Als ein hochrangiger chinesischer Politiker umgebracht wird, spricht alles dafür, dass Bourne (Matt Damon) der Attentäter ist. Beim CIA weiß man, dass dieser unschuldig unter Verdacht geraten ist. Es scheint, als ob Bournes Person benutzt wurde, um eine diplomatische Krise zwischen den USA und China zu provozieren. Doch zwischen den Fronten der internationalen Geheimdienste und auf der Suche nach seiner wahren Identität bleibt ihm wenig Zeit herauszufinden, wer hinter der Verschwörung steckt: Denn seine Gegner haben auch Freundin Marie (Franka Potente) ins Visier genommen ...
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Kinotrailer - Kapitel- / Szenenanwahl - Animiertes DVD-Menü - DVD-Menü mit Soundeffekten - Explosive unveröffentlichte Szenen - Das Casting für "Die Bourne Verschwörung" - Der besondere Look des Films - Explosive Effekte - Auf der Flucht mit Jason Bourne - Bourne to be wild: Kampf-Training - Crash Cam: Verfolgungsjagd in Moskau - Das Action-Mobil - Die Anatomie einer Actionszene - Musikaufnahmen mit John Powell - Audiokommentar von Regisseur Paul Greengrass - DVD-ROM Skin - Das Bourne Ultimatum - Sneak Peek - Die Ludlum Identität - Die Ludlum Verschwörung - Das Ludlum UltimatumFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2004Die Brücke nach Hollywood
Nicht Matt Damon spielt die Hauptrolle im Agententhriller "Die Bourne Verschwörung", auch nicht Franka Potente, sondern Berlin
Ich wohne in einer ruhigen Gegend in der Mitte von Berlin. Um die Ecke gibt es ein Restaurant mit rheinischen Spezialitäten, in dem sich Bundestagsabgeordnete wie in Bonn fühlen, außerdem haben wir einen Zeitungsladen, einen Bäcker und einen kleinen Blumenladen, der vor ein paar Tagen allerdings zugemacht hat. Das Aufregendste ist vielleicht, daß aus einem der Häuser in meiner Seitenstraße einst Lola herausrannte, die rennende Lola aus dem Film. Das war es dann aber auch. Mehr ist da nicht.
Im letzten Januar war auf einmal alles anders. Schon morgens merkte man, es lag etwas in der Luft. Durch meine Straße, die, wie gesagt, eine sehr ruhige Straße ist, liefen lauter dunkel gekleidete Männer und Frauen und sprachen leise auf englisch und russisch in Walkie-talkies. Polizisten stellten Parkverbotsschilder auf und begannen zeitgleich mit dem Abschleppen. Die Punks, die sonst immer auf der gußeisernen S-Bahn-Brücke über die Spree sitzen und Vorbeikommende um Geld anschnorren, waren verschwunden. Auch die Frau mit der Ziehharmonika, die dort jeden Morgen dieselbe melancholische Volksweise spielt, war nicht da. Dafür schleppten Männer Kabel. Und am Ufer parkten mehr Polizeiwagen als sonst.
Am Abend dann war die ganze Szenerie gleißend hell beleuchtet. Riesige, auf Kräne montierte Scheinwerfer hüllten die Brücke in ein unwirkliches Licht, dessen Schein sich in der dunklen Spree spiegelte. Es war ein kalter Abend. Diese klirrend trockene Berliner Winterkälte, die sich gnadenlos durch jeden Mantelkragen fräst. Am Fuß der Brücke hatte sich eine Menschenmenge gebildet. Ich blieb extra nicht stehen, weil ich ja Anwohner war. Außerdem ist mir schnell etwas peinlich. Vor meiner Haustür fragte ich dann doch einen Polizisten, der aussah, als ob er dort Wache stand. Hier würde heute ein Hollywood-Film gedreht, sagte er. Mit Matt Damon. Die Fortsetzung von "The Bourne Identity".
Ich hatte diesen Film sogar gesehen. Matt Damon spielt darin einen CIA-Agenten, der sein Gedächtnis verloren hat und gejagt wird, aber er weiß nicht, warum. Franka Potente spielt seine Freundin, und zusammen fahren die beiden quer durch Europa, sind immer auf der Flucht und wissen nicht einmal, ob er, Jason Bourne heißt er im Film, eigentlich ein Guter oder ein Böser ist. Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie ging der Film aus, offenbar gut, und Bourne überlebte.
Und jetzt also die Fortsetzung. Von meiner Wohnung aus konnte ich die Dreharbeiten hören. Es klang nach einer Verfolgungsjagd. Alle paar Minuten quietschten Reifen. Ich lag auf meinem Sofa und guckte fern. Das weiß ich noch. Und daß ich gerade telefonierte. Und daß die Heizung an war und es hell war und warm in meiner Wohnung. Und dann hörte ich auf einmal ein seufzendes Geräusch, ungefähr so, als ob jemand enttäuscht zu Boden sinkt. Gleichzeitig wurde es dunkel. Und leise. Sehr leise. Es war überhaupt noch nie so leise gewesen in meiner Wohnung. Oder so dunkel. Kein Lichtstrahl fiel von draußen hinein, die Telefonleitung war tot, sogar die Straßenlaternen waren aus. Als wäre die Erde auf einmal zum Stillstand gekommen.
Wegen der Dreharbeiten, erfuhren wir später, hatte es einen Kurzschluß gegeben. Meine Straße war mehrere Stunden ohne Strom. Nichts ging, und es wurde auch immer kälter. Nachdem ich eine Weile frierend und Hollywood verfluchend im Dunkeln gesessen hatte, fiel mir ein, daß auch vor hundert Jahren schon Menschen in Winternächten gelebt hatten. Kerze. Bettdecke. Buch. So ging es dann.
Im fertigen Film ist vom Stromausfall natürlich nichts zu sehen. Die Szene ist sogar sehr schön geworden. Silbrig glitzert die Brücke (meine Brücke!) im Mondschein (der in Wahrheit aus tonnenschweren Scheinwerfern bestand). Es ist eine der Schlüsselszenen des Films. Jason Bourne ist mal wieder auf der Flucht. In dieser Szene flieht er, das ist der einzige geographische Fehler im Film, von einem Hotel am Ku'damm aus in wenigen Schritten zum S-Bahnhof Friedrichstraße. (Für diejenigen, die sich in Berlin nicht auskennen: Zu Fuß braucht man für diese Strecke eine gute Stunde.) Dort erklimmt er die Brücke, über die ich täglich gehe. Ich benutze die dafür vorgesehenen Stufen. Bourne traut sich mehr: Er balanciert am Geländer entlang, klettert unter ihr hindurch und springt schließlich in einen Frachtkahn, der gerade unten vorbeikommt. Wenn ich mich richtig erinnere, entkommt er schließlich mit der S-Bahn (meine S-Bahn!) aus der Gefahrenzone (mein Zuhause!) und bringt sich, für diese Szene wenigstens, in Sicherheit.
Dabei, wer ist eigentlich Matt Damon? In diesem Film spielt er nur eine Statistenrolle. Er ist der, der immer mit finsterem Gesichtsausdruck durch die Kulisse rennt und - wenig Mimik, wenig Text - alle zur Seite bringt, die sich ihm in den Weg stellen. Franka Potente ist auch wieder dabei, aber sie stirbt ungefähr in der dritten Minute, und damit ist nicht zuviel verraten, das ist ja sogar im Trailer zu sehen. Nein, die eigentliche Hauptrolle spielt, wie in jedem guten Spionagefilm, der Schauplatz, der natürlich ständig wechselt, man kennt das ja von James Bond. Mühelos werden Kontinente übersprungen, in Schreibmaschinenschrift tickern auf der Leinwand die Orte durch: Goa, India. Naples, Italy. Und: Berlin, Germany.
In Berlin treffen sich Ost und West, erkannte der Produzent des Films, Frank Marshall: "Berlin ist das Zentrum der Spionage, das Zentrum von Europa, eine unglaublich lebendige, aufregende, andersartige und visuelle Stadt." Für einen Gejagten wie Jason Bourne geradezu die perfekte Umgebung. Große Plätze zum Verlorengehen, verwinkelte Gassen für Verfolgungsjagden, schön viel Gedränge im Berufsverkehr. Wenn man hier lebt, kann einem das alles schon manchmal ganz schön auf die Nerven gehen. Diese Riesenplätze, auf denen immer ein kalter Wind weht, selbst im August, bei dreißig Grad plus. Die Karl-Marx-Allee, für deren Überquerung man sich einen Tag freinehmen muß. Die kleinen Straßen mit Kopfsteinpflaster im Osten der Stadt, die man höchstens so lange charmant findet, bis man einmal mit dem Fahrrad darübergefahren ist. Die Baufälligkeit. Das viele Grau. Die Einschußlöcher, die es an manchen Gebäuden immer noch zu sehen gibt. Aber Hollywood ist begeistert. "Die Bourne Verschwörung" ist nur der erste von vielen Berlin-Filmen, die demnächst im Kino zu sehen sein werden. Für "In 80 Tagen um die Welt" mit Jackie Chan wurde letztes Jahr der Gendarmenmarkt mit Kulissen verkleidet. Tom Cruise wird "Mission Impossible" hier drehen. Kevin Spacey ist gerade wieder weg. Und, wenn man sich den Bourne-Film so anguckt: Berlin macht sich gut. Und wirkt, durch Hollywood-Linsen gesehen, ganz anders, als man es kennt. Aufregender. Kälter. Moderner. Immer wieder beginnen Szenen mit einer Einstellung, die den Fernsehturm von schräg oben zeigt. Was für ein unglaubliches Bauwerk, so filigran und unverwechselbar, da kann der Eiffelturm echt einpacken. Oder der Alexanderplatz. Der wirkt im Film so monumental, frostig und grau, daß er grobkörnig erscheint, obwohl er gestochen scharf aufgenommen ist. Oder der Westen der Stadt. Anheimelnd sieht Berlin hier aus, bürgerlich und gemütlich. Fast wie eine richtig nette Stadt. Oder das Westin Grand Hotel in der Friedrichstraße, in dem im Film Bournes Gegenspieler untergebracht sind. In echt sieht es ziemlich piefig aus, ein großer brauner Kasten mit dunklen Fenstern, der ungefähr soviel Eleganz versprüht wie eine Polizeiuniform. Aber im Film: Was für ein schickes Grandhotel, welch teppichgesäumte Weltläufigkeit!
Berlin sei ein phantastischer Drehort gewesen, sagte der Regisseur des Films, Paul Greengrass, dessen "Bloody Sunday" vor zwei Jahren die Berlinale gewann. Es sei "zeitgemäß, unaufgeregt, unprätentiös, ungezwungen und frisch". Ungefähr denselben Eindruck wollte man wohl mit der Kameraführung erwecken - in der amerikanischen Pressevorführung soll sich eine Frau übergeben haben, weil die Bilder gar so arg wackelig sind. Alles geht immer sehr schnell, dauernd passiert etwas, es wird gelaufen, geschossen, gezielt und gehauen, und wenn gerade nichts passiert, denkt man, daß vielleicht doch etwas passiert und man es nur verpaßt, weil die Kamera wieder so wackelig ist. Das ist verwirrend, sieht aber natürlich sehr modern aus. Es gibt tolle Schauspieler - die kühle Blonde aus dem "Eissturm", Joan Allen, ist Bournes Gegenspielerin. Aber ein Film, dessen Hauptdarsteller einem grundunsympathisch ist, weil er nur schlechte Laune hat und Leute umbringt, bei denen man nie weiß, ob man sie nicht eigentlich viel netter fand, hat ein Problem.
Ich mochte den Film trotzdem, vor allem natürlich die Szene mit der Brücke. Falls Sie ihn sehen: Da hinten, auf der anderen Seite des Flusses, ungefähr zehn Häuser weiter, vielleicht auch zwölf, in der Parallelstraße, in einer dunklen Wohnung im ersten Stock, das bin ich.
JOHANNA ADORJÁN
"Die Bourne Verschwörung" kommt am Donnerstag ins Kino.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nicht Matt Damon spielt die Hauptrolle im Agententhriller "Die Bourne Verschwörung", auch nicht Franka Potente, sondern Berlin
Ich wohne in einer ruhigen Gegend in der Mitte von Berlin. Um die Ecke gibt es ein Restaurant mit rheinischen Spezialitäten, in dem sich Bundestagsabgeordnete wie in Bonn fühlen, außerdem haben wir einen Zeitungsladen, einen Bäcker und einen kleinen Blumenladen, der vor ein paar Tagen allerdings zugemacht hat. Das Aufregendste ist vielleicht, daß aus einem der Häuser in meiner Seitenstraße einst Lola herausrannte, die rennende Lola aus dem Film. Das war es dann aber auch. Mehr ist da nicht.
Im letzten Januar war auf einmal alles anders. Schon morgens merkte man, es lag etwas in der Luft. Durch meine Straße, die, wie gesagt, eine sehr ruhige Straße ist, liefen lauter dunkel gekleidete Männer und Frauen und sprachen leise auf englisch und russisch in Walkie-talkies. Polizisten stellten Parkverbotsschilder auf und begannen zeitgleich mit dem Abschleppen. Die Punks, die sonst immer auf der gußeisernen S-Bahn-Brücke über die Spree sitzen und Vorbeikommende um Geld anschnorren, waren verschwunden. Auch die Frau mit der Ziehharmonika, die dort jeden Morgen dieselbe melancholische Volksweise spielt, war nicht da. Dafür schleppten Männer Kabel. Und am Ufer parkten mehr Polizeiwagen als sonst.
Am Abend dann war die ganze Szenerie gleißend hell beleuchtet. Riesige, auf Kräne montierte Scheinwerfer hüllten die Brücke in ein unwirkliches Licht, dessen Schein sich in der dunklen Spree spiegelte. Es war ein kalter Abend. Diese klirrend trockene Berliner Winterkälte, die sich gnadenlos durch jeden Mantelkragen fräst. Am Fuß der Brücke hatte sich eine Menschenmenge gebildet. Ich blieb extra nicht stehen, weil ich ja Anwohner war. Außerdem ist mir schnell etwas peinlich. Vor meiner Haustür fragte ich dann doch einen Polizisten, der aussah, als ob er dort Wache stand. Hier würde heute ein Hollywood-Film gedreht, sagte er. Mit Matt Damon. Die Fortsetzung von "The Bourne Identity".
Ich hatte diesen Film sogar gesehen. Matt Damon spielt darin einen CIA-Agenten, der sein Gedächtnis verloren hat und gejagt wird, aber er weiß nicht, warum. Franka Potente spielt seine Freundin, und zusammen fahren die beiden quer durch Europa, sind immer auf der Flucht und wissen nicht einmal, ob er, Jason Bourne heißt er im Film, eigentlich ein Guter oder ein Böser ist. Ich weiß nicht mehr wie, aber irgendwie ging der Film aus, offenbar gut, und Bourne überlebte.
Und jetzt also die Fortsetzung. Von meiner Wohnung aus konnte ich die Dreharbeiten hören. Es klang nach einer Verfolgungsjagd. Alle paar Minuten quietschten Reifen. Ich lag auf meinem Sofa und guckte fern. Das weiß ich noch. Und daß ich gerade telefonierte. Und daß die Heizung an war und es hell war und warm in meiner Wohnung. Und dann hörte ich auf einmal ein seufzendes Geräusch, ungefähr so, als ob jemand enttäuscht zu Boden sinkt. Gleichzeitig wurde es dunkel. Und leise. Sehr leise. Es war überhaupt noch nie so leise gewesen in meiner Wohnung. Oder so dunkel. Kein Lichtstrahl fiel von draußen hinein, die Telefonleitung war tot, sogar die Straßenlaternen waren aus. Als wäre die Erde auf einmal zum Stillstand gekommen.
Wegen der Dreharbeiten, erfuhren wir später, hatte es einen Kurzschluß gegeben. Meine Straße war mehrere Stunden ohne Strom. Nichts ging, und es wurde auch immer kälter. Nachdem ich eine Weile frierend und Hollywood verfluchend im Dunkeln gesessen hatte, fiel mir ein, daß auch vor hundert Jahren schon Menschen in Winternächten gelebt hatten. Kerze. Bettdecke. Buch. So ging es dann.
Im fertigen Film ist vom Stromausfall natürlich nichts zu sehen. Die Szene ist sogar sehr schön geworden. Silbrig glitzert die Brücke (meine Brücke!) im Mondschein (der in Wahrheit aus tonnenschweren Scheinwerfern bestand). Es ist eine der Schlüsselszenen des Films. Jason Bourne ist mal wieder auf der Flucht. In dieser Szene flieht er, das ist der einzige geographische Fehler im Film, von einem Hotel am Ku'damm aus in wenigen Schritten zum S-Bahnhof Friedrichstraße. (Für diejenigen, die sich in Berlin nicht auskennen: Zu Fuß braucht man für diese Strecke eine gute Stunde.) Dort erklimmt er die Brücke, über die ich täglich gehe. Ich benutze die dafür vorgesehenen Stufen. Bourne traut sich mehr: Er balanciert am Geländer entlang, klettert unter ihr hindurch und springt schließlich in einen Frachtkahn, der gerade unten vorbeikommt. Wenn ich mich richtig erinnere, entkommt er schließlich mit der S-Bahn (meine S-Bahn!) aus der Gefahrenzone (mein Zuhause!) und bringt sich, für diese Szene wenigstens, in Sicherheit.
Dabei, wer ist eigentlich Matt Damon? In diesem Film spielt er nur eine Statistenrolle. Er ist der, der immer mit finsterem Gesichtsausdruck durch die Kulisse rennt und - wenig Mimik, wenig Text - alle zur Seite bringt, die sich ihm in den Weg stellen. Franka Potente ist auch wieder dabei, aber sie stirbt ungefähr in der dritten Minute, und damit ist nicht zuviel verraten, das ist ja sogar im Trailer zu sehen. Nein, die eigentliche Hauptrolle spielt, wie in jedem guten Spionagefilm, der Schauplatz, der natürlich ständig wechselt, man kennt das ja von James Bond. Mühelos werden Kontinente übersprungen, in Schreibmaschinenschrift tickern auf der Leinwand die Orte durch: Goa, India. Naples, Italy. Und: Berlin, Germany.
In Berlin treffen sich Ost und West, erkannte der Produzent des Films, Frank Marshall: "Berlin ist das Zentrum der Spionage, das Zentrum von Europa, eine unglaublich lebendige, aufregende, andersartige und visuelle Stadt." Für einen Gejagten wie Jason Bourne geradezu die perfekte Umgebung. Große Plätze zum Verlorengehen, verwinkelte Gassen für Verfolgungsjagden, schön viel Gedränge im Berufsverkehr. Wenn man hier lebt, kann einem das alles schon manchmal ganz schön auf die Nerven gehen. Diese Riesenplätze, auf denen immer ein kalter Wind weht, selbst im August, bei dreißig Grad plus. Die Karl-Marx-Allee, für deren Überquerung man sich einen Tag freinehmen muß. Die kleinen Straßen mit Kopfsteinpflaster im Osten der Stadt, die man höchstens so lange charmant findet, bis man einmal mit dem Fahrrad darübergefahren ist. Die Baufälligkeit. Das viele Grau. Die Einschußlöcher, die es an manchen Gebäuden immer noch zu sehen gibt. Aber Hollywood ist begeistert. "Die Bourne Verschwörung" ist nur der erste von vielen Berlin-Filmen, die demnächst im Kino zu sehen sein werden. Für "In 80 Tagen um die Welt" mit Jackie Chan wurde letztes Jahr der Gendarmenmarkt mit Kulissen verkleidet. Tom Cruise wird "Mission Impossible" hier drehen. Kevin Spacey ist gerade wieder weg. Und, wenn man sich den Bourne-Film so anguckt: Berlin macht sich gut. Und wirkt, durch Hollywood-Linsen gesehen, ganz anders, als man es kennt. Aufregender. Kälter. Moderner. Immer wieder beginnen Szenen mit einer Einstellung, die den Fernsehturm von schräg oben zeigt. Was für ein unglaubliches Bauwerk, so filigran und unverwechselbar, da kann der Eiffelturm echt einpacken. Oder der Alexanderplatz. Der wirkt im Film so monumental, frostig und grau, daß er grobkörnig erscheint, obwohl er gestochen scharf aufgenommen ist. Oder der Westen der Stadt. Anheimelnd sieht Berlin hier aus, bürgerlich und gemütlich. Fast wie eine richtig nette Stadt. Oder das Westin Grand Hotel in der Friedrichstraße, in dem im Film Bournes Gegenspieler untergebracht sind. In echt sieht es ziemlich piefig aus, ein großer brauner Kasten mit dunklen Fenstern, der ungefähr soviel Eleganz versprüht wie eine Polizeiuniform. Aber im Film: Was für ein schickes Grandhotel, welch teppichgesäumte Weltläufigkeit!
Berlin sei ein phantastischer Drehort gewesen, sagte der Regisseur des Films, Paul Greengrass, dessen "Bloody Sunday" vor zwei Jahren die Berlinale gewann. Es sei "zeitgemäß, unaufgeregt, unprätentiös, ungezwungen und frisch". Ungefähr denselben Eindruck wollte man wohl mit der Kameraführung erwecken - in der amerikanischen Pressevorführung soll sich eine Frau übergeben haben, weil die Bilder gar so arg wackelig sind. Alles geht immer sehr schnell, dauernd passiert etwas, es wird gelaufen, geschossen, gezielt und gehauen, und wenn gerade nichts passiert, denkt man, daß vielleicht doch etwas passiert und man es nur verpaßt, weil die Kamera wieder so wackelig ist. Das ist verwirrend, sieht aber natürlich sehr modern aus. Es gibt tolle Schauspieler - die kühle Blonde aus dem "Eissturm", Joan Allen, ist Bournes Gegenspielerin. Aber ein Film, dessen Hauptdarsteller einem grundunsympathisch ist, weil er nur schlechte Laune hat und Leute umbringt, bei denen man nie weiß, ob man sie nicht eigentlich viel netter fand, hat ein Problem.
Ich mochte den Film trotzdem, vor allem natürlich die Szene mit der Brücke. Falls Sie ihn sehen: Da hinten, auf der anderen Seite des Flusses, ungefähr zehn Häuser weiter, vielleicht auch zwölf, in der Parallelstraße, in einer dunklen Wohnung im ersten Stock, das bin ich.
JOHANNA ADORJÁN
"Die Bourne Verschwörung" kommt am Donnerstag ins Kino.
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