Als Jake (Asa Butterfield) verschiedene Hinweise findet, die Realität und Zeit auf rätselhafte Weise auf den Kopf zu stellen scheinen, entdeckt er einen geheimen Zufluchtsort, DIE INSEL DER BESONDEREN KINDER. Je mehr Jake über die Bewohner der Insel und über ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten erfährt, desto mehr wird ihm bewusst, dass Sicherheit nur eine Illusion ist und dass Gefahr in Gestalt von übermächtigen, unsichtbaren Feinden überall lauert. Jake muss unbedingt herausfinden, was wahr ist, wem er trauen kann und wer er selbst wirklich ist.
Bonusmaterial
Eine besondere Geschichte Die außergewöhnlichen Kinder Die Hollows & ehemalige Hollows Eine Reise durch die Zeit Musikvideo: "Wish that you were here" von Florence + The Machine Music Bildergalerien Original KinotrailerFrankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2016Heb' doch mal ab!
Der Junge, der seine Träume an die Wand beamen kann, und andere Wahrheiten - im neuen Film von Tim Burton
Es gibt phantastische Filme, es gibt realistische Filme, und es gibt phantastische Filme, die sich der Realität besonders verpflichtet fühlen. Denen es einfach nicht reicht, von fliegenden Kindern und fleischfressenden Hinterköpfen, von verwunschenen Orten und angehaltenen Zeiten zu erzählen. Die ihrer eigenen Phantastik zu misstrauen scheinen. Eine andere Welt, mit anderen Regeln, Wesen und Wünschen, vor allem ganz anderen Wunscherfüllungsmöglichkeiten - das ist nicht genug. Diese andere Welt muss außerdem in einem ganz speziellen Verhältnis zu der Welt stehen, die man außerhalb des Films Realität nennt: in einem allegorischen Verhältnis.
Eine Allegorie will auch der neue Film von Tim Burton sein, und das ist ein Problem. Nicht etwa, weil "Die Insel der besonderen Kinder" deshalb ein wirklich schlechter Film wäre. Es ist immer noch ein guter Film: schön, lustig, traurig ist er. Gerade deshalb würde man sich von ihm so gern verzaubern lassen. Über das Fliegen und das Fressen staunen, über diesen Ort (ein verfallenes Kinderheim) und diese Zeit (sie wird angehalten), und all die anderen Kuriositäten, die eine Welt, wie Tim Burton sie entwirft, phantastisch machen und beglückend. Der Zeile aus dem Titelsong glauben: "There's a new world coming."
Burton will einen diesmal aber nicht einfach verzaubern, er will einen auch belehren, will, dass man die Probleme und Wunder dieser new world immer schön in die Probleme und Lösungsmöglichkeiten der old world übersetzt. "Die Insel der besonderen Kinder" erzählt vom Verhältnis zwischen Ausgedachtem und Wirklichkeit, davon, wie das eine durch das andere geheilt werden kann - und verletzt seine Zuschauer doch permanent damit, dass er das Ausgedachte durch die Übersetzung in die Wirklichkeit entwertet. Eine Allegorie steht ja niemals für sich, sie ruft danach, entziffert zu werden, und nach dieser Entzifferung stehen die Zeichen, all die phantastischen, merkwürdigen, besonderen, ihrer Magie beraubt leer in der Gegend herum. Sie verweisen nur, sie bedeuten nicht selbst.
Wie die Jahreszahl 1943. Wie dieser Name der Bösen: die Hollowgasts. Wie dieser Hashtag: "#Bleib besonders" soll man es nennen, wenn man auf Twitter über "Die Insel der besonderen Kinder" schreibt. Hinweise darauf, diesen Film auf eine ganz bestimmte Art zu verstehen: Die Nazis haben besondere Menschen umgebracht. Besonderssein ist aber okay, Besonderssein ist gut.
Die Geschichte des Films beginnt, wie in der Phantastik so üblich, ganz und gar unbesonders: mit Jake (Asa Butterfield), einem zwölf, dreizehn Jahre alten, blassen Jungen. Er hat keine Freunde in Florida, wo er aufwächst - aber er hat einen Großvater, der ihm immer Geschichten erzählt hat. Und als dieser Großvater stirbt und Jake ihn unter mysteriösen Umständen und mit ausgepickten Augen im Wald findet, fängt der phantastische Teil der Geschichte an.
Nicht nur erzählt hatte der Großvater Jake vom "Heim für besondere Kinder" in Wales, in dem er als polnischer (vermutlich jüdischer) Junge aufgewachsen war, er hatte ihm auch Fotos davon gezeigt. Schwarzweißfotos von einem Jungen ohne Hals (er ist unsichtbar und nur durch seine Kleidung sichtbar), von der schönen Emma, die seine Freundin war, von der schönen und gütigen Heimleiterin Miss Peregrine (Eva Green), die sich in einen Falken verwandeln kann. Zu diesem Heim macht sich Jake auf, um den Tod aufzuklären. Nach Wales, und ins Jahr 1943. Und findet, natürlich, heraus, dass das alles wahr ist. Wahr - und doch nicht Teil dieser Welt.
Warum, das hat mit einem drohenden Bombardement und einer rettenden Zeitschleife zu tun, mit den besonderen Kindern und den bösen Besonderen. Diese Details sind hier aber nicht wichtig. Wichtig sind die Besonderheiten der einzelnen Charaktere: des Jungen, dem Bienen aus dem Mund fliegen, sobald er ihn öffnet; des Mädchens, das Pflanzen in Windeseile wachsen lassen kann, und des Mädchens, das vom Boden abhebt, sobald es seine schweren Metallstiefel auszieht; des Jungen, der seine Träume an die Wand beamen kann und damit regelmäßig Filmabende veranstaltet. Und dass es diese Charaktere und ihre Schauspieler sind, die den Film retten und sehenswert machen, das ist wichtig. Vor allem Eva Green und Samuel L. Jackson als das absolut Gute und das absolut Böse sind großartig, leicht und charmant. Ob es, gerade in einem Film über den Holocaust, allerdings besonders gelungen ist, die Rolle des Bösesten der Bösen, des Kinderschrecks, dem einzigen schwarzen Schauspieler zu geben, daran muss man mindestens zweifeln.
Burton ist ein großer Entwurfskünstler phantastischer Charaktere, und diese Entwürfe funktionieren auch hier. Wenn da bloß diese Bedeutungsschwere nicht wäre. Der Film sollte es machen wie das Mädchen Emma: die bleischweren Stiefel abschnallen. Um endlich abzuheben. Weisheiten sind das eine. Phantastik aber muss fliegen.
JULIA DETTKE
Von Donnerstag an im Kino
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Junge, der seine Träume an die Wand beamen kann, und andere Wahrheiten - im neuen Film von Tim Burton
Es gibt phantastische Filme, es gibt realistische Filme, und es gibt phantastische Filme, die sich der Realität besonders verpflichtet fühlen. Denen es einfach nicht reicht, von fliegenden Kindern und fleischfressenden Hinterköpfen, von verwunschenen Orten und angehaltenen Zeiten zu erzählen. Die ihrer eigenen Phantastik zu misstrauen scheinen. Eine andere Welt, mit anderen Regeln, Wesen und Wünschen, vor allem ganz anderen Wunscherfüllungsmöglichkeiten - das ist nicht genug. Diese andere Welt muss außerdem in einem ganz speziellen Verhältnis zu der Welt stehen, die man außerhalb des Films Realität nennt: in einem allegorischen Verhältnis.
Eine Allegorie will auch der neue Film von Tim Burton sein, und das ist ein Problem. Nicht etwa, weil "Die Insel der besonderen Kinder" deshalb ein wirklich schlechter Film wäre. Es ist immer noch ein guter Film: schön, lustig, traurig ist er. Gerade deshalb würde man sich von ihm so gern verzaubern lassen. Über das Fliegen und das Fressen staunen, über diesen Ort (ein verfallenes Kinderheim) und diese Zeit (sie wird angehalten), und all die anderen Kuriositäten, die eine Welt, wie Tim Burton sie entwirft, phantastisch machen und beglückend. Der Zeile aus dem Titelsong glauben: "There's a new world coming."
Burton will einen diesmal aber nicht einfach verzaubern, er will einen auch belehren, will, dass man die Probleme und Wunder dieser new world immer schön in die Probleme und Lösungsmöglichkeiten der old world übersetzt. "Die Insel der besonderen Kinder" erzählt vom Verhältnis zwischen Ausgedachtem und Wirklichkeit, davon, wie das eine durch das andere geheilt werden kann - und verletzt seine Zuschauer doch permanent damit, dass er das Ausgedachte durch die Übersetzung in die Wirklichkeit entwertet. Eine Allegorie steht ja niemals für sich, sie ruft danach, entziffert zu werden, und nach dieser Entzifferung stehen die Zeichen, all die phantastischen, merkwürdigen, besonderen, ihrer Magie beraubt leer in der Gegend herum. Sie verweisen nur, sie bedeuten nicht selbst.
Wie die Jahreszahl 1943. Wie dieser Name der Bösen: die Hollowgasts. Wie dieser Hashtag: "#Bleib besonders" soll man es nennen, wenn man auf Twitter über "Die Insel der besonderen Kinder" schreibt. Hinweise darauf, diesen Film auf eine ganz bestimmte Art zu verstehen: Die Nazis haben besondere Menschen umgebracht. Besonderssein ist aber okay, Besonderssein ist gut.
Die Geschichte des Films beginnt, wie in der Phantastik so üblich, ganz und gar unbesonders: mit Jake (Asa Butterfield), einem zwölf, dreizehn Jahre alten, blassen Jungen. Er hat keine Freunde in Florida, wo er aufwächst - aber er hat einen Großvater, der ihm immer Geschichten erzählt hat. Und als dieser Großvater stirbt und Jake ihn unter mysteriösen Umständen und mit ausgepickten Augen im Wald findet, fängt der phantastische Teil der Geschichte an.
Nicht nur erzählt hatte der Großvater Jake vom "Heim für besondere Kinder" in Wales, in dem er als polnischer (vermutlich jüdischer) Junge aufgewachsen war, er hatte ihm auch Fotos davon gezeigt. Schwarzweißfotos von einem Jungen ohne Hals (er ist unsichtbar und nur durch seine Kleidung sichtbar), von der schönen Emma, die seine Freundin war, von der schönen und gütigen Heimleiterin Miss Peregrine (Eva Green), die sich in einen Falken verwandeln kann. Zu diesem Heim macht sich Jake auf, um den Tod aufzuklären. Nach Wales, und ins Jahr 1943. Und findet, natürlich, heraus, dass das alles wahr ist. Wahr - und doch nicht Teil dieser Welt.
Warum, das hat mit einem drohenden Bombardement und einer rettenden Zeitschleife zu tun, mit den besonderen Kindern und den bösen Besonderen. Diese Details sind hier aber nicht wichtig. Wichtig sind die Besonderheiten der einzelnen Charaktere: des Jungen, dem Bienen aus dem Mund fliegen, sobald er ihn öffnet; des Mädchens, das Pflanzen in Windeseile wachsen lassen kann, und des Mädchens, das vom Boden abhebt, sobald es seine schweren Metallstiefel auszieht; des Jungen, der seine Träume an die Wand beamen kann und damit regelmäßig Filmabende veranstaltet. Und dass es diese Charaktere und ihre Schauspieler sind, die den Film retten und sehenswert machen, das ist wichtig. Vor allem Eva Green und Samuel L. Jackson als das absolut Gute und das absolut Böse sind großartig, leicht und charmant. Ob es, gerade in einem Film über den Holocaust, allerdings besonders gelungen ist, die Rolle des Bösesten der Bösen, des Kinderschrecks, dem einzigen schwarzen Schauspieler zu geben, daran muss man mindestens zweifeln.
Burton ist ein großer Entwurfskünstler phantastischer Charaktere, und diese Entwürfe funktionieren auch hier. Wenn da bloß diese Bedeutungsschwere nicht wäre. Der Film sollte es machen wie das Mädchen Emma: die bleischweren Stiefel abschnallen. Um endlich abzuheben. Weisheiten sind das eine. Phantastik aber muss fliegen.
JULIA DETTKE
Von Donnerstag an im Kino
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main