müßte. "Die Blume des Bösen" ist nicht Chabrols bester Film, aber Chabrol bleibt der beste Regisseur für einen Film wie diesen. So tief wie er kann kein anderer ins böse Herz des Bürgers schauen. "Scheinheiliger Leser! Mein Ebenbild! Mein Bruder!" So sprach vor hundertfünfzig Jahren ein junger Dichter im Vorwort seines ersten Lyrikbandes sein Publikum an. Das Buch, in dem Schuld, Inzest, Vatermord und Schwesternliebe keine geringe Rolle spielen, hieß "Die Blumen des Bösen". Claude Chabrol hat jetzt seine Blume zu Baudelaires Strauß dazugesteckt.

ANDREAS KILB

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr