Seit 15 Jahren leben die Eltern im Untergrund. Tarnen sich zwischen den anonymen Touristen an den Atlantikstränden Portugals. Damals haben sie ein Tabu gebrochen: Sie haben eine Tochter gezeugt. Ein Mädchen, das nie eine Schule besucht hat, das nie die Kleidung mit ihren Freundinnen tauschen konnte, das nie den Unterricht schwänzte, durch Städte streifte und in Eisdielen Schluss mit ihrem Freund machte.
Ein Mädchen, das allein ist.
Die Eltern sind kurz davor, sich eine halbwegs legale Identität irgendwo in Brasilien zusammenzubasteln, als durch eine Unachtsamkeit all das zusammenbricht. Noch einmal müssen sie fliehen und ihre Flucht führt sie nach Deutschland. Währenddessen hat ihre Tochter begonnen, sich zu verlieben. Eine Liebe, die zu einer Tragödie führt und die Familienziele zerstören wird.
" Die innere Sicherheit" wurde für den Deutschen Filmpreis 2001 in den Kategorien Beste Regie (Christian Petzold), Beste Hauptdarstellerein (Julia Hummer), Beste Nebendarstellerein (Barbara auer) und als bester deutscher Spielfilm des Jahres ausgezeichnet.
Ein Mädchen, das allein ist.
Die Eltern sind kurz davor, sich eine halbwegs legale Identität irgendwo in Brasilien zusammenzubasteln, als durch eine Unachtsamkeit all das zusammenbricht. Noch einmal müssen sie fliehen und ihre Flucht führt sie nach Deutschland. Währenddessen hat ihre Tochter begonnen, sich zu verlieben. Eine Liebe, die zu einer Tragödie führt und die Familienziele zerstören wird.
" Die innere Sicherheit" wurde für den Deutschen Filmpreis 2001 in den Kategorien Beste Regie (Christian Petzold), Beste Hauptdarstellerein (Julia Hummer), Beste Nebendarstellerein (Barbara auer) und als bester deutscher Spielfilm des Jahres ausgezeichnet.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - Audiokommentar - Interview - Entfallene Szenen - Behind-the-scenes Material - Medienbeiträge - Isolierte Filmmusik - Fotogalerie - Trailer - BiografienFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.04.2010Es gibt kein Leben nach der RAF
Nichts als Gespenster - Christian Petzolds Film aus dem Jahr 2000 ist Thriller, Familiengeschichte und politisches Kammerspiel zugleich
Ein Mädchen sitzt in einem Café am Meer. Ein gleichaltriger Junge aus einer Gruppe von Surfern, für die keine gute Welle kommt, setzt sich dazu, raucht mit ihm, bis der Vater das Mädchen aus dem gerade beginnenden Flirt wegzieht, hinunter an den Strand, wo die Mutter wartet. Das Meer ist grau, der Strand leuchtet nicht, es sieht aus, als sei es kühl. Wir sind in Portugal, aber nicht da, wo es nach Urlaub aussieht. Quartier bezogen hat die kleine Familie in einem gesichtslosen Neubau, einer Ferienwohnung für Pauschaltouristen, unpersönlich, kalt, anonym. Und darum geht es. Unerkannt zu bleiben, spurlos zu existieren. Hier klappt das dann sehr schnell doch nicht. Das Mädchen, das am Ende in ein freies Leben aufbrechen wird (Julia Hummer macht allein in ihrem Gesicht den Weg vom Kind zur Frau sichtbar), blickt andere Menschen noch an. Vater und Mutter nicht mehr. Sie schauen aus dem Bild heraus, und das wird die beherrschende Blickrichtung der Erwachsenen in diesem Film bleiben - von der konkreten Situation weg in die Umgebung, dorthin, wo Gefahr lauern könnte, von wo aus fremde Blicke sie treffen und erkennen könnten. Sie sind auf der Flucht, Portugal war nur eine Zwischenstation.
Es fällt nie das Wort RAF, es gibt keine politische Aktion, und doch ist "Die innere Sicherheit" einer der wenigen Filme über die Geschichte der extremen Linken in Deutschland, die als durchdringende Beschäftigung eines Autorenfilmers mit den Verhältnissen im eigenen Land überdauern werden. Christian Petzold tut das nicht auf dokumentarische und aus unmittelbarem Schock geborene Weise, wie es die erste Generation deutscher Autorenfilmer in "Deutschland im Herbst" (1977) getan hatte, und nicht im Terroristenchic nachgestellt wie "Der Baader-Meinhof-Komplex", sondern stilisiert, aufs Wesentliche reduziert, wie eine Etüde der Einsamkeit, des Verfolgungswahns, der Legitimationsversuche und schließlich der Befreiung des Mädchens aus der Logik des Untergrunds. "Die innere Sicherheit" ist auch ein Film über die Möglichkeit eines Lebens nach der RAF, von der in diesem Film nicht einmal mehr der Name geblieben ist.
Dass der Weg aus dem Terrorismus in die Familiengründung führte, war eigentlich nicht vorgesehen, jedenfalls nicht in der Literatur zum bewaffneten Kampf. Wenn der Film einsetzt, ist aber diese Familie da, die zustande kam, als der Kampf längst endgültig verloren, die letzten Sprachhülsen verschossen, die überlebenden Genossen im Knast oder untergetaucht waren. Der bewaffnete Kampf dient nur noch der Geldbeschaffung zur Sicherung der Existenz. Es gibt da also diese heranwachsende Tochter, Jeanne, die ein Zuhause möchte, von dem sie ins Leben und in eine Zukunft gehen kann, die Freunde braucht, sich verlieben will. Und ihr gegenüber die Eltern, die ihr das unstete Hin- und Herfahren zwischen immer neuen Verstecken nicht mehr als Abenteuer verkaufen können, sondern zugeben müssen, dass sie in ihrer entsetzlichen Hilflosigkeit nur in einer Matrix hin und her flitzen, in der sie nicht einmal allein sind. Es ist die Zeit der Rasterfahndung.
Wahrscheinlich ist der Kontext, in dem "Die innere Sicherheit" im Jahr 2000 in die Kinos kam - es waren zufällig die Wochen der Verdächtigungen gegen den damaligen Außenminister Joschka Fischer über seine revolutionäre Vergangenheit und damit ein Aufleben der dann sehr banalen neuerlichen Diskussion über die RAF -, heute den wenigsten Zuschauern noch präsent. Und das ist gut für den Film. Denn es geht hier nicht um Politik im engeren Sinn. Petzold stellt eine Laborsituation her: Wie funktioniert Paranoia? Was passiert innerhalb der Familie, wenn sie ständig auf der Flucht ist, keinen Ort hat und keinen findet? Was geschieht mit den Menschen, die früher einmal die deutsche extreme Linke bildeten? Mit Kämpfern, die die Geschichte nicht braucht, von der Gesellschaft zu schweigen? Mit Menschen, die in den Untergrund gingen, heute aber auch für sich selbst den Grund für ihren Kampf verloren haben und nur noch mit den Folgen beschäftigt sind? Den Folgen, das heißt: unerkannt bleiben zu müssen, Geld zu brauchen, das sie nicht verdienen, nur stehlen oder aus alten Verstecken abholen können, kein Netzwerk, keine Freunde mehr zu haben, keine Utopie, nur noch Trümmer der eigenen Existenz? Und, filmisch gesprochen: Wie lässt sich ein Thriller als politisches Kammerspiel inszenieren? Wie kann sich eine deutsche Familiengeschichte im Genre behaupten? Wie sieht ein Auto in leerer Landschaft aus?
Es ist schon erstaunlich, wie viele verschiedene Funktionen ein Auto bei Petzold haben kann. In fast allen seiner Filme spielt es mit, zuletzt in "Yella" und "Jerichow", die seinen internationalen Ruf als einer der wichtigsten deutschen Filmemacher festigten. Natürlich ist das Auto auch in Petzolds Filmen ein Vehikel, um von hier nach dort zu kommen. Aber es kann auch sein: ein schäbiger Ersatz für ein Zuhause, Fluchtmittel, Mordwaffe, Anschlagsziel, Gefängnis, ein Innen, abgeschnitten vom Außen der Welt, ein Sarg. Christian Petzold hat einmal im Zusammenhang mit der "Inneren Sicherheit" gesagt, das Auto habe auf die Struktur der Familie denselben Einfluss wie der Abendbrottisch - es bringe die Familie zusammen. In dieser besonderen Familie ist das Auto an die Stelle des Abendbrottisches getreten. Vor allem die Eltern (Richy Müller und Barbara Auer) sind unbeholfen, wenn es ans gemeinsame Essen geht, aber routiniert, gut eingespielt im Innenraum ihrer wechselnden Wagen. Auch auf die augenfällige Parallele zu Richard Wagners "Fliegendem Holländer", der über die Meere kreuzt, hat der Regisseur selbst hingewiesen, wobei die Meere hier die Autobahnen sind. Petzold hat auch gesagt, die Autobahnen, das seien die Adern der Bundesrepublik und die Fluchtautos, immer weiß, die Viren, die in ihnen hin und her rasen.
Es gibt nicht viel zu lachen in Petzolds Filmen, da ist "Die innere Sicherheit" keine Ausnahme. Aber es ist schon eine Ironie besonderer Art, die Familie auf der Flucht ausgerechnet im einem Glashaus Zuflucht und Versteck finden zu lassen. Es sind Gespenster, die Petzold hier entwirft, unsichtbar, so wollen sie glauben, für die Welt der Normalität, immer auf der Hut, sollten sie sich damit irren. Und sie irren sich.
Allerdings nicht gleich. Auch wenn "Die innere Sicherheit" ein sehr eigenwilliger Genrefilm ist, der am Anfang eine Pistole zeigt und ungefähr in der Mitte eine Begegnung des Fluchtautos mit vier vermeintlichen Verfolgern an einer Kreuzung in ein Nicht-Ereignis auflöst, so geht es doch nicht nur um Geschichte, sondern auch um Geld in einem Schließfach, subversive Treffen an der Autobahnraststätte, um Lügen und schließlich um Verrat. Es ist eine traurige Geschichte aus einem Land, das hier so aussieht, als hätten wir es nie zuvor gesehen.
VERENA LUEKEN
Die F.A.Z.-Filmedition "Momente des deutschen Films" einzeln oder im Schuber (mit Michael Althens und Hans Helmut Prinzlers "Auge in Auge") ist jetzt im Handel.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nichts als Gespenster - Christian Petzolds Film aus dem Jahr 2000 ist Thriller, Familiengeschichte und politisches Kammerspiel zugleich
Ein Mädchen sitzt in einem Café am Meer. Ein gleichaltriger Junge aus einer Gruppe von Surfern, für die keine gute Welle kommt, setzt sich dazu, raucht mit ihm, bis der Vater das Mädchen aus dem gerade beginnenden Flirt wegzieht, hinunter an den Strand, wo die Mutter wartet. Das Meer ist grau, der Strand leuchtet nicht, es sieht aus, als sei es kühl. Wir sind in Portugal, aber nicht da, wo es nach Urlaub aussieht. Quartier bezogen hat die kleine Familie in einem gesichtslosen Neubau, einer Ferienwohnung für Pauschaltouristen, unpersönlich, kalt, anonym. Und darum geht es. Unerkannt zu bleiben, spurlos zu existieren. Hier klappt das dann sehr schnell doch nicht. Das Mädchen, das am Ende in ein freies Leben aufbrechen wird (Julia Hummer macht allein in ihrem Gesicht den Weg vom Kind zur Frau sichtbar), blickt andere Menschen noch an. Vater und Mutter nicht mehr. Sie schauen aus dem Bild heraus, und das wird die beherrschende Blickrichtung der Erwachsenen in diesem Film bleiben - von der konkreten Situation weg in die Umgebung, dorthin, wo Gefahr lauern könnte, von wo aus fremde Blicke sie treffen und erkennen könnten. Sie sind auf der Flucht, Portugal war nur eine Zwischenstation.
Es fällt nie das Wort RAF, es gibt keine politische Aktion, und doch ist "Die innere Sicherheit" einer der wenigen Filme über die Geschichte der extremen Linken in Deutschland, die als durchdringende Beschäftigung eines Autorenfilmers mit den Verhältnissen im eigenen Land überdauern werden. Christian Petzold tut das nicht auf dokumentarische und aus unmittelbarem Schock geborene Weise, wie es die erste Generation deutscher Autorenfilmer in "Deutschland im Herbst" (1977) getan hatte, und nicht im Terroristenchic nachgestellt wie "Der Baader-Meinhof-Komplex", sondern stilisiert, aufs Wesentliche reduziert, wie eine Etüde der Einsamkeit, des Verfolgungswahns, der Legitimationsversuche und schließlich der Befreiung des Mädchens aus der Logik des Untergrunds. "Die innere Sicherheit" ist auch ein Film über die Möglichkeit eines Lebens nach der RAF, von der in diesem Film nicht einmal mehr der Name geblieben ist.
Dass der Weg aus dem Terrorismus in die Familiengründung führte, war eigentlich nicht vorgesehen, jedenfalls nicht in der Literatur zum bewaffneten Kampf. Wenn der Film einsetzt, ist aber diese Familie da, die zustande kam, als der Kampf längst endgültig verloren, die letzten Sprachhülsen verschossen, die überlebenden Genossen im Knast oder untergetaucht waren. Der bewaffnete Kampf dient nur noch der Geldbeschaffung zur Sicherung der Existenz. Es gibt da also diese heranwachsende Tochter, Jeanne, die ein Zuhause möchte, von dem sie ins Leben und in eine Zukunft gehen kann, die Freunde braucht, sich verlieben will. Und ihr gegenüber die Eltern, die ihr das unstete Hin- und Herfahren zwischen immer neuen Verstecken nicht mehr als Abenteuer verkaufen können, sondern zugeben müssen, dass sie in ihrer entsetzlichen Hilflosigkeit nur in einer Matrix hin und her flitzen, in der sie nicht einmal allein sind. Es ist die Zeit der Rasterfahndung.
Wahrscheinlich ist der Kontext, in dem "Die innere Sicherheit" im Jahr 2000 in die Kinos kam - es waren zufällig die Wochen der Verdächtigungen gegen den damaligen Außenminister Joschka Fischer über seine revolutionäre Vergangenheit und damit ein Aufleben der dann sehr banalen neuerlichen Diskussion über die RAF -, heute den wenigsten Zuschauern noch präsent. Und das ist gut für den Film. Denn es geht hier nicht um Politik im engeren Sinn. Petzold stellt eine Laborsituation her: Wie funktioniert Paranoia? Was passiert innerhalb der Familie, wenn sie ständig auf der Flucht ist, keinen Ort hat und keinen findet? Was geschieht mit den Menschen, die früher einmal die deutsche extreme Linke bildeten? Mit Kämpfern, die die Geschichte nicht braucht, von der Gesellschaft zu schweigen? Mit Menschen, die in den Untergrund gingen, heute aber auch für sich selbst den Grund für ihren Kampf verloren haben und nur noch mit den Folgen beschäftigt sind? Den Folgen, das heißt: unerkannt bleiben zu müssen, Geld zu brauchen, das sie nicht verdienen, nur stehlen oder aus alten Verstecken abholen können, kein Netzwerk, keine Freunde mehr zu haben, keine Utopie, nur noch Trümmer der eigenen Existenz? Und, filmisch gesprochen: Wie lässt sich ein Thriller als politisches Kammerspiel inszenieren? Wie kann sich eine deutsche Familiengeschichte im Genre behaupten? Wie sieht ein Auto in leerer Landschaft aus?
Es ist schon erstaunlich, wie viele verschiedene Funktionen ein Auto bei Petzold haben kann. In fast allen seiner Filme spielt es mit, zuletzt in "Yella" und "Jerichow", die seinen internationalen Ruf als einer der wichtigsten deutschen Filmemacher festigten. Natürlich ist das Auto auch in Petzolds Filmen ein Vehikel, um von hier nach dort zu kommen. Aber es kann auch sein: ein schäbiger Ersatz für ein Zuhause, Fluchtmittel, Mordwaffe, Anschlagsziel, Gefängnis, ein Innen, abgeschnitten vom Außen der Welt, ein Sarg. Christian Petzold hat einmal im Zusammenhang mit der "Inneren Sicherheit" gesagt, das Auto habe auf die Struktur der Familie denselben Einfluss wie der Abendbrottisch - es bringe die Familie zusammen. In dieser besonderen Familie ist das Auto an die Stelle des Abendbrottisches getreten. Vor allem die Eltern (Richy Müller und Barbara Auer) sind unbeholfen, wenn es ans gemeinsame Essen geht, aber routiniert, gut eingespielt im Innenraum ihrer wechselnden Wagen. Auch auf die augenfällige Parallele zu Richard Wagners "Fliegendem Holländer", der über die Meere kreuzt, hat der Regisseur selbst hingewiesen, wobei die Meere hier die Autobahnen sind. Petzold hat auch gesagt, die Autobahnen, das seien die Adern der Bundesrepublik und die Fluchtautos, immer weiß, die Viren, die in ihnen hin und her rasen.
Es gibt nicht viel zu lachen in Petzolds Filmen, da ist "Die innere Sicherheit" keine Ausnahme. Aber es ist schon eine Ironie besonderer Art, die Familie auf der Flucht ausgerechnet im einem Glashaus Zuflucht und Versteck finden zu lassen. Es sind Gespenster, die Petzold hier entwirft, unsichtbar, so wollen sie glauben, für die Welt der Normalität, immer auf der Hut, sollten sie sich damit irren. Und sie irren sich.
Allerdings nicht gleich. Auch wenn "Die innere Sicherheit" ein sehr eigenwilliger Genrefilm ist, der am Anfang eine Pistole zeigt und ungefähr in der Mitte eine Begegnung des Fluchtautos mit vier vermeintlichen Verfolgern an einer Kreuzung in ein Nicht-Ereignis auflöst, so geht es doch nicht nur um Geschichte, sondern auch um Geld in einem Schließfach, subversive Treffen an der Autobahnraststätte, um Lügen und schließlich um Verrat. Es ist eine traurige Geschichte aus einem Land, das hier so aussieht, als hätten wir es nie zuvor gesehen.
VERENA LUEKEN
Die F.A.Z.-Filmedition "Momente des deutschen Films" einzeln oder im Schuber (mit Michael Althens und Hans Helmut Prinzlers "Auge in Auge") ist jetzt im Handel.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main