Die Chronik der Kinder von Golzow berichtet von Menschen der Jahrgänge 1953 -1955, die in der DDR geboren wurden, hier aufwuchsen und in der Mitte ihres Lebens Bürger der Bundesrepublik Deutschland wurden.
Das Porträt von jemandem, der als Sitzenbleiber in die Klasse kam, und, was das Reisen angeht, es am weitesten von allen brachte. Der Werdegang eines Zimmermannes, unternehmungslustigen Draufgängers und unverbesserlichen Optimisten, der aus den wechselnden Lebenslagen immer das Beste machte.
Das Porträt von jemandem, der als Sitzenbleiber in die Klasse kam, und, was das Reisen angeht, es am weitesten von allen brachte. Der Werdegang eines Zimmermannes, unternehmungslustigen Draufgängers und unverbesserlichen Optimisten, der aus den wechselnden Lebenslagen immer das Beste machte.
Bonusmaterial
DVD-Ausstattung / Bonusmaterial: - KapiteleinteilungFrankfurter Allgemeine ZeitungGlück ist, wenn der Mann glücklich ist
Im Forum: "Ein Mensch wie Dieter", der 16. Film der Dokumentation "Die Kinder von Golzow"
"Ein Mensch wie Dieter" ist der sechzehnte Film der Langzeitdokumentation "Die Kinder von Golzow", die das Autorenfilmerpaar Barbara und Winfried Junge mit dem Film "Wenn ich erst zur Schule geh" im Jahre 1961 begann. Im Abstand von einigen Jahren besuchten die Regisseure "ihren Dieter" immer wieder. Der Zuschauer sieht ein Leben an sich vorüberziehen: Dieter wird eingeschult, badet im Sommer im Teich, erhält Schul- und Abschlusszeugnisse, erzählt von Wünschen und Träumen, die sich um ferne Länder drehen, und beginnt eine Lehre als Zimmermann. Er verpflichtet sich für drei Jahre bei der NVA, arbeitet, heiratet, zieht in eine Plattenbauwohnung, bekommt Kinder, arbeitet auf einer LPG und in einer Baukolonne.
"Die schlechten Sachen vergisst man eben", sagt Dieter, er habe "nichts von der Welt gesehen". Auch älter geworden träumt er noch von der Ferne, von Brasilien und anderen fremden Ländern. Wenn er lacht, leuchtet unter dem Vollbart das Gesicht des kleinen blonden Jungen hervor. Oft lacht er den verschwurbelt daherkommenden Fragen der Kommentatorenstimme offen entgegen. Die kommentiert sich im Film selbst, "ich frage", "ich sage" hört der Zuschauer immer wieder. Der Neuschnitt des alten Filmmaterials kann nicht verbergen, dass die Regisseure auch Filme mit Titeln wie "Ich bin ein Junger Pionier" gedreht haben. Auf manche der Suggestivfragen - manchmal wirken sie beinahe bevormundend - hat Dieter endgültige Antworten parat. Auf "hast du die Ferne nicht vergessen" entgegnet er: "Anderswo musste auch arbeiten."
Die ungewollt komischste Szene des Films ergibt sich, als Dieter von zwei Funktionären, die die Kamera nicht gewohnt sind, für eine Baukolonne angeworben werden soll. Beide stottern sich auf Dieters Wohnzimmercouch durch ihren Text, Dieter muss mehrmals eingreifen und sozialistische Großphrasen für sie zu Ende sprechen. Am Ende hat er so sich selber angeworben. Im Marx-Jahr 1983 sieht man Dieter mit Marx-Bart gegen das "zügellose Wettrüsten" demonstrieren; "jetzt muss nur noch Frieden bleiben", entlocken ihm die Filmemacher. Der Frieden in der Plattenbauwohnung in Frankfurt (Oder) bleibt gewahrt, weil seine Frau der Meinung ist, man könne "ja nur glücklich sein, wenn der Mann glücklich ist".
Dieter bewährt sich und darf schließlich als Reisekader ins "NSW", ins "Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet" reisen. In der "BRD" baut er an der Frankfurter Startbahn West, dann darf er sogar nach Libyen. "Und, ist das hier ein Traumjob?", fragt die Autorenstimme in einem Ton, in dem sich Hohn und Arroganz zu mischen scheinen. Die Eitelkeit des Dokumentarfilmers rückt sich vor einer libyschen Palme selbst ins Bild, dann gleitet die Kamera über die Westprodukte in der Bauarbeiterunterkunft. Der Film kippt mit den Ereignissen der Wendejahre. Plötzlich steht das Gefilmte ohne realsozialistische Patina und immer formloser nebeneinander. Sei es, dass die Autoren hier ihr Probleme mit der Form des filmischen Essays haben, sei es, dass ihre offene Konzeption sich nicht eignet, um alle Umwälzungen um die Hauptfigur Dieter herum darzustellen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Filmemacher, gleichermaßen verwirrt ohne den Rückhalt ihres bislang fest betonierten Weltbilds, filmen müssen. Vollends scheitert der Film schließlich mit dem Versuch, der großen Oderflut des Sommers 1997, die auch Dieters neues Haus bedroht, eine symbolische Bedeutung abzugewinnen.
Nicht nach dem wichtigsten oder schönsten Augenblick in seinem Leben, sondern "was war das Schönste, was wir gefilmt haben?" fragt die Eitelkeit der Filmemacher am Ende der Langzeitbeobachtung. Sie erinnern plötzlich an den dämonischen Regisseur mit der Baskenmütze, der in der Truman-Show auf der Kommandobrücke steht und ein ganzes Leben sendet.
DAVID WAGNER
Wieder am 13.2. (CinemaxX 3, 10 Uhr, Delphi, 15.30 Uhr), 14.2. (Cine Star 8, 19 Uhr), 15.2. (Arsenal, 14.15 Uhr), 16.2. (Babylon, 21.30 Uhr)
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Im Forum: "Ein Mensch wie Dieter", der 16. Film der Dokumentation "Die Kinder von Golzow"
"Ein Mensch wie Dieter" ist der sechzehnte Film der Langzeitdokumentation "Die Kinder von Golzow", die das Autorenfilmerpaar Barbara und Winfried Junge mit dem Film "Wenn ich erst zur Schule geh" im Jahre 1961 begann. Im Abstand von einigen Jahren besuchten die Regisseure "ihren Dieter" immer wieder. Der Zuschauer sieht ein Leben an sich vorüberziehen: Dieter wird eingeschult, badet im Sommer im Teich, erhält Schul- und Abschlusszeugnisse, erzählt von Wünschen und Träumen, die sich um ferne Länder drehen, und beginnt eine Lehre als Zimmermann. Er verpflichtet sich für drei Jahre bei der NVA, arbeitet, heiratet, zieht in eine Plattenbauwohnung, bekommt Kinder, arbeitet auf einer LPG und in einer Baukolonne.
"Die schlechten Sachen vergisst man eben", sagt Dieter, er habe "nichts von der Welt gesehen". Auch älter geworden träumt er noch von der Ferne, von Brasilien und anderen fremden Ländern. Wenn er lacht, leuchtet unter dem Vollbart das Gesicht des kleinen blonden Jungen hervor. Oft lacht er den verschwurbelt daherkommenden Fragen der Kommentatorenstimme offen entgegen. Die kommentiert sich im Film selbst, "ich frage", "ich sage" hört der Zuschauer immer wieder. Der Neuschnitt des alten Filmmaterials kann nicht verbergen, dass die Regisseure auch Filme mit Titeln wie "Ich bin ein Junger Pionier" gedreht haben. Auf manche der Suggestivfragen - manchmal wirken sie beinahe bevormundend - hat Dieter endgültige Antworten parat. Auf "hast du die Ferne nicht vergessen" entgegnet er: "Anderswo musste auch arbeiten."
Die ungewollt komischste Szene des Films ergibt sich, als Dieter von zwei Funktionären, die die Kamera nicht gewohnt sind, für eine Baukolonne angeworben werden soll. Beide stottern sich auf Dieters Wohnzimmercouch durch ihren Text, Dieter muss mehrmals eingreifen und sozialistische Großphrasen für sie zu Ende sprechen. Am Ende hat er so sich selber angeworben. Im Marx-Jahr 1983 sieht man Dieter mit Marx-Bart gegen das "zügellose Wettrüsten" demonstrieren; "jetzt muss nur noch Frieden bleiben", entlocken ihm die Filmemacher. Der Frieden in der Plattenbauwohnung in Frankfurt (Oder) bleibt gewahrt, weil seine Frau der Meinung ist, man könne "ja nur glücklich sein, wenn der Mann glücklich ist".
Dieter bewährt sich und darf schließlich als Reisekader ins "NSW", ins "Nichtsozialistische Wirtschaftsgebiet" reisen. In der "BRD" baut er an der Frankfurter Startbahn West, dann darf er sogar nach Libyen. "Und, ist das hier ein Traumjob?", fragt die Autorenstimme in einem Ton, in dem sich Hohn und Arroganz zu mischen scheinen. Die Eitelkeit des Dokumentarfilmers rückt sich vor einer libyschen Palme selbst ins Bild, dann gleitet die Kamera über die Westprodukte in der Bauarbeiterunterkunft. Der Film kippt mit den Ereignissen der Wendejahre. Plötzlich steht das Gefilmte ohne realsozialistische Patina und immer formloser nebeneinander. Sei es, dass die Autoren hier ihr Probleme mit der Form des filmischen Essays haben, sei es, dass ihre offene Konzeption sich nicht eignet, um alle Umwälzungen um die Hauptfigur Dieter herum darzustellen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Filmemacher, gleichermaßen verwirrt ohne den Rückhalt ihres bislang fest betonierten Weltbilds, filmen müssen. Vollends scheitert der Film schließlich mit dem Versuch, der großen Oderflut des Sommers 1997, die auch Dieters neues Haus bedroht, eine symbolische Bedeutung abzugewinnen.
Nicht nach dem wichtigsten oder schönsten Augenblick in seinem Leben, sondern "was war das Schönste, was wir gefilmt haben?" fragt die Eitelkeit der Filmemacher am Ende der Langzeitbeobachtung. Sie erinnern plötzlich an den dämonischen Regisseur mit der Baskenmütze, der in der Truman-Show auf der Kommandobrücke steht und ein ganzes Leben sendet.
DAVID WAGNER
Wieder am 13.2. (CinemaxX 3, 10 Uhr, Delphi, 15.30 Uhr), 14.2. (Cine Star 8, 19 Uhr), 15.2. (Arsenal, 14.15 Uhr), 16.2. (Babylon, 21.30 Uhr)
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